«Ich bin ein Meister im Nichtstun»
Guy Pratt, Bassist bei Pink Floyd, Madonna und Michael Jackson, tritt als Comedian im Theater Tabourettli auf.

BaZ: Herr Pratt, Sie verarbeiten Ihre Erfahrungen als Studio- und Live-Musiker schon seit zehn Jahren zu einer One-Man-Show. Haben Ihre illustren Arbeitgeber denn keine Angst, später von Ihnen durch den Kakao gezogen zu werden?
Guy Pratt:Der Einzige, der in meiner Show schlecht wegkommt, bin ich selber. Dass ich heute weniger Arbeit habe als früher, hat eher damit zu tun, dass es generell viel weniger Jobs für Studio-Musiker gibt. Und dass die guten Sessions heute an jüngere Musiker gehen. Solange ich regelmässig von David Gilmour und Bryan Ferry angefragt werde, mit ihnen auf Tournee zu gehen, macht mir das wenig aus.
Wobei Sie auf Tournee als unsicherer Kantonist gelten. Bryan Ferry hat es gar nicht goutiert, dass Sie Ihren Bass einmal während eines seiner Konzerte zertrümmert haben.
Nein, das kam bei ihm tatsächlich gar nicht gut an. Gleichzeitig war die Stimmung auf jener Tournee so trist, dass ich sie mir zuliebe irgendwie aufhellen musste. Trotz allem war ich doch wieder dabei, als Bryan 2015 auf Tournee ging. Als Sideman darf man nicht pikiert sein, wenn man von einem Musiker nicht automatisch angefragt wird. Es ist nun mal ein Berufsrisiko, das das Telefon nicht läutet.
Wie vertreiben Sie sich die Zeit, wenn Sie nicht mehr so oft auf Tournee sind?
Zum Glück bin ich ein Meister im Nichtstun. Ich kann wochenlang einfach da sitzen und mir Sorgen wegen meiner zunehmend prekären Finanzlage machen. Allerdings schreibe ich immer wieder Musik fürs Fernsehen, ich habe gerade ein Projekt für eine neue TV-Serie am Laufen und trete bekanntlich auch als Comedian auf.
Woher stammt das Material für Ihre neue Comedy-Show «Inglorious Bassterd», wenn Sie nicht mehr so oft im Studio oder auf der Bühne stehen?
Nun gut, auf meine Greatest-Hits mit Michael Jackson, Bryan Ferry oder Madonna kann ich auch heute nicht verzichten. Auf der letzten Tournee mit David Gilmour sind auch einige lustige Sachen passiert, die ich in meinem aktuellen Programm verarbeite. Ich will damit nicht sagen, dass unterwegs viel schiefgelaufen ist. Im Gegenteil: Ich habe David selten so glücklich erlebt wie auf dieser Tournee. Wir hatten aber doch einige amüsante Begegnungen, beispielsweise mit der Familie Trump. Ich will an dieser Stelle aber nicht zu viel darüber verraten.
Sie spielen schon seit 1987 für David Gilmour und Pink Floyd. Wie Sind Sie zu diesem Dauerengagement gekommen?
Der amerikanische Studiobassist Tony Levin hatte auf ihrem damals aktuellen Album «A Momentary Lapse Of Reason» gespielt. Für die begleitende Tournee stand Tony aber nicht zur Verfügung, weil er mit Peter Gabriel unterwegs war. So kam ich auf Bryan Ferrys Empfehlung ins Spiel. Die grosse Ironie ist, dass ich gerne Tonys Stammplatz bei Peter Gabriel hätte. Gabriel ist einer meiner Lieblingsmusiker, mit dem ich leider noch nie gespielt habe.
Gehört man sozusagen zur Familie, wenn man schon so lange mit einem Musiker wie David Gilmour zusammenspielt? Oder ist man trotz allem doch nur Angestellter?
David hat für mich tatsächlich die Rolle einer Vaterfigur. Wobei er mir in seiner ganzen nonchalanten Art noch nie ein Kompliment zu meinem Bassspiel gemacht hat. Dass er es goutiert, weiss ich nur, weil er mich immer wieder auf Tournee mitnimmt.
Wie einfach ist es für Sie als Virtuose, sich an die recht simplen Bassparts von Pink Floyd zu halten?
Bei meiner ersten Tournee mit Pink Floyd habe ich die alten Arrangements mit meinem Bassspiel regelrecht zugemüllt, heute gefällt es mir, so reduziert wie möglich zu spielen. Das hat sicher etwas mit meinem Alter zu tun: Ich muss mich mit 55 Jahren nicht mehr als Musiker beweisen.
Auf «Like A Prayer» von Madonna (1989) hört man ja, wie Sie sich früher ausgetobt haben.
Ja, ich habe bei dieser Session einfach drauflos gespielt, und irgendwie ist mein ziemlich wilder Part auf dem fertigen Song gelandet. Als Studiomusiker weiss man nie, welche Aufnahmen im Schneideraum liegenbleiben und welche nicht.
Stimmt es, dass Michael Jacksons Management Ihnen bis heute Geld schuldet?
Für die Session zu «Earth Song», bei der Michael sich hinter dem Mischpult versteckt hielt und nur über seinen samoanischen Bodyguard mit uns Musikern kommuniziert hat, habe ich tatsächlich keine Gage erhalten. Gleichzeitig hat mir der Gedanke immer gefallen, dass ein Multimillionär wie Michael Jackson mir Geld schuldet. Auch kriege ich jedes Mal Tantiemen ausbezahlt, wenn «Earth Song» am Radio gespielt wird. So kommt einiges an Geld zusammen. Ich bin halt kein Erbsenzähler, der jedem Dollar nachjagt.
In Interviews markieren Sie gerne den grossen Dilettanten. Es heisst, Sie hätten keine Visitenkarte, weil Sie nicht zu professionell rüberkommen wollen.
Das hat einen ganz bestimmten Grund. Einmal hat Elliott Randall, der bis zu jener Begegnung immer einer meiner grossen Vorbilder gewesen war, mir seine Karte gegeben. Darauf waren all die grossen Namen aufgeführt, mit denen er schon Gitarre gespielt hatte. Wenn ein derart renommierter Musiker dir beweisen muss, wie gut und wie gefragt er doch ist, dann stimmt mit ihm etwas nicht.
Sind Sie bei einem Studiojob auch schon an Ihre Grenzen gekommen?
Für den Soundtrack zu Arnold Schwarzeneggers Film «Last Action Hero» hat mir der Komponist Michael Kamen ein klassisch inspiriertes Stück vorgelegt, das mich schlicht überfordert hat. Da musste ich tatsächlich passen.
In Zeiten schwindender Produktionsbudgets stellen die grossen Künstler Ihnen Audio-Dateien zur Bearbeitung zu, anstatt Sie für viel Geld nach Los Angeles einzufliegen. Wie sehr vermissen Sie die hektischen alten Zeiten?
Für mich gibt es nichts Deprimierenderes, als daheim vor dem Computer zu sitzen und ganz allein einen Basspart zu einem fremden Song einzuspielen. Weil ich gerne mit anderen Menschen zusammenarbeite, ziehe ich bei solchen Jobs oft einen Toningenieur hinzu, der mir auf mein Spiel hin ein bisschen Feedback gibt.
Würden Sie wieder Musiker werden, wenn Sie heute von vorne anfangen könnten?
Wohl kaum. Früher war die Musikszene eine Spielwiese für coole Menschen mit ungewöhnlichen Ideen, heute tummeln sich dort lauter Karrieredenker, für die der Beruf Musiker ein richtiger Job ist. Selber bin ich nicht in dieses Milieu abgetaucht, um einer geregelten Arbeit nachzugehen. Ich sage immer: Ich hatte keine Karriere, ich war meine Karriere.
Was wird Guy Pratt tun, wenn er einmal erwachsen ist?
Derzeit reizt mich der Gedanke, an die Uni zu gehen und Anthropologie zu studieren. Wobei man durchaus sagen könnte, dass ich das schon mein ganzes Leben lang anhand der Musikszene getan habe.
Tabourettli, Basel. Spalenberg 12, Montag, 30. Oktober, Türöffnung: 19 Uhr.www.internationalcomedy.club
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