Heimgartners Heimspiel
Mit Steuergeld bezahlte SRG-Mitarbeiter betreiben Abstimmungskampf. Ist das zulässig?

Ladina Heimgartner ist für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) ein Glücksfall. Die Bündnerin ist jung, weiblich und attraktiv. Zudem ist sie charmant und schlagfertig. Es überrascht nicht, dass Heimgartner zum Aushängeschild der SRG im Kampf gegen die No-Billag-Initiative geworden ist. Landauf, landab wirbt die Direktorin von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha und stellvertretende Generaldirektorin der SRG für ein Nein zur Abschaffung der Gebührenpflicht für Radio und Fernsehen.
Sie trägt den Abstimmungskampf zum einen in den Sendegefässen des eigenen Hauses aus – wie im «Medienclub», in der «Rundschau» und am letzten Freitag in der «Arena». Zum anderen gibt sie zahlreichen Zeitungen Interviews und tritt an öffentlichen Podien auf. Heikel finden einige an diesem Engagement, dass Heimgartner Mitarbeiterin der SRG ist und ihr Lohn dementsprechend zum grossen Teil über die Empfangsgebühren finanziert wird, um die es in der Abstimmung vom 4. März geht.
Akteur und Thema gleichzeitig
Auch Ruedi Matter hat sich dem Kampf gegen die Initiative verschrieben. Er wirkt in öffentlichen Auftritten etwas hölzerner als die eloquente Heimgartner, hat als Direktor von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) aber besonderes Gewicht, zumindest in der Deutschschweiz. Auch Matter tritt in Fernsehsendungen an, etwa bei TeleZüri, gibt Interviews und nimmt an Podien zum Thema «No Billag» teil. Matter ist ebenfalls Angestellter der SRG, auch für seinen Lohn kommen überwiegend die Gebührenzahler auf.
Bei diesen Gebühren handelt es sich laut dem Bundesgericht um eine Steuer. Die Empfangsgebühr sei weder eine «Regalabgabe», noch sei sie die Gegenleistung für irgendeine andere vom Bund erbrachte Leistung, urteilte das Gericht im Mai 2015. «Damit ist sie eher als eine Zwecksteuer oder Abgabe sua generis zu qualifizieren». Darum könne auf diese Abgabe auch nicht wie bei Gebühren die Mehrwertsteuer draufgeschlagen werden.
Die SRG ist zu 75 Prozent über die Empfangsgebühren finanziert, demnach also über Steuern. Steuerzahler kommen somit für drei Viertel der Löhne von Heimgartner und Matter auf. Ist es im Sinne der Steuerzahler, dass Heimgartner, Matter und weitere SRG-Mitarbeitende einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit dazu verwenden, gegen die No-Billag-Initiative zu kämpfen?
In der Schweiz gilt der Grundsatz, dass öffentliche Gelder nicht für oder gegen eine Abstimmungsvorlage verwendet werden dürfen, denn öffentliches Geld soll zum Nutzen aller eingesetzt werden und nicht für die politischen Sonderinteressen weniger. Selbstverständlich ist die SRG verpflichtet, über die No-Billag-Initiative in ihren Sendegefässen zu berichten, denn es handelt sich ohne Zweifel um einen bedeutenden innenpolitischen Urnengang. Ob die SRG über das Thema «No Billag», wo sie gleichzeitig Akteur und Thema ist, wie gefordert neutral und ausgewogen berichtet, soll hier nicht diskutiert werden. Es geht um die Frage, ob es zulässig ist, dass Mitarbeiter, die überwiegend mit Steuergeld finanziert sind, einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit für den Kampf gegen die Initiative aufwenden.
Juristisch auf der sicheren Seite
Als «sehr, sehr heikel» bezeichnet es SVP-Nationalrat Gregor Rutz, dass SRG-Mitarbeiter im Abstimmungskampf aktiv mitmischen. Eine «Riesengratwanderung» sieht auch Andreas Kleeb vom Initiativ-Komitee. Bei der SRG hingegen mag man keine Probleme erkennen. Laut dem Bundesgericht könnten selbst Gemeinden im Abstimmungskampf Position beziehen, wenn sie von einer Abstimmung besonders betroffen sind, schreibt die SRG auf Anfrage. «Umso mehr ist das zulässig für private Unternehmen mit öffentlichen Aufgaben wie die SRG.» Da die Abstimmung für die SRG existenziell sei, liege die Betroffenheit auf der Hand.
Die SRG bezieht sich wohl auf ein Bundesgerichtsurteil von 1982, gemäss dem die Interventionen von Gemeinden in kantonalen Abstimmungen zulässig sind, wenn die Gemeinde ein besonderes oder direktes Interesse am Ausgang der Abstimmung hat. Die Argumentation der SRG gleicht der des Bundesrats vom letzten September. «Die SRG ist ein privates Unternehmen mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag, organisiert als unabhängiger Verein», schrieb die Regierung. Sie sei darum «weitgehend frei in der Gestaltung ihrer Geschäftstätigkeit». Es sei den SRG-Regional- und Mitgliedgesellschaften überlassen, die No-Billag-Initiative an Podien oder anderen Veranstaltungen zu thematisieren, so der Bundesrat. Solche Auftritte müssten «sachlich und transparent» sein, und es dürfe «kein unverhältnismässiger Aufwand betrieben werden». Für Kampagnen gegen die Initiative würden gemäss SRG keine Gebühren eingesetzt, schrieb die Regierung.
Plakat- oder Werbespot-Aktionen der SRG gegen No Billag sind bis jetzt nicht aufgetaucht. Man kann also davon ausgehen, dass die Radio- und Fernsehgesellschaft tatsächlich kein zusätzliches Geld einsetzt. Das hat sie auch gar nicht nötig, denn die SRG hat wie erwähnt bekannte Gesichter, die sich in den Abstimmungskampf einmischen und schon vom Haus bezahlt sind.
Demokratiepolitisch fragwürdig
Juristisch ist gegen das Engagement der SRG in eigenen Belangen wohl nichts einzuwenden. Moralisch möglicherweise schon. Es ist zwar richtig, dass die SRG formell ein «privates Unternehmen» bzw. ein «unabhängiger Verein» ist, und sie von daher mehr Freiheiten hat als eine Verwaltungsabteilung Doch wenn dieser «Verein» jährlich über eine Milliarde Steuergeld erhält, müsste er sich, demokratiepolitisch korrekt, eigentlich aus dem Abstimmungskampf heraushalten.
Man rümpft ebenso die Nase, wenn vor einer Armeeabschaffungs-Initiative Militärs auf öffentlichen Podien sitzen, oder wenn vor einer Schulabbau-Vorlage die Lehrer auf Abstimmungstournee gehen. Denn in all diesen Fällen ist es die Politik – Regierung, Parlament, Volk –, die entscheiden muss, ob und wie viel Geld die Schule, die Armee und auch die SRG bekommen sollen.
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