«Ich irritiere die Blues-Professoren»
Am Dienstag wurde der Thuner Sänger und Gitarrist Philipp Fankhauser für sein Lebenswerk geehrt. Heute tritt er am 20. Blues Festival Basel auf.

Wie ist es 2019 um den Blues bestellt? Seit dem letzten Revival sind viele Jahre vergangen.
Dieses liegt tatsächlich um die 35 Jahre zurück, daran hatte Stevie Ray Vaughan grossen Anteil. Seither wird abwechselnd orakelt, dass der Blues wieder da, dass er tot oder dass er jetzt endgültig weg ist. In Wirklichkeit macht er nur eine Wellenbewegung durch. Und zurzeit steht der Blues wieder oben auf seiner Welle. Es kommen wieder viele junge Menschen an unsere Konzerte, die sich für den Blues begeistern. Der elsässische Sänger Flo Bauer ist dafür ein gutes Beispiel. Vor acht Jahren kam er als 12-Jähriger mit seinem Vater an eines meiner Konzerte, heuer singt er am gleichen Abend wie ich am Blues Festival Basel.
Bei keinem anderen Musikgenre gibt es so viele Awards und Auszeichnungen wie beim Blues. Woran liegt das?
Neben dem W.C. Handy Award in den USA, der inzwischen einfach Blues Award heisst, hat jede Blues Society in jedem Land ihren ganz eigenen Blues Award. Ob im Blues mehr Auszeichnungen verliehen werden als in anderen Genres, weiss ich nicht. Ich weiss auch nicht, ob die vielen Awards auch etwas bewirken. Aber unschön ist so etwas sicher nicht.
Womöglich haben die vielen Blues-bezogenen Awards etwas damit zu tun, dass die Blues Community etwas gesetzter ist als andere Musikszenen.
Man muss schon sehen, dass die Blues Awards in der Tradition der Jazz Awards stehen, die die grossen Fachmagazine wie «Down Beat» und wie sie alle heissen vergeben. Dazu kommt, dass der Blues aus den USA stammt, wo man eine ungeheure Begeisterungskultur hat. Diese zeigt sich in den vielen Auszeichnungen, die die Amerikaner einander gerne vergeben. Und in den Making-of-Dokus, in denen die Filmregisseure ihre Darsteller und umgekehrt die Schauspieler ihre Regisseure in den höchsten Tönen loben. Diese Laudationes sind auf eine gewisse Art und Weise auch kleine Awards.
Es ehrt und freut mich natürlich, diesen Award zu erhalten. Trotzdem kommt er für mich doch ein wenig zu früh. Ich will über die nächsten 20 Jahre als Musiker weiter wachsen, darum trifft mich dieser Award mitten in meiner Evolution. Sofern die noch kommt. Vielleicht gehts ab jetzt nur noch bergab.
Anders gefragt: Welche Spuren haben Sie im Schweizer Blues hinterlassen?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich weiss nur von ein paar Blues-Festivals, die von alten Fankhauser-Fans lanciert wurden. Ich weiss auch von einigen Musikern, für die es an einem meiner Konzerte «klick» gemacht hat. Ich spiele mich aber nicht als jemand auf, der vom Blues-Olymp heruntergestiegen ist. Ich spiele eine Musik, die ich mir von B.B. King, Albert King und Hunderten anderen Blues-Musikern geborgt habe. Selber erfunden habe ich den Blues nicht. Aber mit dieser Musik, die ich seit nunmehr 33 Jahren live spielen darf, mache ich die Menschen glücklich. Das ist ein schöner Effekt.
War das schon immer Ihr Anspruch?
Mein Blick auf mich selber ist immer ein gesunder geblieben, weil ich mich unrealistischerweise immer mit den ganz Grossen gemessen habe. Für mich ist B.B. Kings «Live at the Regal» aus dem Jahre 1964 der Zenit von live gespielter Blues-Musik. Auch wenn ich selber nie dorthin gelangen kann, musste dieses Album doch immer mein Referenzpunkt sein. Dank diesem Masochismus habe ich meine Bodenhaftung bewahrt. Selber finde ich mich auch gar nicht so toll. Es ist nicht alles verkehrt, was ich bisher geleistet habe. Trotzdem höre ich die Platten von Johnny Copeland lieber als meine eigenen.
Sie sollen den Blues früher als bierernsten, ja geradezu heiligen Ritus betrieben haben. Sehen Sie diese Musik noch immer als Sakrament?
Ich bin sicher nicht mehr so verbohrt wie früher. Auch wenn ich den Blues weiterhin als ernste Angelegenheit betrachte, so darf er einfach auch nur Unterhaltung sein. Meine heutige Gelassenheit hat mitunter damit zu tun, dass ich mehr eigene Songs im Live-Repertoire habe. Aber wenn jemand bei einem Stück von Johnny Copeland nicht zuhört, empfinde ich das auch heute noch als persönliche Beleidigung.
Sie gehören aber nicht zu den Puristen, die die Blues-Szene mit ihrem Besserwissertum verpesten.
Im Gegenteil: Ich irritiere die Blues-Professoren mit meinen kleinen musikalischen Eigenheiten. Die darf ich doch haben. Meine Band hat sich jedenfalls daran gewöhnt, dass ein Twelve-Bar-Blues bei mir durchaus einen Takt zu viel haben oder den einen oder anderen schrägen Akkord mitbringen darf.
Was steht als Nächstes bei Ihnen an?
Ich habe im März mein 16. Album eingespielt, das im Dezember erscheinen soll. Darauf betrete ich persönliches musikalisches Neuland. Ich singe darauf zum ersten Mal einen Song auf Mundart, und dann auch noch ein Stück von Lucio Dalla. Ich bin im Tessin aufgewachsen und seit dieser Zeit ein grosser Dalla-Anhänger. Am Tag nach seinem Tod 2012 in Montreux hätte ich ihn in Zürich treffen sollen, aber leider ist es nicht mehr dazu gekommen.
Jetzt wird Ihnen der Swiss Blues Lifetime Achievement Award verliehen. Womit glaubt Philipp Fankhauser, diese Auszeichnung verdient zu haben?
Es ehrt und freut mich natürlich, diesen Award zu erhalten. Trotzdem kommt er für mich doch ein wenig zu früh. Ich will über die nächsten 20 Jahre als Musiker weiter wachsen, darum trifft mich dieser Award mitten in meiner Evolution. Sofern die noch kommt. Vielleicht gehts ab jetzt nur noch bergab.
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