«Ich weiss nicht, wie lange er das erträgt»
Karl-Theodor zu Guttenberg steht in der Plagiatsaffäre weiter im Kreuzfeuer der Kritik. Aus der Politik und Wissenschaft wächst der Druck. Auch seine Zustimmungswerte schmelzen langsam weg.
Dem deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurde von der Universität Bayreuth sein Doktortitel in Jura aberkannt, weil er im grossen Umfang Fremdtexte nicht als Zitate gekennzeichnet hatte. Der Minister bestreitet eine vorsätzliche Täuschungsabsicht. In den Umfragen wird Guttenberg dennoch bislang weiter als beliebtester Politiker geführt, eine klare Mehrheit ist gegen seinen Rücktritt.
Forsa-Chef Güllner sagte im Deutschlandradio, Guttenberg habe ein so grosses Sympathiepolster, dass es erst langsam schmilzt. «Das ist so, wie wenn ein Tier sich für die Winterpause ein Fettpolster anfrisst, dann zehrt es ja auch eine Weile von diesem Vorrat.» Inzwischen gebe es aber schon «deutliche Sympathie-Dellen, und ich denke, dass dieses Sympathiepolster schon langsam, aber eben erst langsam abschmelzen wird».
Ein Minderwertigkeitskomplex?
SPD-Chef Sigmar Gabriel äusserte die Vermutung, Guttenberg habe aus einem Minderwertigkeitskomplex heraus bei seiner Doktorarbeit geschummelt. «Herr zu Guttenberg hat keine abgeschlossene Berufsausbildung, da er das zweite Staatsexamen nicht gemacht hat. Offenbar hat er darunter gelitten, dass er trotz der grossen Familientradition auf diesem Gebiet nichts vorzuweisen hat», sagte Gabriel der «Bild am Sonntag». Dieses vermeintliche Manko habe er wohl mit einem erschwindelten Doktortitel zu heilen versucht.
Gabriel warf dem 39-jährigen Minister auch vor, «zum Risiko für die Bundeswehr geworden zu sein». Eine sachliche Zusammenarbeit mit ihm etwa bei der Bundeswehrreform oder beim Afghanistan-Einsatz werde «sicher sehr, sehr schwer».
«Guttenberg steht wissenschaftlich für immer am Pranger»
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hält es für fraglich, dass Guttenberg dem Druck Stand halten kann. «Es wird immer Menschen geben, die ihm die Fehler bei seiner Doktorarbeit in der Öffentlichkeit genüsslich vorwerfen. Und ich weiss nicht, wie lange er das erträgt und aushalten kann», sagte Böhmer dem Berliner «Tagesspiegel».
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, warnte vor dem Hintergrund der Guttenberg-Affäre davor, Plagiate in der Wissenschaft als Kavaliersdelikt zu verharmlosen. Geistiges Eigentum in der Wissenschaft sei genauso wertvoll wie materielles Eigentum, sagte Kleiner dem Berliner «Tagesspiegel». Der frühere DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker sagte dem «Spiegel», Guttenberg stehe wissenschaftlich «für immer am Pranger».
«Wir sind einem Betrüger aufgesessen»
Noch einmal an Schärfe gewann Kritik aus der Universität Bayreuth. Der dortige Jura-Professor Oliver Lepsius, der den Lehrstuhl von Guttenbergs inzwischen emeritierten Doktorvater übernommen hat, sagte der «Süddeutschen Zeitung» vom Samstag: «Wir sind einem Betrüger aufgesessen». Auch Guttenbergs Aussage, er habe ohne Vorsatz falsch zitiert, lässt der Jurist nicht gelten. «Der Minister leidet unter Realitätsverlust», sagte Lepsius der «SZ». «Er kompiliert planmässig und systematisch Plagiate, und er behauptet, nicht zu wissen, was er tut. Hier liegt die politische Dimension des Skandals.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch