Heimat freundlicher Leute und leckerer Felchen
Die Deutsche Inge Kracht erkundet die Tourismusregion. Im November erscheint ihr Text-Bildband «Neues vom Zürichsee – Entdecken, Erleben Geniessen».
Von Adrian Müller Es ist ein schöner Frühherbsttag, ein – so pflegten Grossmütter zu sagen – «Tag des Herrn». Die Sonne glitzert auf den Wellen, die Schweizer Fahne flattert vor makellosem Himmelblau frisch im Fahrtwind. Blau, genauer gesagt: Tiefblau wie die Nacht ist auch die Puffärmel-Trachten-Samtjacke der freien Journalistin Inge Kracht. «Ich mag solche Crashmode: nicht alles trachtig, sondern oben ein bisschen Tracht und unten Jeans», sagt sie. Was Kracht auch sehr mag, sind selbst gedrehte Zigaretten. Old-Holborn-Tabak muss es sein. Begonnen hat die Rauchkultur mit 16 in Vaters Tabakwarengeschäft. Damals habe man noch Schachteln mit 10 Zigaretten drin gehabt. «Wenn ich mir eine nahm, dachte ich, Papa merkts sicher nicht. Er hat aber nur ein Auge zugedrückt.» Seit April hat Kracht an ihrem Buch «Neues vom Zürichsee – Entdecken, Erleben, Geniessen» geschrieben, das in der Edition Snowfish (Frankfurt) erscheinen wird. Finanziert wird der hochwertig gestaltete Bildband mit einem kleinen Trick. Die Porträtierten – Betriebe aller Art: Hotels, Theater, Bahnen, Kinderzoo, Alpamare etc. – verpflichteten sich, dem Verlag zwischen 20 und 50 Exemplare des Buchs abzunehmen. Rund ein Drittel der Startauflage von 7000 konnte so bereits abgesetzt werden. In verschiedenen Hotels soll das Opus in den Zimmern als Futter für lesefreudige Touristen aufliegen. Inhaltlich folgt das Buch dem von Rapperswil Zürichsee Tourismus vorgeschlagenen Wanderweg in zehn Etappen rund um den See. Am folgenden Tag steht für Kracht die Etzel-Wanderung auf dem Programm – das Baby ist im 7. Monat, Geburtstermin: der 24. November. Das S-Bahn-Erlebnis Kracht gefällt es hier sehr gut, ja sie könnte sich durchaus vorstellen, statt in München am See oder in Zürich zu leben. Die Antwort auf unser unvermeidliches Warum ist überraschend: «Wegen der Freundlichkeit der Leute vor allem.» Um das zu illustrieren, erzählt Inge Kracht eine S-Bahn-Geschichte und steckt sich eine ganz schön krumme Selbstgedrehte an. Die recherchierende Journalistin war mit der S-Bahn unterwegs und das – unwissentlich natürlich – mit dem falschen Billet. Kostet bekanntlich 80 Franken. Der Vorfall wurde vorschriftsgemäss gemeldet, und wenig später erhielt Kracht «ein total persönliches Mail, das genau auf mein Problem einging». In Deutschland gäbe es so etwas nicht. Dort sei alles viel anonymer. Statt 80 musste sie auch nur 40 Franken nachzahlen. Der Servicegedanke sei hier viel intensiver als in Deutschland, konstatiert Kracht. Auch sonst bekommt die S-Bahn Höchstnoten: «Von überall her kann man reinspringen, und sie ist auch viel sauberer als zum Beispiel die heruntergekommene Berliner Bahn.» Weniger gut schneidet die Seestrasse ab: Der Fussgänger habe da kaum Platz, und wenn es regne, werde er von den Autos gnadenlos vollgespritzt. Recht hat die Frau! Wenn Fischer berichten Kracht hat Neuland erkundet. Gekannt hatte sie bloss Zürich. Dort wohnen Sohn und Enkel (3). Als das zusammen mit Rapperswil Zürichsee Tourismus entwickelte Projekt feststand, googelte sie gleich mal ein paar Namen. «Wädenswil, Erlenbach, Stäfa ... Noch nie gehört. Lachen schon gar nicht – lustiger Name übrigens!» Obwohl das Buch sich durch Beiträge porträtierter Betriebe finanziert, hat die Autorin hinsichtlich Themenwahl und Sprache völlige Freiheit genossen. Kracht hat sich zahlreiche Betriebe zeigen und erklären lassen. Viel O-Ton ist so ins Buch eingeflossen. Eine der erfreulichsten Begegnungen war jene mit dem Ueriker Fritz Hulliger und anderen Fischern. Felchen gabs im Seehof – «lecker!», sagt Kracht mit breitem Strahlen – und interessante Gespräche. Die allerdings hat sie nur zur Hälfte mitbekommen, denn die Fischer beantworteten Krachts Fragen zwar anfangs auf Hochdeutsch, kippten aber nach ein paar Sätzen zurück ins gemütlich-heimische Idiom. Schweizer parlieren nun mal nicht so gern in fremden Zungen. «Und wie hat es sonst geschmeckt am See?», möchten wir wissen, denn schliesslich ist das Essen neben dem Schlafen die strahlende Königin der Freuden. Es hat geschmeckt. Allerdings waren die Erwartungen gelegentlich intensiver als die Erfahrungen. In München, erinnert sich Kracht, habe man ihr gesagt: «Du musst unbedingt Birchermüesli essen! Das gibt es so bei uns nicht.» Kracht ass Birchermüesli und stellte fest: Es schmeckt. Und zwar genauso wie in Deutschland, wo es übrigens auch Birchermüesli heisst. Service mit Stil Was Kracht in den kulinarischen Seegefilden besonders beeindruckt hat: Da und dort gibt es noch den Service von der Platte, den Service in zwei Portionen – «das habe ich in Deutschland noch nie gesehen.» Da kann man nur heftig mit dem Kopf nicken: Der Zweitellerservice ist in der Tat eine stilvolle Sache, die dem frohen Moment des Schmausens gerecht wird. Wie so viele stilvolle Sachen leider akut vom Aussterben bedroht. Selbst Fünfstern-Hotels setzen mittlerweile auf knauserig-effizienten Tellerservice. Ein Jammer ists und eine Schande. Krachts Buch ist bereits jetzt vorbestellbar: www.edition-snowfish.com Inge Kracht: «Wädenswil, Erlenbach, Stäfa – noch nie gehört. Lachen schon gar nicht – lustiger Name!» Foto: Daniel Kellenberger
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