Hartes Brot für Zürichs Beizer
Kaum gegründet, schon Konkurs: Neue Betriebe haben im Gastgewerbe geringere Erfolgsaussichten als in anderen Branchen. Die Gründe.

«Was, schon wieder zu?», fragt man sich zuweilen, wenn gerade wieder ein kürzlich eröffnetes Restaurant oder ein neuer Take-away um die Ecke schliessen muss. Gastrobetriebe scheinen eine kurze Halbwertszeit zu haben, so der Eindruck – er bestätigt sich bei genauerem Hinschauen. Zahlen des Statistischen Amtes des Kantons Zürich, die Redaktion Tamedia zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, dass Firmen im Gastgewerbe deutlich weniger lange überleben als solche in anderen Branchen.
Das Statistische Amt hat das Zürcher Handelsregister der Jahre 2006 bis 2015 analysiert und die Überlebensrate jeder neu gegründeten Firma untersucht. Von den in diesem Zeitraum eingetragenen Gastrobetrieben hatten nur gut 50 Prozent die ersten sechs Jahre nach der Gründung überlebt. Die Hälfte aller Zürcher Restaurants, Take-aways, Glacestände und dergleichen muss also nach weniger als sechs Jahren dichtmachen. Über alle Branchen hinweg existieren zum gleichen Zeitpunkt immerhin noch fast zwei Drittel (63,9 Prozent) der Neugründungen.
«Lange bestehende Gastronomiebetriebe sind die Ausnahme.»
Im Gastgewerbe ist die Konkursrate überdurchschnittlich stark: Während jährlich 4 Prozent der Firmen Konkurs anmelden müssen, sind es über alle Branchen gesehen nur 2 Prozent.
Lange bestehende, traditionsreiche Gastrobetriebe sind die Ausnahme. Rund 10 Prozent der Beizen sind älter als 17 Jahre. Über alle Branchen gesehen, existiert das älteste Zehntel der Unternehmen jedoch seit 31 oder mehr Jahren. Das mittlere Alter von Gastrobetrieben (6 Jahre) liegt denn auch unter demjenigen in den meisten anderen Branchen. Im verarbeitenden Gewerbe, dem Grundstücks- und Wohnungswesen sowie im Handel sind Firmen im Schnitt deutlich älter.
Dass die Erfolgsaussichten für neu gegründete Betrieben tiefer sind als in anderen Wirtschaftszweigen, hat laut Ernst Bachmann von Gastro Zürich verschiedene Gründe. «Es ist grundsätzlich zu einfach, etwas zu eröffnen. Jeder kann heute eine Beiz aufmachen», sagt der Präsident des Gastgewerbeverbands des Kantons Zürich. Etliche Leute ohne Erfahrung oder entsprechende Ausbildung seien der Aufgabe nicht gewachsen und müssten ihren Laden schnell wieder schliessen.
Ein Problem ist aus Sicht von Bachmann auch die grosse Konkurrenz. Es gebe zu viel vom Gleichen. Wenn etwa an derselben Strasse mehrere ähnliche Take-aways aufmachten, könnten einfach nicht alle rentieren, so der Präsident von Gastrosuisse. Betriebe würden sich gegenseitig das Wasser abgraben. Hohe Mietzinse und strenge Auflagen würden zudem vielen zu schaffen machen.
«Das Problem trifft vor allem die Restaurants auf dem Land.»
Eine Rolle spielt sicher auch der Wandel der Essgewohnheiten in den letzten Jahren. Immer mehr Menschen nehmen sich weniger Zeit fürs Essen und ziehen den schnellen Take-away einem Mittagsmenü im Restaurant vor. Zudem kochen Zürcherinnen und Zürcher abends wieder vermehrt zu Hause. Solche Trends könne man nicht aufhalten, sagt Bachmann. «Man muss sie erkennen und darauf reagieren. Nichts zu tun, wäre falsch.»
Kopfzerbrechen bereitet dem Präsidenten von Gastro Zürich allerdings die Tatsache, dass man heute mit dem ÖV zu fast jeder Tages- und Nachtzeit in die Stadt fahren kann. Junge würden dieses Angebot vermehrt ausnützen. «Ländliche Betriebe haben deshalb keine Kundschaft mehr.» Bachmann spricht von «Entvölkerung» und einem Problem, das in erster Linie Landgasthöfe betrifft. In der Stadt hingegen nimmt die Mitgliederzahl im Gastgewerbeverband zu.
Dieser Stadt-Land-Graben zeigt sich auch im Handelsregister von 2015. Während die Stadt Zürich mehr Neueintragungen von Gastrobetrieben verzeichnete als Löschungen, fiel die Bilanz in ländlicheren Regionen wie dem Furttal, Glattal, Knonaueramt, Limmattal und dem Zürcher Unterland negativ aus.
Zwar mussten in der Stadt 162 Unternehmen schliessen, dafür kamen 173 neue hinzu. Damit machte Zürich fast die Hälfte (42,4 Prozent) der über 400 Gastrobetriebe aus, die alleine im Jahr 2015 ins kantonale Handelsregister eingetragen wurden. Bei einem Grossteil handelte es sich um Restaurants.
Die Neugründungen entsprachen 11 Prozent des Firmenbestands. Gleichzeitig wurden auch 11 Prozent der Betriebe aus dem Register gelöscht. Dass sich Neueintragungen und Löschungen die Waage halten, ist jedoch die Ausnahme. Denn zwischen 2006 und 2014 übertraf die Rate der Löschungen jene der Neueintragungen in der Gastronomie stets.
Über alle Branchen betrachtet, ist es umgekehrt: Neugründungen übertreffen in der Regel Schliessungen. Zudem zeigt sich, dass Firmeneintragungen und -löschungen in der Gastronomie deutlich häufiger vorkommen als im Branchenmittel.
Die hohe Fluktuation – gerade in der Stadt – sieht Bachmann nicht nur als Problem. «Das belebt auch den Markt», sagt der Gastro-Zürich-Präsident. Die Branche müsse einfach auf Qualität, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und Weiterbildung auf hohem Niveau setzen, um den steten Wandel zu meistern.
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