Wochenduell: Die Übermannschaft aus ParisHat PSG mit Messi die stärkste Mannschaft in der Geschichte des Fussballs?
Jetzt ist auch noch Lionel Messi in Frankreichs Hauptstadt angekommen. Versammelt sich bei Paris Saint-Germain gerade das Beste, was dieser Sport je gesehen hat?

Ja: Bei Barcelona war Messi in der Offensive auf sich allein gestellt, in Paris wird er zum Anführer einer Weltauswahl.
Im Hollywoodstreifen «Fast and Furious 7» fiel der Spruch, welcher Lionel Messis Wunsch nach Harmonie gut umschreibt: «I don’t have friends, I have family», sagte die Hauptfigur Dominic Toretto (verkörpert von Vin Diesel). Auch der 34-jährige Messi zählt seine – bevorzugt südamerikanischen – Freunde zu seiner Familie. Deshalb hat der argentinische Superstar den Transfer von Landsmann Sergio Agüero (von Manchester City) eingefädelt und den Vorstand des FC Barcelona zur Verpflichtung seines Nationalmannschaftskollegen Cristian Romero (Bergamo) gedrängt. Nach der Trennung von den Katalanen folgt Messi nun dem Ruf seiner Kumpels Angel di Maria und Neymar und schliesst sich Paris St-Germain an.
Nach den Zuzügen von Achraf Hakimi (Inter Mailand), Gianluigi Donnarumma (AC Mailand), Georginio Wijnaldum (Liverpool) und Sergio Ramos (Real Madrid) ist Messi der gewichtigste Transfer von PSG-CEO Nasser al-Khelaifi. Auch ohne Messi verfügt Trainer Mauricio Pochettino bereits über ein zusammengekauftes Team, das erneut zu den Favoriten auf den Sieg in der Champions League zählt. Mit Superstar Messi hat PSG die stärkste Mannschaft in der Geschichte des Fussballs. Der Linksfuss wird ein Kader verstärken, das neben Neymar und Di Maria auch Kylian Mbappé, Mauro Icardi, Julian Draxler, Pablo Sarabia, Marco Verratti, Marquinhos und Keylor Navas aufführt. Auch wenn dem Ligakrösus der Saisonstart mit dem 0:1 gegen Lille im Supercup und dem 2:1 bei Aufsteiger Troyes in der Ligue 1 schwerfiel.
In der vergangenen Spielzeit hat ein beim FC Barcelona unglücklicher Messi in 48 Wettbewerbspartien trotzdem 38 Tore und 14 Assists abgeliefert. Weil Ansu Fati im vergangenen November die Saison verletzungshalber beenden musste, Martin Braithwaite überfordert war und die Franzosen Antoine Griezmann sowie Ousmane Dembélé ihre eigenen Laufwege einschlugen, war der Argentinier in der Offensive auf sich alleine gestellt. Bei PSG hat der 34-Jährige endlich wieder durchsetzungsstarke Mitspieler. Und dank seiner Stellung wird der Superstar seinem Trainer und Landsmann Pochettino direkt oder indirekt mitteilen, wer neben ihm spielen soll. Ein Dreizack mit seinen Freunden Neymar und Di Maria wird dabei am ehesten dem Harmoniebedürfnis Messis entsprechen.
Nein: Grosse Konkurrenz, schwierige Integration – eine solche Ansammlung von Stars birgt Konfliktpotenzial.
Zugegeben, wer eine Spielerliste von PSG in der Hand hält, erstarrt beinahe ehrfürchtig vor der Qualität dieser Mannschaft. Und nun kommt auch noch Lionel Messi. Erfolg scheint da vorprogrammiert. Aber derart viele grosse Namen machen die Mannschaft noch längst nicht zum besten Team der Geschichte. Denn eine solche Ansammlung von Stars bringt auch Probleme mit sich.
Die Plätze in der Startformation sind beschränkt, und solche Konkurrenzsituationen bergen einiges an Konfliktpotenzial. Man nehme beispielsweise den Angriff. Dort werden nach dem Transfer von Messi in die Hauptstadt Frankreichs neben dem Argentinier Neymar, Mbappé, Di Maria, Icardi und Sarabia um Einsatzminuten buhlen. Das führt zwangsläufig zu unzufriedenen Stars, wodurch Nebenschauplätze entstehen, die die Leistungsfähigkeit der Mannschaft mindern dürften.
Auch sind es die Stars gewohnt, dass das Spiel der Mannschaft auf sie zugeschnitten ist, um sie bestmöglich in Szene zu setzen. Ein Spielsystem zu finden, welches allen Spielern zumindest zusagt, dürfte für Trainer Mauricio Pochettino eine Herkulesaufgabe werden. Sehr schwer dürfte dem Übungsleiter auch die allfällige Integration von Messi in die Mannschaft fallen. Bei Barça konnte sich der argentinische Superstar nur auf den Angriff konzentrieren, Defensivarbeit musste er zuletzt kaum verrichten. Dies dürfte in Paris anders werden. Die Frage ist, ob Messi nach so vielen Jahren bei Blaugrana überhaupt noch fähig ist, sich einer neuen Spielidee unterzuordnen, und ob der Argentinier gewillt ist, um der Mannschaft willen mit einem seiner Erzrivalen, Sergio Ramos, an einem Strang zu ziehen.
Dazu kommt noch eine weitere schier unlösbare Aufgabe: die ganzen Stars zu einer Einheit zu formen, in der sich jeder für jeden einsetzt und auf dem Spielfeld alles für die Mannschaft aufopfert. Grosse Namen sind das eine, eine Mannschaft mit einer klaren Handschrift, einem funktionierenden Kollektiv und einem stringenten Spielstil zu formen, etwas ganz anderes. Solche Dinge brauchen für gewöhnlich Zeit. Zeit, die PSG nicht hat.
* Das Wochenduell: Die «Basler Zeitung» stellt sich ab sofort in regelmässigem Abstand Themen, die die Sportwelt bewegen – und beleuchtet dabei in einem Pro und einem Kontra beide Seiten. Zuletzt erschienen: Braucht es die Conference League wirklich?Gehören Zuschauer ins Stadion?Holt sich Roger Federer nun sogar den Titel?Werden die Schweizer nun Europameister?War die Europameisterschaft bisher ein Fussballfest?Zeigt das Schweizer Fernsehen zu viel Olympia?
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