«Ich merkte, dass ich erschöpft bin»
Der FCB-Captain Matias Delgado gibt seinen sofortigen Rücktritt – und hinterlässt eine Leere.

Schon ein Blick aufs Matchblatt verrät Aufregung. Kein Matias Delgado in der Startelf. Kein Matias Delgado auf der Ersatzbank. «Private Gründe», sagt FCB-Sportchef Marco Streller noch während des 3:1-Sieges gegen Luzern, «aber kein Transfer». Er hat alle Mühe, die Neuigkeiten, die auch für ihn brandneu sind, unter dem Deckel zu halten: Sein Captain Matias Delgado mag nicht mehr. Er wird den Rücktritt vom Spitzenfussball verkünden.
Kurz vor 19 Uhr setzt sich der Spielmacher des FC Basel im Medienraum des St.-Jakob-Parks hinter die Mikrofone. Jeans, schwarzes Hemd, beiges Sakko. «Es ist ein schwieriger Tag, und er kommt unerwartet. Ich beende meine Karriere. Ich liebe den Club, die Stadt. Aber ich fühle mich nicht mehr zu hundert Prozent in Topform», sagt er in spanischer Sprache, «und ich weiss, dass ich es nicht mehr schaffen werde. Es ist mir ein Anliegen, mich zu entschuldigen – vor ein paar Monaten habe ich meinen Vertrag verlängert. Ich möchte fair sein.»
Nicht im Winter – jetzt
Nach den ersten Statements des 34-Jährigen betritt eine Handvoll FCB-Fans das Mediencenter. Mit lautstarken Gesängen ehren sie ihren abtretenden Captain. Dem kullern bald einmal die Tränen übers Gesicht. Was für emotionale Szenen, die sichtlich auch Delgados Familie im Raum ergreifen. Seine Mutter ist gekommen, seine Frau, seine Kinder.
Am Samstag, am Tag vor seiner Heimpremiere als FCB-Trainer, wurde Raphael Wicky von Delgado zum Gespräch gebeten. Auch Marco Streller war dabei. Der Spieler informierte seine Chefs, dass er aufhören will. Nicht im nächsten Winter, nicht im nächsten Sommer. Sondern jetzt.
Streller fühlte sich sofort an seinen eigenen Abschied im Frühling 2015 erinnert. Auch er hatte kurz zuvor nochmals seinen Vertrag um ein Jahr verlängert. «Aber auch ich merkte damals, dass es nicht mehr passt», erzählt Streller. Der Sportchef machte deshalb auch keine Anstalten, Delgado umzustimmen. Streller sagt: «Wenn es so weit ist und der Tag da ist, dann ist das so. Es gibt kein Zurück mehr.» Durchblicken lässt der 36-Jährige, dass «MED» mit der Vertragsauflösung auf viel Geld verzichtet – das Jahresgehalt des Spielmachers wird auf rund eine Million Franken geschätzt. Aber Geld ist in diesem Moment kein Thema.
Auch Raphael Wicky muss am Samstag zuerst seine Gefühle sortieren. In den taktischen Plänen des neues Coaches spielte der 34-Jährige immer noch eine zentrale Rolle. Im neuen 3-1-4-2-System hatte Wicky in der Saison-Vorbereitung Delgado als Sechser mehrfach vor der Abwehr getestet – und für gut befunden. Dass Delgado von Wicky oder Streller zum Rücktritt gedrängt worden ist, wie gestern Abend schon da und dort gemunkelt wurde, darf man mit Fug und Recht ins Reich der Fabeln verweisen. «Mati war eine Integrationsfigur und ein wunderbarer Mensch. Er ist Basler geworden», sagt Streller noch. Und Wicky sagte: «Er ist für diese Mannschaft kein Problem, sondern Teil der Lösung».
Micky-Mouse-Fussball
Bei aller Wertschätzung für Delgado: Die sportlichen Aspekte darf man in der Stunde des Abschieds nicht ausklammern. Als er 2013 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Basel zurückkehrte, war er körperlich in schlechtem Zustand, der Mickey-Mouse-Fussball in der Wüste liess grüssen.
Der damalige Trainer Murat Yakin liess den Spielmacher oft auf der Bank. Dann kam Paulo Sousa, und der hatte in den internationalen Spielen keinen Bedarf für Delgado. 2015 übernahm Urs Fischer das Kommando, der Zürcher bestimmte die Nummer 10 zum neuen Captain. Aber grenzenloses Vertrauen hatte auch Fischer nicht; mehrheitlich nach einer Stunde wurde Delgado vom Platz geholt.
Delgado machte gute Miene zum bösen Spiel. Und verkniff sich böse Kommentare. Gestern nun sagte er: «Mein Rücktritt ist die Folge eines Prozesses, der über Monate ging. Es ist schwierig, sich selbst einzugestehen, wenn man nicht mehr auf bestem Level spielen kann. Ich merkte, dass ich erschöpft bin.»
Wer den Argentinier zuletzt im FCB-Trainingslager in Crans-Montana erlebt hatte, mag die gestrigen Worte kaum glauben. Delgado sprühte vor Spielfreude und Lust. Er war der «Capitano», der voran ging. Geschätzt von den Teamkollegen, geliebt von der Muttenzerkurve. Alles nur Fassade? Nun, auch Profifussballer sind nur Menschen. Die nur im engsten Kreis ihre Seele öffnen. Was nichts anderes als verständlich ist.
«Ich habe keinen Plan»
Dass Delgado nach dem zweiten Spieltag zurücktritt, hat wenig mit der neuen FCB-Führung zu tun, aber ganz viel mit der Ehrlichkeit eines Profis, der den Ball immer als Freund und nie als Feind begriffen hat. Man glaubt Delgado, wenn er sagt: «Ich habe keinen Plan, wie es nun weitergeht. Vorerst bleibe ich in Basel. Aber zuerst muss ich das alles mal verkraften.» Das muss auch Streller. Im Mittelfeld wird nun eine Planstelle frei. Ob sie mit einem Neuzugang gefüllt wird? «Abwarten», sagt er, «wir haben uns noch nicht gross Gedanken dazu gemacht.»
Der Schock nach dem Delgado-Rücktritt: Nicht nur Streller und Wicky müssen ihn zuerst verdauen. Sondern auch die Mitspieler, die erst nach dem 3:1 gegen Luzern informiert wurden.
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