Mujinga Kambundji im 200-m-Final«Ich bin stolz, dass auch ich zu diesem hohen Niveau beitrage»
22,05 Sekunden über 200 m – die Bernerin qualifiziert sich mit der Schweizer Rekordzeit für ihren zweiten WM-Final in Eugene. Es gab nur einen heiklen Moment.
Und schon wieder diese Minuten des Wartens. Wenn die Nervosität ins Unermessliche steigt und der Puls vom Rennen wie verrückt hämmert. Qualifiziert für den Final oder nicht? Erschöpft auf jeden Fall. «Es war übel, ich dachte, ich hätte unter 22 Sekunden laufen müssen», sagte Mujinga Kambundji nach ihrer Glanztat. In 22,05 sprintete sie im Halbfinal über 200 m zu ihrem nächsten Landesrekord – und in ihren zweiten Final an dieser WM in Eugene. Sie erzielte die siebtbeste Zeit und hatte Glück mit dem Rückenwind: den maximal akzeptablen 2,0 m/sec.
Die ersten fünf Sprinterinnen waren angeführt von der Jamaikanerin Shericka Jackson alle unter 22 Sekunden geblieben. Das Niveau auf der halben Bahnrunde ist ein unfassbar hohes geworden. Es ist nicht mehr vergleichbar mit der WM vor drei Jahren in Doha, als die Bernerin die Bronzemedaille mit einer Leistung gewonnen hatte, die nicht zu ihren fünf besten gehört hatte. Damals reichten 22,60, um in den Final zu kommen, im vergangenen Jahr an den Olympischen Spielen in Tokio waren es 22,40 gewesen, nun bereits 22,08.
«Ich mache den anderen das Leben auch schwer.»
Vielleicht ist es nicht einmal nur das Niveau, das gestiegen ist, die Dichte an Athletinnen, die in diesen Bereich laufen können, ist viel höher. 9 der 24 Halbfinalistinnen waren mit einer Bestzeit von unter 22 Sekunden angereist, die sie bis auf eine alle in diesem oder im letzten Jahr erzielt haben. «Das machte es so schwierig, in den Final zu kommen. Aber ich bin stolz, dass ich auch zu diesem Niveau beitrage», sagte Kambundji und fügte mit Genugtuung an: «Ich mache den anderen das Leben auch schwer.» Sie selber hatte ihre Bestleistung bereits im Juni am Citius-Meeting in Bern auf 22,18 verbessert – und sich jetzt noch einmal um 13 Hundertstel gesteigert.
Kambundji war bei hohen Temperaturen, so, wie sie es liebt, ein in vielen Phasen fast perfektes Rennen gelungen. Schneller Start, «Shericka schloss glaube ich erst ausgangs Kurve auf», dann eine gute Beschleunigungsphase, und erst, als sie auf der Geraden ins Fliegen kam, erlebte sie einen kleinen Schreckmoment: Sie lief einige Meter mindestens auf der Linie. Das hatte weiter keine Bedeutung, wie sie auch feststellte: «Ich habe zum Glück niemanden behindert.» Danach wollte sie es einfach noch laufen lassen, «das war mir über 100 Meter nicht ganz geglückt, jetzt aber besser».
Mit ihrem sehr hoch stehenden Rekord nähert sie sich allmählich den Vorstellungen ihres Trainers Adi Rothenbühler.
Immer wenn Bedeutung und Wichtigkeit des Rennens in den vergangenen Jahren gross genug waren, brachte die 30-Jährige ihre Leistung – und sie zeigte ihre Weltklasse nun erneut. Dass sie am Start als Hallen-Weltmeisterin dieses Jahres angekündigt worden war, tat dem Selbstvertrauen natürlich auch keinen Abbruch.
Und sie nähert sich mit ihrem sehr hoch stehenden Rekord allmählich den Vorstellungen ihres Trainers Adi Rothenbühler. Seit vergangenem Jahr erwartet er Meeting für Meeting den Exploit (über beide Sprintdistanzen), da Form und Potenzial da seien, wie er jeweils versichert. In der Nacht auf Mittwoch (Schweizer Zeit) hat Kambundji den nationalen Rekord über 200 m zum siebten Mal verbessert. Bereits 2014 an der Heim-EM in Zürich löste sie mit 22,83 (!) Regula Aebi ab, zwischendurch entriss ihr Lea Sprunger die Marke wieder, doch über die vergangenen acht Jahre gesehen steigerte sie sich um 78 Hundertstel.

Kambundji gab zu, dass sie entnervt gewesen wäre, hätte sie den nächsten Schritt nicht geschafft. «Ich habe mega Freude. Bis zur Staffel zwei Tage herumsitzen wäre jetzt nicht mein Ding gewesen.» Der Final findet in der Nacht auf Freitag (4.35 Uhr, Schweizer Zeit) statt – «und alles beginnt von vorne», sagt sie.
Die Finalqualifikation bedeutet auch, dass ihr befrachtetes Programm inklusive Staffel acht Rennen in acht Tagen umfasst. An Olympia hatten das nicht alle gern gesehen und von Müdigkeit beim Star im Team gesprochen. Um einer ähnlichen Situation vorzubeugen, könnte sich Adi Rothenbühler, der neue Staffelcoach und auch Kambundjis Trainer, vorstellen, im Vorlauf auf eine andere Sprinterin zu setzen. Zumal mit Géraldine Frey und Natacha Kouni zwei Aufsteigerinnen und mit Sara Atcho eine äusserst Routinierte dabei sind, die ihm Spielraum für eine Rochade lassen würden. Rothenbühler muss sich nach dem Scheitern Ajla Del Pontes über 100 m die Frage nach der idealen Zusammensetzung des Quartetts ohnehin stellen. Kambundji sagt dazu: «In diese Entscheidung wird er uns einbeziehen, und wir werden sie im Team fällen.»
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