Im Irak bricht der Machtkampf aus
Gegen Vizepräsident al-Hashimi ist ein Haftbefehl ausgestellt worden, Ministerpräsident Maliki wird als Diktator beschimpft: Kaum sind die USA abgezogen, beginnt in Bagdad das Ringen um die Vorherrschaft.

Kaum hat der letzte US-Soldat den Irak verlassen, ist in Bagdad der politische Machtkampf voll ausgebrochen. Die Ereignisse haben sich in diesen Tagen überstürzt. Gegen den sunnitischen Vize-Präsidenten Tarik al-Hashimi wurde ein Haftbefehl erlassen; der schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki wird von seinem sunnitischen Stellvertreter Salih al-Mutlak als «Diktator» beschimpft; die sunnitische Irakija-Fraktion, die immerhin neun Minister stellt, droht mit einem Boykott von Regierung und Parlament.
Fast neun Jahre standen die Truppen der USA und ihrer Verbündeten in dem Land am Golf, zeitweise allein das US-Kontingent in einer Stärke von 170'000 Mann. Die innenpolitischen Machtverschiebungen wurden in dieser Zeit im Ausland nur begrenzt wahrgenommen.
Frustrierte sunnitische Minderheit
Bei der sunnitischen Minderheit, die seit der Gründung des modernen Staates 1920 bis hin zu Saddam Hussein an den Hebeln der Macht sass, gibt es seit dessen Sturz eine beständige Frustration.
Die ersten Parlamentswahlen nach Saddam Hussein wurden 2005 von den Sunniten weitgehend boykottiert, nach den zweiten Wahlen 2010 zog ihr Irakija-Block zwar mit 82 Abgeordneten ins Parlament mit seinen 325 Sitzen ein, wurde aber durch Malikis Nationale Allianz mit ihren 159 Abgeordneten in den Hintergrund gedrängt.
Rückzugsort «Kurdistan»
In der aktuell angespannten Lage ist für diverse Sunniten die autonome Kurdenregion im Norden zu einer Zufluchtsstätte geworden. Von Erbil aus meldete sich auch der zur Fahndung ausgeschriebene Vize-Präsident Hashimi zu Wort und sagte, ein Prozess gegen ihn könne «in Kurdistan» stattfinden.
Hashimi wies die Anschuldigungen zurück, Mitglieder seiner Leibgarde hätten Attentate geplant und verübt. Der Präsident der Kurdenregion, Masud Barsani, zeigte sich angesichts der jüngsten Entwicklungen in Bagdad besorgt, die Regierung könne «auseinanderbrechen».
Einst waren die Sunniten die entschlossensten Verfechter der nationalen Einheit. Doch vor dem Hintergrund der Kräfteverhältnisse nach dem Sturz Saddam Husseins haben sie umgedacht. Ausgerechnet die sunnitischen Provinzen Salaheddin, Anbar und nun auch Dijala streben Autonomieregelungen nach dem Muster der Kurdenregion an. Sie berufen sich auf Artikel 119 der irakischen Verfassung, der solche Sonderregelungen zulässt.
Das bei den Sunniten «verbreitete Gefühl der Marginalisierung» könne zur Folge haben, dass «die politischen und konfessionellen Spannungen zunehmen», analysiert Ihsan al-Schammari, Politikwissenschaftler der Universität Bagdad. Das sei eine «Herausforderung», die sich aus dem Abzug der ausländischen Truppen ergebe.
Kein Ende absehbar
Das Potenzial für politisch-religiöse Unruhen ist gewaltig in diesem Land, in dem während der ausländischen Besatzung zehntausende Iraker bei politisch motivierten Gewalttaten getötet wurden.
Vize-Ministerpräsident Salih al-Mutlak hat über den Regierungschef Maliki gesagt, seine «Diktatur» sei «schlimmer als die von Saddam Hussein». Maliki will erreichen, dass Mutlak vom Parlament für seine Attacken gegen ihn zur Rechenschaft gezogen wird. Die Abgeordneten sollen am 3. Januar darüber beraten. Derzeit ist nicht erkennbar, wie die Grabenkämpfe zwischen den politischen Führern überwunden werden könnten.
SDA/miw
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