«Ich habe die Narben selber gesehen»
Die frühere Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot hatte 2003 für den Europarat über 47 junge Moldawier berichtet, denen in der Türkei illegal eine Niere entnommen wurde. Für die Männer eine Tragödie.

Mit der Veröffentlichung seines Berichts zum mutmasslichen Organhandel im Kosovo machte Dick Marty auch gleich klar, dass sich die dunklen Machenschaften nicht auf den jungen Balkan-Staat beschränken. Berichte über verbrecherische Tätigkeiten kommen aus allen Ecken der Welt.
Aber: «Einen Überblick über den weltweiten Organhandel gibt es nicht», sagt Ruth-Gaby Vermot. Die frühere SP-Nationalrätin hatte 2003 zuhanden des Europarats einen Bericht über eine Gruppe 47 junger Moldawier verfasst, die für eine Organentnahme in die Türkei gelockt wurden. «Vermittler in ihren Heimatländern hatten ihnen Arbeit versprochen, das gab es dort aber natürlich nicht», so Vermot. Stattdessen machte man ihnen Vorwürfe, sie hätten Unkosten verursacht und könnten diese mit einer Nierenspende sozusagen abbezahlen. Mit 2000 bis 3000 Dollar wurden sie wieder nach Hause geschickt. Im Zuge dieser Aufdeckungen kam es in der Türkei auch zu Verurteilungen von beteiligten Ärzten.
Schlechter Gesundheitszustand
Vermot hat die jungen Männer in Moldawien mehrmals besucht. «Ich habe ihre Narben selber gesehen.» Ihre Arbeit als Beobachterin und Berichterstatterin machte sie zusammen mit einer moldawischen Journalistin. «Sie verlor mehrmals ihre Arbeit, dann gründete sie ihre eigene Zeitung.»
Was für Vermot besonders schwer wiegt: «Die jungen Männer wurden zu Hause meist krank, weil keine angemessene Nachbehandlung erfolgte.» Die moldawischen Ärzte seien geschockt gewesen vom Zustand dieser Patienten. Zudem sei es moralisch verwerflich und juristisch strafbar, wenn Menschen aufgrund ihrer schlechten ökonomischen Lage ausgenützt würden.
«Diese Liberalisierung gefällt mir gar nicht»
In diesem Zusammenhang kritisiert Vermot auch das neue Transplantationsgesetz. Neu darf man jemanden für eine gespendete Niere mit 5000 Franken für Arbeitsausfall entschädigen. Der Spender muss allerdings in einem Freundschaftsverhältnis zum Empfänger stehen. «Diese Liberalisierung gefällt mir gar nicht.» Vermot befürchtet, dass es so aufgrund unterschiedlicher ökonomischer Verhältnisse zu Spenden kommt, was für sie moralisch und ethisch nicht haltbar ist.
Vermot spricht mit der Ausnutzung der Notlage und der fehlenden Nachbehandlung die beiden Hauptkritikpunkte an, welche in Untersuchungsberichten von nationalen und internationalen Organisationen immer wieder genannt werden. Berichte über illegale Organentnahmen kommen derweil aus Brasilien, Ägypten, Indien, Südafrika und Osteuropa. Schätzungen gehen davon aus, dass allein in Indien in den letzten 25 Jahren rund 100'000 illegale Nierenentnahmen erfolgten.
Und auch hier ist das Prinzip immer das gleiche: Den unfreiwilligen Spendern wird Geld für eine Niere versprochen. Das geht von einigen hundert Dollar bis zu fünfstelligen Dollarbeträgen. Oft gehen sie auch einfach leer aus. Nach der Nierenentnahme werden die Spender krank, weil es an entsprechenden Medikamenten und Betreuung fehlt. Besonders drastisch ist die Lage in China: Dort werden hingerichteten Menschen Organe entnommen.
Organe von Hingerichteten
Auf der anderen Seite stehen die Organ-Empfänger, meist Menschen aus reichen Ländern. Amerikaner, Kanadier, Europäer und zuletzt auch immer mehr Leute aus arabischen Staaten mit genügend Geld. Verschiedenen Berichten zufolge werden Beträge bis zu einer Viertelmillion für eine Niere bezahlt. Geld, das Vermittlern und beteiligten Ärzten in die Tasche fliesst.
Bemühungen, den illegalen Organhandel zu unterbinden gibt es zwar. Eine UNO-Studie vom Oktober 2009 beleuchtete den Missstand weltweit und forderte «ein neues verbindliches Abkommen, um den florierenden Handel mit menschlichen Organen, Geweben und Zellen (OTC) zu stoppen, die Opfer zu schützen und die Urheber dieser Form der Ausbeutung der Ärmsten der Armen zur Verantwortung zu ziehen».
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