«Hört auf mit dem Versuch, Geld zu schöpfen»
Agustin Carstens, der neue Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, über die Zukunft von Kryptowährungen, sein Heimatland Mexiko und seine Ankunft in Basel.

«San Agustin», heiligen Augustinus, nennen ihn auch heute noch viele Mexikaner – eine aussergewöhnliche Ehrerbietung für einen ehemaligen Politiker in einem Land, wo die Mächtigen meist zum Teufel gejagt werden. Als Finanzminister und später als Zentralbankchef sorgte Agustin Carstens in turbulenten Zeiten für Stabilität in Mexiko. Als 2009 der Ölpreis einbrach, bewahrte er sein Land mit einer Absicherung vor gravierenden Konsequenzen und nahm fünf Milliarden Dollar ein.
Der 60-jährige Ökonom erarbeitete sich nicht nur den Respekt seiner Landsleute, sondern auch seiner Notenbankkollegen auf der ganzen Welt. Sie huldigen ihm als einem brillanten, aussergewöhnlich begabten Ökonomen. Die Weggefährten seiner Studienzeit in Chicago, wo Carstens doktorierte, loben ihn auch für seine Geduld und seinen Humor. Bei so viel Beweihräucherung erstaunt es kaum, dass der Mexikaner 2011 kurz davor war, Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu werden – als erster Nicht-Europäer. Schlussendlich unterlag er der Französin Christine Lagarde. Seine Niederlage nahm er sportlich. Seit Dezember 2017 spielt er bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in der höchsten Liga der Finanzwelt.
BaZ: Herr Carstens, wie gefällt es Ihnen in Basel?
Agustin Carstens: Als ich hierherzog, kannte ich die Stadt ja bereits. In den letzten acht Jahren war ich als Chef der mexikanischen Zentralbank über 40-mal in Basel. Jetzt wohne ich hier mit meiner Frau und unseren zwei Hunden und habe auch genügend Zeit, um die Region zu erkunden. Ein paar Sachen haben wir schon ausprobiert. So waren wir etwa an der Art Basel oder in der Altstadt, um den Rhein zu geniessen. Im Zoo waren wir leider noch nicht, weil unsere Hunde dort nicht reindürfen. Dafür spazieren wir oft mit ihnen in der Umgebung.
Aufgewachsen sind Sie in den 60er- und 70er-Jahren in Mexiko. Sie erlebten hautnah, wie der Peso dramatisch an Wert verlor. Ersparnisse lösten sich in Luft auf. Hat Sie dies dazu bewogen, Ökonom oder sogar Notenbanker zu werden?
Vermutlich schon. An einen bestimmten Tag erinnere ich mich besonders gut. Ich war etwa acht Jahre alt. Mein Vater setzte mich auf seinem Weg zur Arbeit in meiner Schule ab. Bevor ich aus dem Auto stieg, drückte er mir gerade so viele Pesos in die Hand, damit ich damit die Rückfahrt mit dem Bus bezahlen konnte. Doch als ich nach dem Unterricht in den Bus einsteigen wollte, konnte ich die Fahrt nicht bezahlen, weil im Laufe des Tages die Preise gestiegen waren. Ich musste an diesem Tag nach Hause laufen. Dort angekommen, fragte ich sofort meine Mutter, was geschehen war.
Und Ihre Mutter hatte eine Antwort?
Meine Mutter erklärte es mir. So lernte ich, was Inflation bedeutet. Ich erinnere mich auch, dass damals in Mexiko viele Dinge knapp waren. Als die Regierung begann, für manche Produkte wie Milch, Zucker und Fleisch die Preise künstlich festzulegen, verschwanden die Produkte aus den Läden. Es gab Zeiten, da konnte man vieles nicht mehr kaufen. Diese Ereignisse waren der Grund, weshalb ich mich schon in frühen Jahren für die Ökonomie interessierte. Ich erlebte damals, dass Inflation und finanzielle Instabilität das Leben von Menschen negativ beeinträchtigen können.
Haben Sie das heute immer im Hinterkopf, dass Ihr Tun und Handeln das tägliche Leben der Menschen mitbestimmt?
Absolut. Geld ist eine der grössten Errungenschaften der Menschheit. Es ermöglicht, dass man sich auf einen Beruf spezialisieren kann und nicht mehr alles selber tun oder umständlich verschiedene Güter gegeneinander eintauschen muss. Es holt aus jedem Individuum das Beste heraus, entsprechend der individuellen Leistungsfähigkeit. Geld ist sozusagen das Öl, das den Motor erst laufen lässt. Doch dieses System ist fragil. Es kommt schnell zu Problemen, wenn zu viel oder zu wenig Geld im Umlauf ist. Solche Probleme zu vermeiden, ist Aufgabe der Zentralbanken.
In den falschen Händen kann Geldpolitik etwas Destruktives sein.
Das sehe ich auch so. Die Geldpolitik bestimmt letztendlich die Höhe der Kaufkraft, der Vermögen und der Renten. Unbestritten ist, dass die Geldpolitik auch erhebliche soziale Auswirkungen haben kann. Nach meiner Erfahrung sind es immer die Ärmsten, die am meisten unter der Inflation leiden. Aus diesem Grund ist es für Notenbanker Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Kaufkraft erhalten bleibt. Zudem muss garantiert werden, dass Geld seine wichtige Rolle im Wirtschaftssystem wahrnehmen kann und die Geldpolitik dem Wachstum und der Vermögensverteilung hilft.
Handelten Sie als Notenbankchef von Mexiko nach diesem Credo?
Ja. Es ist auch ein wichtiger Teil dessen, was die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ausmacht. Eine der Aufgaben unserer Ökonomen ist es zu analysieren, wie verschiedene Notenbanken diesen Herausforderungen begegnen. In der Geldpolitik gibt es keine Universallösung, die immer und überall angewendet werden kann. Jedes Land hat seine eigenen Charakteristika, seine eigenen Feinheiten. Und die BIZ ermöglicht, dass sich alle zwei Monate die Chefs von 60 Notenbanken in Basel treffen, sich austauschen und voneinander lernen. Ich denke, dies ist ein wichtiger Beitrag für die globale Wirtschaft.
Seit 1930 gibt es die BIZ. Sie sind der erste Chef, der aus einem Entwicklungsland kommt. Warum dauerte es so lange?
Die BIZ hatte sich Mitte der 1990er entschieden, sich globaler auszurichten. Im September 1996 schliesslich wurden neun Zentralbanken aus verschiedenen Entwicklungs- beziehungsweise Schwellenländern eingeladen, der Bank beizutreten. So kamen unter anderem die Zentralbanken von Brasilien, China, Indien, Russland und Mexiko zur BIZ. Weitere Länder folgten. Das war ein wegweisender Entscheid. Danach dauerte es natürlich seine Zeit, bis sich ein Vertreter dieser Länder für den Führungsposten anbot. Meine Ernennung spiegelt daher einerseits die Offenheit der BIZ und ihrer Mitgliedsinstitutionen wieder, sowie anderseits die Tatsache, dass die sogenannten Entwicklungsländer im Konzert der Weltwirtschaft immer wichtiger geworden sind: Heute tragen sie etwa die Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt der Welt bei – vor 30 Jahren waren es noch rund 30 Prozent. Es ist daher sehr wichtig, dass die BIZ als Institution frühzeitig erkannte, dass sich das globale Gleichgewicht verschoben hatte.
Sie loben die Offenheit der BIZ. Hinken die anderen globalen Finanzinstitutionen hinterher?
Wie Sie wissen, habe ich versucht, Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu werden. Schlussendlich hat mich die Französin Christine Lagarde geschlagen. Aufgrund ihrer Fähigkeiten hat sie die Wahl verdient, und ich finde, dass sie aussergewöhnlich gute Arbeit leistet. Aber im Prozess… (überlegt) Lassen Sie es mich so erklären: Der IWF hatte bisher ausschliesslich Direktoren aus Europa und die Weltbank ausschliesslich solche aus den USA. Daran hat man bei der Wahl von Lagarde festgehalten. Dass die BIZ nun einen Generaldirektor hat, der aus einem Entwicklungsland stammt, könnte für andere Institutionen Vorbildcharakter haben.
Spielt es überhaupt eine Rolle, woher der Generaldirektor stammt? Oder anders gefragt: Betrachten Sie die Euro-Krise mit anderen Augen?
Es ist irrelevant, ob der Generaldirektor aus Spanien, Italien oder Mexiko kommt. In dieser Rolle legt man seine Nationalität ab, ist neutral und will das Beste für die Institution und ihre Mitglieder. Allerdings bringt jemand aus einem Entwicklungsland etwas mit, was bei der Wahl wohl ein wichtiger Faktor gewesen sein dürfte: Wir haben grosse Erfahrung im Umgang mit allerlei Krisen. Als ich 2003 bis 2006 Stellvertretender Direktor des IWF war, dachte man, es gebe keine grossen Krisen mehr, ausser in den Entwicklungsländern. Ein paar Jahre später brach dann die globale Finanzkrise aus, die ihren Ursprung in den Industrieländern hatte. Viele der betroffenen Entscheidungsträger hatten aber gar keine Erfahrung mit solchen Situationen. Ich hingegen arbeitete für viele Jahre in der mexikanischen Regierung und in internationalen Institutionen. Dabei befanden wir uns meist im Modus des Krisenmanagements.
Die BIZ hat wiederholt davor gewarnt, dass die Zinsen zu lange zu tief waren und dass zu viel Last auf den Schultern der Zentralbanken liegt, um die globale Wirtschaft zu stützen. Bewegen sich die Zentralbanken allmählich in die richtige Richtung?
Ich denke, ja. Die Zentralbanken spielten bei der Bewältigung der Krise eine wichtige Rolle. Das war auch nötig, um das Ausmass der Krise zu begrenzen und das globale Wachstum anzukurbeln. Dies ist ihnen bisher gelungen, ohne dabei grössere Probleme – etwa in Form von erhöhter Inflation – auszulösen. Doch gleichzeitig sind die Preise für Immobilien und andere Aktiva sowie die Verschuldung wegen der tiefen Zinsen in vielen Ländern stark gestiegen, was in der Zukunft zum Problem werden könnte.
Was ist zu tun?
Die Zentralbanken sollten nun die Geldpolitik mit der richtigen Geschwindigkeit normalisieren, sodass es zu keinen grösseren Verwerfungen auf den Finanzmärkten kommt und gleichzeitig die Entstehung weiterer Ungleichgewichte durch Niedrigzinsen vermieden wird. Denn die Massnahmen, die im Rahmen der Krisenbewältigung ergriffen wurden, waren absolut aussergewöhnlich. Wenn Sie mich vor 15 Jahren gefragt hätten, ob die Einführung von Negativzinsen überhaupt möglich wäre, hätte ich Nein gesagt. Aber nun war die Notwendigkeit für derartige Massnahmen vorhanden, und sie waren letztlich auch ziemlich erfolgreich. Die Herausforderung ist es nun, zur Normalität zurückzukehren, ohne dabei das bisher Erreichte zu gefährden.
Was bereitet Ihnen derzeit die grössten Sorgen?
Ich sehe vor allem drei Dinge. Erstens, dass die Zinsen zu rasch ansteigen. Nicht wegen den Zentralbanken, aber als Reaktion auf die Marktdynamik. Dies könnte die Normalisierung der Geldpolitik erheblich verkomplizieren und letztlich die finanzielle Stabilität gefährden. Zweitens beunruhigt mich der zunehmende Protektionismus im internationalen Handel. Der ganze Diskurs zu diesem Thema ist nicht konstruktiv. Man darf nicht vergessen, dass der internationale Handel für das globale Wachstum essenziell ist; seine gesamtwirtschaftlichen Vorteile sind unbestritten. Ich befürchte, dass wir sehr bald in eine «Lose-lose-Situation» geraten könnten. Denn die derzeit diskutierten protektionistischen Massnahmen schädigen zunächst exportorientierte Länder, vor allem solche, die selber keine oder nur geringe Zölle erheben. In einer arbeitsteiligen internationalen Wirtschaft trifft es aber eben auch Zulieferer oder heimische Produzenten, die vom Import von Zwischenprodukten abhängen. Und am Ende zahlt sowieso immer der Konsument die Zeche, nämlich über höhere Preise und weniger Jobsicherheit.
Und drittens?
Mich beschäftigt die Geschwindigkeit des technischen Fortschritts. Grundsätzlich ist dies zwar etwas Positives, aber wenn die Innovation zu schnell vonstatten geht, kann es destruktiv sein, insbesondere für die Arbeitnehmer. Die Herausforderung liegt darin, die Vorteile der Innovation zu nutzen und gleichzeitig den Schaden in Grenzen zu halten. Ich denke hier zum Beispiel an den Einfluss der Informationstechnologie in der Finanzwirtschaft, die Fintechs, etwa auf das Geschäftsmodell und letztlich die Stabilität von Banken und anderen Finanzinstituten. Unser diesjähriger BIZ-Wirtschaftsbericht beschäftigt sich, unter anderem, mit diesem Thema. Aber die Herausforderungen sind natürlich grösser und betreffen die gesamte Volkswirtschaft.
Ist das nicht Teil der «schöpferischen Zerstörung»? In nicht produktiven Sektoren gehen Stellen verloren, die in Zukunftsbranchen wieder entstehen.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es diese kreative Zerstörung gibt. Ungewöhnlich ist die Geschwindigkeit des Technologiefortschritts. Die Menschen, die aus gewissen Berufsfeldern vertrieben werden, haben nicht unbedingt die Zeit oder die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten anzupassen, um wieder eine Stelle zu finden. Hier gilt es, Lösungen zu finden.
Gibt es für Innovation überhaupt ein ideales Tempo?
Wer soll denn Jeff Bezos oder Bill Gates sagen, dass sie etwas vom Gaspedal gehen sollen? Oder wer soll einen Jungunternehmer in Zürich oder Basel stoppen? Wir dürfen sie auch nicht bremsen, ganz im Gegenteil, wir müssen sie ermutigen. Das Problem ist die fehlende Chance der Betroffenen, sich auf den Wandel vorzubereiten.
Was wäre zu tun?
Unsere Regierungen stehen in der Pflicht, gute Bildung zu garantieren und auch Umschulungen zu ermöglichen. Die Initiative könnte auch vom Individuum ausgehen, ich glaube aber an die Notwendigkeit einer umfassenden staatlichen Politik. Doch in vielen Regionen der Welt ist dies – zumindest noch – nicht der Fall.
Handlungsbedarf besteht auch in Ihrem Heimatland Mexiko. Ist die Rückkehr in die Politik eine Option für Sie?
Dazu werde ich in Zukunft keine Zeit haben. Als Finanzminister von Mexiko war ich bereits Politiker. Auch wenn ich als Technokrat in diese Stelle berufen wurde, machte ich schlussendlich Politik. Den Bürgern Geld wegzunehmen und dann umzuverteilen, gehört zu den wichtigsten politischen Aufgaben. Meine Stärke ist aber nicht die Politik, sondern Finanzfragen und die Ökonomie. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Job, denn ich will eine globale Sicht auf die Dinge haben.
Sie hielten im Januar eine Rede über Kryptowährungen, die grosses Echo bei den Bitcoin-Anhängern auslöste. Sind Kryptowährungen Geld?
Nein, sie sind kein Geld, sie sind eine Anlageform – ein Aktivum. Sie können die Funktion von Geld nicht übernehmen, nur schon aufgrund der Art, wie sie geschaffen werden. Den grössten Anreiz im System dieser sogenannten Kryptowährungen haben diejenigen, welche die Aktiva herstellen, die Miners. Mit der Produktion von «Geld» wollen sie Gewinn machen und liefern im Gegenzug gewissermassen die Infrastruktur, die die Kryptowährungen am Laufen hält. Dieser Anreiz ist aber nicht kompatibel mit dem Anspruch, den Nutzen von Geld zu maximieren. Kryptowährungen erfüllen keine der drei Aufgaben von Geld. Sie sind kein gutes Zahlungsmittel, sie sind keine gute Recheneinheit, und sie eignen sich auch nicht für die Werterhaltung. In allen diesen Punkten versagen sie kläglich.
Haben Sie dann eine Erklärung für den Hype?
Der Hype entstand, weil es etwas ganz Neues war und man in kurzer Zeit scheinbar sichere Gewinne machen konnte. Aber wenn man im Detail schaut, dann sind Kryptowährungen, in wenigen Worten zusammengefasst, eine Spekulationsblase, ein Schneeballsystem und eine Umweltkatastrophe. Letzteres wegen des hohen Energieverbrauchs, der für die Infrastruktur dieser Kryptowährungen nötig ist.
… das waren die Worte, welche die Krypto-Gemeinde verärgerten. Sie glauben nicht an ein Happy End.
Nein, definitiv nicht. Das kann ich bereits vorwegnehmen. Man darf nicht vergessen, dass die Zentralbanken seit Jahrzehnten elektronische Zahlungsmittel anbieten. In der Schweiz zum Beispiel ist das elektronische Zahlungssystem der Nationalbank absolut auf höchstem Niveau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bald etwas kommt, das effizienter ist und das gleiche Vertrauen generiert.
Die Marktkapitalisierung der Kryptowährungen ist gering, und es besteht somit keine Gefahr für das Finanzsystem. Sollen Zentralbanken überhaupt einschreiten?
Es ist wichtig, klar zu trennen zwischen der zugrunde liegenden Technologie, wie etwa Blockchain, und den Kryptowährungen selbst. Die Technologie kann nützliche Anwendungen haben, aber dazu zählt nicht die Geldschöpfung. Die Zentralbanken und die Regierungen sollten den Schutz für Investoren und Konsumenten erhöhen, weil inzwischen viele Leute davon betroffen sind. Auch müssen die Zentralbanken für die Stärkung der nationalen Geldwäscherei-Gesetze und für Massnahmen gegen die Finanzierung des internationalen Terrorismus einstehen. Zentralbanken sind natürlich keine Strafverfolgungsbehörden, aber sie können aufzeigen, wie diese Pseudo-Währungen als Vehikel für illegale Aktivitäten dienen.
Der Bitcoin entstand vor rund zehn Jahren. Wieso dauerte es so lange, bis sich die BIZ erstmals zu den Kryptowährungen äusserte?
Lange Zeit war das Thema unbedeutend. Es war vielmehr ein Kuriosum, das die Neugier von ganz wenigen Personen weckte. Das Interesse war gering. Als sich immer mehr Personen dafür interessierten und es zu ersten grossen Preisschwankungen kam, stieg das Schadenspotenzial. Hinzu kamen Fehleinschätzungen zum Wesen der Kryptowährungen, die zu falschen Entscheidungen führen können. Deshalb mussten wir uns klar und deutlich dazu äussern, um dieses neue Phänomen richtig einzuordnen.
Erachten Sie es nicht als positiven Nebeneffekt, dass sich dank Bitcoin viele junge Leute Gedanken über Geld, Geldschöpfung und das Finanzsystem machen?
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es die Obsession, Gold oder Geld aus dem Nichts zu schöpfen, immer wieder gab. Es klappte nie. Sogar der grosse Physiker Isaac Newton war an einem Punkt seines Lebens besessen von der Idee, Gold herzustellen. Er war in sehr vielen Bereichen sehr erfolgreich, aber in diesem Unterfangen scheiterte er. Später wurde Newton Chef der Britischen Münzanstalt. Warum? Weil er sofort erkannte, ob eine Münze gefälscht war. Er versagte als Goldhersteller, wechselte aber die Seite und brachte Geldfälscher ins Gefängnis. Meine Botschaft an die Jungen: Hört auf mit dem Versuch, Geld zu schöpfen.
Mit welchem Hauptargument?
Die Zentralbanken haben sich ihr Vertrauen während Jahrhunderten erarbeitet, und dafür gibt es derzeit keinen Ersatz. Vertrauen ist ein kostbares Gut. Es kann leicht zerstört werden, wird aber nur langsam gewonnen. Geld hat sich etabliert. Die junge Generation sollte ihr Talent und ihre Fähigkeiten besser für Innovationen einsetzen, aber nicht, um Geld nochmals neu zu erfinden. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man aus dem Nichts Geld schaffen kann.
In einem viel beachteten Buch über die BIZ war die Rede von der «geheimen Bank, welche die Welt regiert». Wie geheim ist Ihre Bank tatsächlich?
Sie befinden sich doch aktuell mitten in dieser angeblich so geheimen Bank. Nein, ernsthaft, wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein vielfältigeres, menschlicheres Bild von der BIZ zu zeigen – unter anderem in unserem Geschäftsbericht oder durch unseren Internet-Auftritt. Wir wollen zugänglicher werden. Vieles, was wir hier machen, ist öffentlich. Der Grossteil unserer Forschung zum Beispiel ist öffentlich. Selbstverständlich gibt es einige Tätigkeiten, aber auch Diskussionen, die naturgemäss der Geheimhaltung unterstehen. Aber ich kann Ihnen garantieren, dass diese weniger aufregend sind, als manche Leute sich das vorstellen – von wegen Weltregierung! In zwei Jahren feiern wir das 90-jährige Bestehen der BIZ. In diesem Rahmen wollen wir besser erklären, was wir hier tun und wie wichtig unsere Tätigkeiten sind.
Gibt es einen Grund für diese Öffnung?
Generell sind die Zentralbanken transparenter geworden. Dem sollten wir ebenfalls Rechnung tragen und eine offenere, transparentere Organisation werden.
Welches sind Ihre Prioritäten während Ihrer fünfjährigen Amtszeit?
In erster Linie möchte ich die BIZ in Basel als den Ort bewahren, an welchem sich die Notenbanker und wichtigsten Vertreter der Finanzbehörden der Welt regelmässig treffen, um sich auszutauschen. Diese Zusammenarbeit ist in einer globalisierten Welt notwendig. Wir sind eng miteinander verbunden und voneinander abhängig. Für den einzelnen Zentralbankchef ist es schlicht nicht möglich, seinen Auftrag zu erfüllen, wenn er sich ausschliesslich auf das eigene Land konzentriert. Wir bieten die Plattform für die notwendige Zusammenarbeit, und diese ist für alle von grossem Nutzen.
Planen Sie auch Neuerungen?
Wir wollen in den kommenden Jahren zu einer Art Wissenszentrum für die Verwendung neuer Technologien und deren Einfluss auf die Finanzmärkte und das internationale Finanzsystem werden. Das bedeutet, dass wir auch unsere Aktivitäten und den Fokus der BIZ anpassen müssen, um zeitgemäss zu bleiben.
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