«Hoch gefährlich»
Politiker zeigen sich von der Erklärung der Bundespräsidentin zur Libyen-Affäre überrascht. Sie schliessen aus Doris Leuthards Worten, dass eine Befreiungs-Aktion nicht nur ins Auge gefasst, sondern beschlossen wurde.
«Ich staune», sagte Jakob Büchler (CVP/SG), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates. Die Worte von Bundespräsidentin Doris Leuthard zeigten, dass die Schweiz «nicht weit weg» gewesen sei von einer militärischen Aktion in Libyen.
«Offenbar stand die Aktion bevor», sagte Büchler. Bisher sei er davon ausgegangen, dass lediglich darüber nachgedacht worden sei. Leuthards Rede vom erteilten und zurückgezogenen Einsatzbefehl zeige aber, dass es sich um weit mehr als blosse Überlegungen gehandelt habe.
Persönlich halte er einen solchen Entscheid für «sehr heikel», sagte Büchler. Ein militärischer Einsatz in Libyen wäre «hoch gefährlich» gewesen. «Dies hätte in einer absoluten Katastrophe enden können.»
Widersprüchliche Erklärungen
Erstaunt darüber, dass Leuthard am Montag von einem «Einsatzbefehl» sprach, zeigten sich auch andere Mitglieder der SIK. Ulrich Schlüer (SVP/ZH) sagte, dies widerspreche der Erklärung, die Aussenministerin Calmy-Rey praktisch gleichzeitig vor den Mitgliedern der Aussenpolitischen Kommission (APK) abgegeben habe.
Calmy-Rey habe gesagt, die Befreiungsaktion sei im Rahmen der üblichen Evaluation aller Möglichkeiten geprüft worden. Wenn es einen Einsatzbefehl gegeben habe, sei dies «etwas vollkommen Anderes», sagte Schlüer.
Kriegsähnliche Handlung
Seines Erachtens könne nur der Gesamtbundesrat eine solche «kriegsähnliche» Handlung beschliessen. Für den Befehl zuständig sei dann ein Kommandant, doch dieser müsse von der Regierung beauftragt werden.
Auch Jo Lang (Grüne/ZG) macht der Begriff «Einsatzbefehl» stutzig. Für ihn steht nun die Frage im Zentrum, ob die Eliteeinheit der Armee (Armee Aufklärungsdétachement 10) involviert war oder lediglich der Nachrichtendienst. «Wenn die AAD 10 involviert war, ist es schwerwiegend», sagte Lang.
Im Weiteren habe Leuthards Erklärung gezeigt, dass es im Bundesrat in Sachen Kommunikation sehr schlecht stehe, sagte Lang. Denn Leuthard habe bestätigt, dass nicht alle Bundesratsmitglieder informiert gewesen seien.
«Fast eine Staatskrise»
Strategieexperte Albert Stahel bezeichnet die Vorgänge rund um die Pläne für eine Geiselbefreiung in Libyen als «sehr heikel». «Wenn tatsächlich ein Einsatzbefehl erteilt wurde, ohne dass der Gesamtbundesrat dies entschieden hat, ist das fast eine Staatskrise», sagte Stahel, Dozent für Strategische Studien an der Universität Zürich, am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.
Ein solcher Entscheid müsse zwingend vom Gesamtbundesrat gefällt werden. Sei die Gesamtregierung nicht involviert gewesen, verletze dies die Verfassung. Offenbar sei nicht mehr klar gewesen, wer was zu entscheiden habe. Dies sei sehr gefährlich. Einiges hängt laut Stahel von der Frage ab, welche Einheit zum Einsatz kommen sollte. Sei es das AAD 10, wäre Armeechef André Blattmann für den Einsatzbefehl zuständig - nach erfolgtem Auftrag durch den Gesamtbundesrat. Ein Departementschef könne einen solchen Auftrag nicht erteilen, hielt Stahel fest.
Der Militär- und Geheimdienstexperte beurteilt die ganze Situation als «ziemlich ausserordentlich». In der Vergangenheit habe es auch schon Überlegungen für Aktionen im Ausland gegeben, doch sei es bei «Papierarbeit» geblieben.
SDA/bru
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