Krach um Demo-BenimmregelnIm Basler 1.-Mai-Bündnis brodelt es gewaltig
Der Sprecher des 1.-Mai-Komitees Basel sagt, die SP sei mit dem Demo-Kodex vorgeprescht. An der betreffenden Sitzung war er allerdings nicht anwesend.

Kurz vor dem Tag der Arbeit ist ein Streit innerhalb des Basler 1.-Mai-Bündnisses ausgebrochen. Grund ist ein Demonstrationskodex, den die Basler SP vor etwas über drei Wochen im Namen des 1.-Mai-Komitees präsentierte. Es handelte sich um eine Art Benimmregeln für die Demonstrierenden.
So hiess es in jenem Dokument etwa: «Wir demonstrieren friedlich. Jegliche Form von Gewalt gegenüber Lebewesen (…) lehnen wir ab. Übergriffe von ausserhalb der Demo werden solidarisch abgewehrt, und alle Beteiligten wehren sich auch im Nachgang der Demo mit ihren vorhandenen Mitteln dagegen.» Sollte sich der Schwarze Block unter die friedlich Demonstrierenden mischen, «dann lassen wir ihn ziehen und warten, bis er weg ist», erklärte SP-Co-Präsidentin Jessica Brandenburger damals gegenüber der BaZ. Die Vermummten sollen ihre eigene Demo machen. «An der offiziellen Kundgebung möchten wir keine gewaltbereiten Leute dabeihaben.»
Diese Aussagen haben in der linken Szene für Ärger gesorgt. «Igitt, Demo nur für politisch Korrekte», twitterte etwa der politisch weit links stehende Anwalt Andreas Noll.
Auch innerhalb des 1.-Mai-Komitees gab es Diskussionen, gefolgt von einem Knall am Donnerstag: Basta-Grossrat Nicola Goepfert verkündete als offizieller Sprecher des 1.-Mai-Komitees im «Regionaljournal», dass der Aktionskonsens gar nie so verabschiedet worden sei. Die SP sei vorgeprescht.
«Im Gegensatz zu Nicola Goepfert war ich an dieser Sitzung dabei.»
Nur: Goepfert war an dieser ersten Sitzung zum Konsens gar nicht anwesend. Er ist von seiner Vertretung informiert worden. Es habe eine Abstimmung darüber gegeben, «ob überhaupt über den Aktionskonsens diskutiert werden soll». Verabschiedet habe man diesen aber nie. Auf die Frage, ob er dafür Belege habe, sagt er: «Ja, es gibt Protokolle.» Diese will er die BaZ aber nicht sichten lassen.
Es gibt auch Mitglieder, die diese Abstimmung anders interpretiert haben. Nämlich so, dass man den Konsens verabschiedet hat. Öffentlich dazu äussern mag sich nur SP-Co-Präsidentin Jessica Brandenburger. Sie sagt: «Im Gegensatz zu Nicola Goepfert war ich an dieser Sitzung dabei. Wir haben mit Handzeichen darüber abgestimmt, ob der Konsens so verabschiedet wird oder nicht, und eine klare Mehrheit hat dafür gestimmt.»
Nachwirkungen des Weltfrauentags
Was stimmt, lässt sich ohne Belege nicht eruieren. Tatsache ist, dass der Konsens Stand heute nicht gilt und die Stimmung ziemlich geladen ist im 1.-Mai-Bündnis. Aus Gesprächen mit verschiedenen Exponenten und Exponentinnen aus der linken Szene geht hervor, dass besonders die Aussagen der SP gegenüber dem Schwarzen Block in der Medienberichterstattung für Ärger gesorgt haben. Es sei nicht die Idee eines Demo-Konsens, Leute von Beginn weg auszuschliessen.
Helma Pöppel vom Klimastreik Basel war zwar nicht selbst an den Sitzungen des Komitees dabei. Sie schätzt die Stimmung innerhalb der linken Szene jedoch so ein, dass sich die Leute «gerade nach dem Weltfrauentag am 8. März, als die Basler Polizei völlig unverhältnismässig gegen Demonstrantinnen vorgegangen ist, gefragt haben, wieso jetzt der Fokus auf der Abgrenzung vom Schwarzen Block liegt und die Kritik an der Polizei dabei ausgelassen wird».
Dafür hat Brandenburger wenig Verständnis: «Man kann der SP nun wirklich nicht vorwerfen, dass wir die Polizei nicht kritisieren würden, wenn man sich unsere politische Arbeit vor Augen führt.» Auch habe sie nicht per se den Schwarzen Block ausschliessen wollen, sondern einfach Leute, die Gewalt ausüben. Brandenburger ist enttäuscht, dass der Konsens an der zweiten Sitzung dann für nichtig erklärt worden ist. Ihre Partei jedenfalls werde «im friedlichen Teil der Demo» zu finden sein. «Ich möchte nicht, dass SP-Leute danebenstehen, wenn Sachbeschädigungen passieren.» Als Learning ziehe sie daraus, dass «wir die Kommunikation im 1.-Mai-Bündnis dringend verbessern müssen».
Enttäuscht ist auch Eymann
Ähnlich enttäuscht wie Brandenburger ist Justiz- und Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann. «Ich bedaure, dass es zu diesem Rückschritt gekommen ist, und bin ehrlich gesagt auch überrascht. Ich bin hoffnungsvoll davon ausgegangen, dass ein klares Signal gegen gewaltbereite Gruppen auch innerhalb der 1.-Mai-Bewegung mehrheitstauglich ist», schreibt sie.
Sie hoffe aber, dass die signalisierte Gesprächsbereitschaft von dieser Abkehr nicht tangiert sei. «Schliesslich war der 1. Mai bis auf die letztjährige Ausnahme in Basel eine friedliche Veranstaltung.»
Tatsächlich war das letzte Jahr ein Ausreisser – und ausschlaggebend dafür, dass man überhaupt einen Demo-Kodex erarbeitet hatte. Angehörige des Schwarzen Blocks haben am 1. Mai 2022 nicht nur massive Sachbeschädigungen begangen, sondern auch den BaZ-Fotografen tätlich angegriffen.
«Gewalt an sich und insbesondere gegen Medienschaffende ist nicht zu tolerieren.»
Was bedeutet es nun, dass doch kein Konsens gilt? Sind die Leute, die Scheiben einschlagen, Feuerwerkskörper auf die Polizei werfen und Fotografen schlagen, am Montag herzlich willkommen?
«Nein», sagt Goepfert. «Ich verurteile das ganz klar. Gewalt an sich und insbesondere gegen Medienschaffende ist nicht zu tolerieren.» Auch was das Distanzieren vor Ort betrifft, scheint Goepfert zumindest nicht abgeneigt zu sein. Letztes Jahr habe es eine unglückliche Vermischung von friedlichen und gewaltbereiten Demonstrierenden gegeben, sagt er. «Wir möchten nicht, dass es dieses Jahr wieder so kommt.» Gewerkschaftsbündnis und Revolutionäres Bündnis würden «wie in den Vorjahren»» in einigem Abstand voneinander im Demonstrationszug laufen. «Wir rufen zu einem friedlichen, bunten und lauten 1. Mai auf.»
Da fragt man sich: Wieso dann den Aktionskonsens, der genau das festgehalten hätte, ablehnen?
So richtig kann Goepfert das auch nicht beantworten.
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