«Ich hatte niemals die Absicht, erneut zu kandidieren»
Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat dem Druck der Bevölkerung nachgegeben. Er verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Doch von einem sofortigen Rücktritt will er nichts wissen.
In einer am Staatsfernsehen ausgestrahlten Rede an die Nation gab der 82-Jährige bekannt, er werde bei den für September geplanten Präsidentschaftswahlen nicht mehr antreten. Er habe «unabhängig von den aktuellen Umständen» niemals die Absicht gehabt, erneut für das Präsidentenamt anzutreten.
Bis im Herbst will Mubarak die Stabilität wieder herstellen und eine friedliche Machtübergabe ermöglichen - kurz: die Forderungen der Protestierenden erfüllen. So plant er beispielsweise eine Verfassungsreform mit einer Amtszeitbeschränkung für Präsidenten und Änderungen bei der Zahl der zugelassenen Kandidaten.
Mubarak will nicht ins Exil gehen
Seinen Stellvertreter Omar Suleiman habe er angewiesen, den Dialog mit allen politischen Kräften zu suchen. Gleichzeitig schloss er aus, ins Exil zu gehen: «Dieses Land ist auch meine Heimat und in dieser werde ich sterben», sagte er.
Tausende von Menschen befanden sich während der Rede noch auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Sie gaben sich mit dem Gehörten nicht zufrieden und forderten nach wie vor seinen sofortigen Rücktritt.
Zu Hunderttausenden nahmen am Dienstag in vielen Städten Menschen am Marsch der Millionen teil. Allein in der Hauptstadt Kairo versammelten sich nach Medienangaben bis zu zwei Millionen Menschen um den zentralen Tahrir-Platz. Nach Angaben der Sicherheitskräfte waren es mindestens 500'000. Auch in anderen Städten wie Alexandria, Suez oder Ismailija forderten Zehntausende einen Neuanfang.
Stimmung wie an einem Volksfest
Die Stimmung blieb ausgelassen und erinnerte an ein Volksfest. «Wir wollen Freiheit. Wir wollen Demokratie», riefen die Demonstranten. «Mubarak, verschwinde», war auf Transparenten in Kairo zu lesen. Am Protest beteiligten sich Menschen aus allen Bevölkerungsschichten: Junge, Alte, Arbeiter und Ärzte, Geistliche und Frauen mit Kindern.
Auffällig war, dass unter den Protestierenden deutlich mehr Vertreter der Muslimbruderschaft zu sehen waren als in den vergangenen Tagen. Die Muslimbrüder sind in Ägypten offiziell verboten, haben aber viele Anhänger.
Opposition trifft sich
Die Armee, die angekündigt hatte, sie werde nicht auf friedliche Demonstranten schiessen, hielt sich im Hintergrund. Mit Verkehrsblockaden versuchten die Behörden aber, die Demonstrationen zu behindern.
In Kairo kamen Vertreter aller grösseren Oppositionsgruppen zu einem Treffen zusammen. Sie einigten sich dabei auf eine gemeinsame Linie und erklärten sich zu Gesprächen mit dem neuen Vizepräsidenten Omar Suleiman bereit - unter der Bedingung, dass Mubarak abdankt.
Zudem verlangten die Oppositionsgruppen die Auflösung der beiden Parlamentskammern und der Regionalparlamente, die Bildung einer «Regierung der nationalen Allianz» und eine neue Verfassung. Friedensnobelpreisträger Mohammed Al-Baradei forderte, Mubarak müsse bis spätestens Freitag sein Amt niederlegen.
USA mischen sich immer mehr ein
Unterstützung erhielt die Opposition von den USA, die sich langsam von ihrem einstigen Verbündeten abzuwenden scheinen. So traf sich die US-Botschafterin in Ägypten, Margaret Scobey, mit Al-Baradei. Das Gespräch sei Teil der Bemühungen Washingtons gewesen, angesichts der Proteste «Unterstützung für einen geregelten Übergang in Ägypten zu vermitteln», erklärte ein Sprecher des US- Aussenministeriums.
Ausserdem hat gemäss der Zeitung «New York Times» der US-Sondergesandte im Namen von US-Präsident Barack Obama Mubarak dazu aufgefordert, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Frank Wisner habe den ägyptischen Machthaber nicht zum unmittelbaren Rücktritt aufgefordert, sondern ihm geraten, den Weg für freie und faire Wahlen frei zu machen.
Chaos am Flughafen
Immer mehr Ausländer und Ägypter versuchen derweil das Land zu verlassen. Am Flughafen in Kairo führte dies teils zu chaotischen Zuständen, wie Reisende berichteten. Zwar trafen weitere Sondermaschinen ein, um Passagiere ausser Landes zu fliegen, doch warteten tausende auf ihre Ausreise.
Mehrere Schweizer Firmen mussten unterdessen ihre Büros und Fabriken schliessen. UBS, ABB und Nestlé stellten ihre Aktivitäten am Nil vorübergehend ein. Die Mitarbeitenden bleiben zu Hause oder kehren in ihre Heimat zurück. Weiter produzieren konnte Novartis.
In Ägypten sind laut Schätzungen des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco rund 100 Unternehmen aus der Schweiz tätig. Nur wenige hätten jedoch Produktionsstätten oder eigene Büros vor Ort.
dapd/sda/miw
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch