
Gibt es eine Notfalltelefonnummer für überforderte Wähler? Oder eine Dargebotene Hand? Ich bin, was meine psychische Verfassung als Staatsbürger betrifft, verzweifelt. Flyer von gefühlt tausendundeins Damen und Herren, die für den Basler Grossen Rat und die Regierung kandidieren, sind in den vergangenen Wochen in meinem Briefkasten gelandet. Schwindel plagt mich. Denn alle vereinigen sie perfekte Eigenschaften auf sich und machen mir die wunderbarsten Versprechungen. Ich frage mich, warum sie angesichts ihrer geballten Kompetenz nicht längstens ins Parlament eingezogen sind.
Soll ich den Kandidaten bevorzugen, der «den Sport mit neuen Infrastrukturen und innovativen Konzepten stärken» will? Oder denjenigen, der sich «für einen lebendigen Föderalismus» einsetzt? Entscheide ich mich für die Person, die «die Zusammenarbeit mit den anderen Departementen zu intensivieren» gedenkt? Oder für den Magistraten, der wieder antritt und «auf den Gebieten der Erneuerung der Gesetzessammlung und der Digitalisierung verschiedene messbare Erfolge» erzielt hat? Auf jeden Fall steigt er in meiner Achtung. Denn die «Erneuerung der Gesetzessammlung» wird Basel zweifellos für die Zukunft fit machen. Und Digitalisierung klingt ohnehin immer gut.
Projektleiter, Teamleiter, Spartenleiter
Wer Gesetzessammlungen erneuert und andere Triumphe feiert, muss eine Führungsperson sein. Überhaupt ist es auffällig, wie viele Führungspersönlichkeiten in Basel leben, die nur darauf warten, im Grossen Rat Leadership vorleben zu können. Projektleiter, Bereichsleiter, Spartenleiter, Bauleiter, Teamleiter, Verkaufsleiter, Geschäftsleiter, Schulleiter – alle dienen sich mir an. Und alle mit guten Argumenten.
«Ich mische die Prospekte wie Jasskarten und entdecke nur Könige und Asse.»
Ich könnte natürlich auch den umweltschutzgrauen Wahlzettel ins Couvert stecken, auf dem der Name der dreifachen Mutter prangt, die zugleich Innovationskommunikatorin ist. Obwohl ich bloss vage zu erahnen vermag, welcher Beruf sich hinter dem Begriff verbirgt. Ich könnte alternativ den Hausmann wählen, weil ein gepflegter Hausmannshaushalt das stolzeste Wahrzeichen männlicher Emanzipation ist.
Ich mische die Prospekte wie Jasskarten und entdecke nur Könige und Asse. Ich wähle die LDP, denn sie sagt «Ja zu den Anliegen und den Bedürfnissen der älteren Generation» und «Ja zu einer sauberen und sicheren Stadt». Ich wähle die CVP, denn sie steht für «Freiheit, Solidarität und Subsidiarität, Wohlstand und Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Konsensfähigkeit, Souveränität und Offenheit».
Frisch geföhnt, wunderbar frisiert
Ich wähle die SP, weil sie garantiert, «dass sich jeder in Basel zu Hause fühlt und von der hohen Lebensqualität profitieren kann». Ich wähle die SVP, denn sie ist «die einzige Alternative für Basel-Stadt».
Ich wähle Kandidat Meier, denn er war beim Coiffeur, bevor er sich für einen Wahlprospekt hat fotografieren lassen. Jetzt verspricht er mir, frisch geföhnt: «Ich setzte mich für eine niedrige Steuerbelastung ein.» Ich wähle Kandidatin Müller, weil auch sie wunderbar frisiert ist und mir dauergewellt ins Ohr flüstert: «Mir ist eine gesunde Balance zwischen Klima- und Wirtschaftspolitik wichtig.» Ich wähle den Kandidaten mit dem Namen «Prosciutto». Oder doch eher Herrn «Diavolo»?
Oh, Verzeihung! Da steckte im Papierstoss offenbar auch der Prospekt eines Pizzakuriers. Nein, ich wähle keinen von beiden. Sondern die Kandidatin, für die ich mich im Zweifel schon immer entschieden habe: «Pizza Margherita».
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Glosse zum Wahlkampf – Hilfe, ich muss wählen
Warum es passieren kann, dass man Kandidaten aussuchen möchte und am Ende bei einer Pizza Margherita landet.