Fritz Hauser wird 70«Ich wollte mich nie abrackern, nur um möglichst viel Geld zu scheffeln»
Der Basler Perkussionist und Komponist Fritz Hauser spielt diese Woche vier Geburtstagskonzerte im Museum Tinguely. Im Interview blickt er auf seine Anfänge bei der Rockband Circus zurück und erklärt das Konzept hinter seinem bevorstehenden Auftritt.

Herr Hauser, am 29. März werden Sie 70 Jahre alt. Ist dieser runde Geburtstag für Sie ein Meilenstein?
70 ist nur eine Zahl, wie 66 und 55 für mich auch nur Zahlen waren. Sicher bin ich jetzt in dem Alter, wo ich in Kauf nehmen muss, dass sich gewisse Materialermüdungserscheinungen bei mir bemerkbar machen. Aber solange ich bei guter Gesundheit bin und den Dingen nachgehen kann, die mir Spass bereiten, bin ich zufrieden.
Sie sind ein notorischer Eklektiker, der in sehr vielen unterschiedlichen Kulturbereichen aktiv ist. Waren Sie schon immer so vielseitig interessiert?
Bei Circus waren wir sehr auf die Band fokussiert. Erst nachher habe ich mich für andere Ausdrucksformen geöffnet. Und dabei erkannt, wie gut sich Schlagzeug und Perkussion beim Tanz und beim Theater einbringen lassen. Als Schlagzeuger steht einem ein riesiges Instrumentarium, vom Pfannendeckel bis zur Kesselpauke, zur Verfügung, mit dem man Rhythmen und Klangflächen erzeugen kann. Mit einem Klavier ist man viel begrenzter, weil ein Klavier doch immer nur wie ein Klavier tönt.
Nach Circus wurden Sie für Ihre Soloperformances am Schlagzeug bekannt. Wie einfach war es damals, ein Publikum für dieses ungewöhnliche Konzept zu begeistern?
Bei meiner allerersten Amerikatournee 1983 habe ich in so seltsamen Lokalen wie dem legendären New Yorker Punk-Club CBGB’s gespielt. Natürlich habe ich dort oft gegen Windmühlen angekämpft, weil die Menschen geschwatzt haben, während ich auf der Bühne war. Trotzdem gab es immer Leute, die sich nach einer halben Stunde auf mein Spiel eingelassen haben. Für mich waren spätere Auftritte wie im Kellertheater in Altdorf, wo die Leute mit verschränkten Armen dasassen und mir vom ersten Ton weg aufmerksam zugehört haben, viel schwieriger. Dort hatte ich nämlich keine Zeit, mich auf das Publikum einzustellen.
Wären Sie heute ein anderer Musiker, wenn Sie nicht in Basel zur Welt gekommen wären?
Von meiner Geburt her war ich mehrfach privilegiert. Ich stamme aus einer Ärztefamilie, der es finanziell nie wirklich schlecht ging. Ich bin in der stabilen Schweiz aufgewachsen. Und ich gehöre der Golden Generation an, für die Ende der 1960er-Jahre alles immer nur schöner, besser und luftiger wurde. Wäre ich als Afroamerikaner in New York zur Welt gekommen, hätte ich sicher ganz andere Musik gemacht. In Kirgistan habe ich gesehen, wie hart das Leben sein kann: Dort haben die Musikschulen nicht einmal Geld für richtige Instrumente oder Lehrmittel.
Obwohl Sie in der wohlhabenden Schweiz zu Hause sind, sind Sie bis heute kreativ konsequent geblieben. Sie gehören nicht zu jenen Musikern, denen man auf jeder Bühne und jeder Platte begegnet.
Ich wollte mich nie abrackern, nur um möglichst viel Geld zu scheffeln. Und nach vielen Konzerten und Studiojobs so müde sein, dass ich vor meinen Schülern einschlafe. Musiker ist trotz allem ein harter Job: Wenn man nicht gewillt ist, 200 Nächte im Jahr in einem fremden Bett aufzuwachen, sich schlechtes Essen zuzuführen und vielleicht auch mal einen schlechten Gig abzuliefern, sollte man diesem Beruf nicht nachgehen. Solche Erfahrungen sind aber auch charakterbildend: Wenn alles in gelenkten Bahnen verläuft, macht man nur noch Hors-sol-Musik. Und die braucht niemand.
Diese Woche führen Sie mit Ihrem Percussion-Ensemble im Museum Tinguely ein neues Werk auf. Wie ist es dazu gekommen?
Urs Blindenbacher von Offbeat und ich haben uns vor einem Jahr darauf geeinigt, dass wir auf meinen Geburtstag hin etwas zusammen machen. Von all den Orten, die er mit seinen Jazzkonzerten bespielt, erschien mir das Tinguely-Museum das sinnigste, weil ich schon immer eine grosse Faszination für Jean Tinguelys Werk hatte. Wobei die grosse Halle im Parterre akustisch gesehen nicht ganz einfach ist. Ich habe dort Konzerte der Basler Sinfonietta erlebt, bei denen man nicht richtig hören konnte, was die Musiker und Musikerinnen auf der Bühne tun.
Trotzdem treten Sie jetzt in diesem schwierigen Saal auf.
Ursprünglich wollte ich das Publikum mit meinen fünf Solisten auf eine Wanderung durch die Räume des Museums mitnehmen. Aus Platzgründen hat sich dieses Konzept aber als nicht praktikabel erwiesen. Der Aufbau in der grossen Halle wird allerdings etwas anders sein als sonst. Ich werde mit den Solisten und Solistinnen sozusagen im Auge des Hurrikans, also in der Saalmitte, sitzen, um das Publikum herum sind dann 15 Perkussionisten und Perkussionistinnen der Musikhochschule Basel positioniert, und um sie herum stehen Jean Tinguelys Maschinen.
Wie stark haben Sie die Maschinen, die nach der neuen Disposition im Museum in der grossen Halle stehen, in Ihre neue Komposition integriert?
Ich hatte ursprünglich geglaubt, dass ich mit der Stoppuhr ein Zeitraster erarbeiten müsste, um die fix getimten Einsätze der Maschinen berücksichtigen zu können. Zum Glück werden die Maschinen neu über eine Fernbedienung angesteuert, so kann ich sie gestaffelt oder alle zusammen starten. Das hat meine Arbeit als Komponist sehr viel einfacher gemacht.
Was haben Sie sonst noch für Ihr Jubiläumsjahr geplant?
Im November will ich im Gare du Nord das Projekt «Slow Cage» realisieren. Dabei geht es darum, John Cages «Third Construction» aus dem Jahre 1941 bei maximal halbem Tempo aufzuführen. Durch diese Verlangsamung auf 51½ Schläge pro Minute wird das Stück so gut wie unspielbar, dafür gewinnt jeder Ton und jeder Schlag eine neue Kraft, die beim Originaltempo nicht da war. Auf diese Aufführungen im Quartett freue ich mich sehr.
Museum Tinguely, Basel. Paul-Sacher-Anlage 2.
Di/Mi, 21./22 März, jeweils 18.30 & 20.30 Uhr.
www.offbeat-concert.ch
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