Handke: «Ist das wahr?»
Der Nobelpreis für Literatur geht an Olga Tokarczuk und Peter Handke. Als der Österreicher davon erfährt, verschlägt es ihm die Sprache.

Nach einem dramatischen 2018 verkündete die Schwedische Akademie heute nicht nur den diesjährigen Preisträger, sondern holte auch die Vergabe für das letzte Jahr nach. Der Preis für das Jahr 2018 geht an Olga Tokarczuk, derjenige für das Jahr 2019 an Peter Handke.
Die 1962 geborene Polin Tokarczuk ist Lyrikerin und Romanautorin, aber auch Essayistin. Sie gehört zu Polens populärsten Autorinnen der jüngeren Generation. Die deutsche Übersetzung ihres letzten Romans – «Die Jakobsbücher» – wurde dieses Jahr vom Zürcher Kampa-Verlag herausgegeben. Das Buch sei angesichts der Migrationskrise hochaktuell, loben Kritiker das Werk über die multikulturelle Geschichte des heute katholisch geprägten Polen.
Tokarczuk werde für ihre «erzählerische Vorstellungskraft» geehrt, die «mit einer enzyklopädischen Leidenschaft das Überschreiten von Grenzen als Lebensform symbolisiert», erklärte die Akademie in Stockholm. Der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, berichtete davon, dass die Autorin gerade während einer Lesetour in Deutschland im Auto gesessen und deshalb erst einmal am Strassenrand anhalten habe müssen, um die Botschaft entgegenzunehmen. Auf ihrem Facebook-Profil schrieb Tokarczuk danach: «Literaturnobelpreis! Sprachlos vor Freude und Rührung.»
Mit der Vergangenheit konfrontiert
Tokarczuks Kampf für Toleranz und vor allem die Konfrontation Polens mit den eigenen Vergehen schufen der Polin auch Feinde. Sogar Todesdrohungen habe sie erhalten, erzählte sie einmal der Zeitung «Gazeta Wyborcza».
Die Autorin war übel beschimpft worden, nachdem sie den ihrer Ansicht nach geschönten Blick vieler Polen auf die Vergangenheit ihres Landes in einem Fernsehinterview kritisiert hatte. «Wir stellen die Geschichte Polens als die eines toleranten Landes dar, aber wir haben schreckliche Dinge getan», sagte sie und prangerte auch Antisemitismus in der Geschichte ihres Landes an. In bedrohlichen Zeiten sei Kultur aber besonders wichtig, betonte Tokarczuk; sie will sich weiter engagieren: «Vor allem schreiben.»
Der Österreicher Peter Handke, 1942 geboren, ist eine prägende Figur der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Er schrieb Theaterstücke und Essays, Romane und Erzählungen. Zuletzt veröffentlichte er 2017 den Roman «Die Obstdiebin». Handke werde für sein «einflussreiches Werk» ausgezeichnet, das mit «sprachlicher Genialität die Peripherie und die Spezifität der menschlichen Erfahrung untersucht», so die Akademie.
Handke sei zu Hause gewesen, als er den Anruf der Juroren erhalten habe, so der Vorsitzende des Nobelkomitees der Akademie, Anders Olsson. «Er war sehr, sehr gerührt. Erst hat er kaum ein Wort herausbekommen.» Dann habe der Österreicher auf Deutsch gefragt: «Ist das wahr?»
Umstrittene Positionen
1966 erschien Handkes Debütroman «Die Hornissen». Im selben Jahr wurde er fast über Nacht bekannt: In einer Schmährede warf er dem legendären Literatenzirkel Gruppe 47 «Beschreibungsimpotenz» vor. Seine Bekanntheit festigte Handke mit der Uraufführung von «Publikumsbeschimpfung» in Frankfurt.
Handke, der zweimal verheiratet und einige Jahre mit der deutschen Schauspielerin Katja Flint liiert war, lebt seit vielen Jahren bei Paris. Der Autor ist auch wegen seiner proserbischen Positionen eine umstrittene öffentliche Figur.
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SDA/lsch
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