
Der grosse Preis von Belgien am letzten Wochenende war eine Farce, das kann man nicht anders sagen. Drei Runden im Regen hinter dem Safety-Car? Und dafür gibt es am Ende dann Punkte für die Weltmeisterschaft? Für mich als Kommentator war es jedenfalls die schlimmste Übertragung, die ich je gemacht habe. Und ich kann den Unmut der Fahrer sehr gut nachvollziehen.
Man kann dem Rennen aber auch etwas Positives abgewinnen: Max Verstappen ist nach seinem Ausfall in Silverstone und dem neunten Rang in Ungarn nämlich wieder näher an Lewis Hamilton herangerückt. Die beiden trennen nur noch drei Punkte in der WM-Wertung. Und vor dem Verstappen-Heimspiel in Zandvoort an diesem Sonntag kann man sich als Fan umso mehr auf das Duell zwischen den beiden freuen.
Genau das hat in den letzten Jahren ja so oft gefehlt: ein emotionales Duell um den Titel. Wie oft haben wir Rennen gesehen, in denen die Mercedes im Qualifying über eine Sekunde schneller waren als der Rest des Feldes? Wie oft war schon vor dem Rennen klar, wer gewinnen wird? Aber jetzt haben wir zwei begnadete Fahrer in zwei unterschiedlichen Autos und mit total verschiedenen Persönlichkeiten. Zwei Fahrer, die sich auf der Strecke keinen Zentimeter schenken. Attraktiver geht es doch gar nicht!
Senna kündigte die Kollision mit Prost vor dem Rennen an
Mich erinnert dieser Zweikampf an die grösste Rivalität der Formel 1: Ayrton Senna gegen Alain Prost. Zwei der besten Fahrer überhaupt. Aber sie haben sich gehasst, selbst als beide für McLaren gefahren sind. Und sie haben sich auch gar nicht bemüht, ihre Abneigung in irgendeiner Art zu verheimlichen. Da wurde in Interviews öffentlich über den anderen hergezogen, und irgendwann haben sie dann gar nicht mehr miteinander geredet. Die Rivalität der beiden war auch hinter den Kulissen für alle deutlich spürbar.
Es ging so weit, dass die beiden in Suzuka zweimal kollidiert sind: 1989 und 1990. Beim zweiten Rennen hat Senna es vor dem Start sogar angekündigt. Er hat gesagt, dass er Prost abschiessen werde, wenn er nicht auf der sauberen Seite der Strecke starten könne. Senna hat beantragt, dass die Seiten getauscht werden, weil er sich trotz der Poleposition im Nachteil sah. Das geschah jedoch nicht, und prompt fuhr er Prost – wie angekündigt – ins Auto.
Ich selbst hatte in meiner Karriere auch einen Fahrer, mit dem ich nie wirklich ausgekommen bin. Allerdings nicht in der Formel 1, sondern in der Procar-Serie. Da bin ich immer wieder mit dem Franzosen Didier Peroni aneinandergeraten. Didier war neben der Strecke ein ganz feiner Kerl, er war höflich, intelligent, freundlich. Aber auf der Strecke war er – tut mir leid, wenn ich das jetzt so direkt sage – ein Drecksack.
Er hat in keiner Situation zurückgezogen, und es hat immer wieder geknallt, wenn wir in ein Duell verwickelt waren. Und irgendwann hat es auch auf unsere Beziehung neben der Strecke abgefärbt. Dann denkst du: Das ist doch eine linke Socke. Schüttelt dir vor dem Rennen freundlich die Hand – und kurz danach schiesst er dich von der Piste.
Verstappen kann den 8. Titel verhindern
So weit ist es bei Hamilton und Verstappen nicht. Sie respektieren sich und gehen professionell miteinander um. Aber ich sehe trotzdem einige Parallelen zu dem Duell von Senna und Prost: Verstappen ist in seiner Art nämlich sehr ähnlich wie Senna. Ein begnadeter Fahrer, das ist klar. Aber er ist wild, er ist aggressiv und geht manchmal über die Grenzen hinaus. Das führt dazu, dass die Fans ihn lieben. Weil er auch mal ein Rennen gewinnt, das er eigentlich gar nicht gewinnen dürfte.
Hamilton hingegen war schon immer ein sehr überlegter und kontrollierter Fahrer. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ihm gleich in seiner ersten Saison beim GP von China ein Fehler unterlief, der ihm den möglichen ersten WM-Titel kostete. Aber seitdem fällt mir fast kein gravierender Patzer mehr von ihm ein. Er ist nicht umsonst der wohl beste Pilot der Geschichte. Aber jetzt hat er mit Verstappen endlich wieder einen Konkurrenten, der ihn kitzelt, der ihn provoziert. Das hat man beim GP von Silverstone gesehen.
Die beiden sind mit Tempo 300 in der Kurve kollidiert und der Holländer ist von der Strecke geflogen. Das war ein Weckruf! Verstappen hat in den ersten Rennen dieser Saison gezeigt, dass er die WM im Red Bull gewinnen kann. Und er hat Hamilton mit seiner Fahrweise immer wieder herausgefordert. Darum musste Hamilton ein Zeichen setzen und sagen: «Nicht mit mir, Max!» Das entspricht eigentlich gar nicht seiner Art. Aber es zeigt, dass ihre Rivalität ein neues Level erreicht hat.

Ich bin mir fast sicher, dass man auch in vielen Jahren noch von diesem Duell sprechen wird. Leider haben die beiden einen ziemlichen Altersunterschied: Hamilton ist 36, Verstappen 13 Jahre jünger. Das heisst, dass wir sie nicht mehr ewig gemeinsam auf der Strecke sehen. Aber es könnte durchaus passieren, dass Verstappen in diesem Jahr zum ersten Mal Weltmeister wird und den historischen achten Titel von Hamilton verhindert.
Damit wäre die Rivalität zwischen Hamilton und Verstappen ganz sicher eine für die Geschichtsbücher. Und es könnte sein, dass die beiden sich auch in den folgenden Jahren duellieren, wenn Hamilton nach seiner achten Weltmeisterschaft greift. Ich hoffe, wir werden noch viele Zweikämpfe der beiden verfolgen dürfen. Auch wenn ihre Rivalität am Ende nie so gross sein wie die zwischen Senna und Prost.
Die bleibt für immer unerreicht.
Der Baselbieter Marc Surer (69) ist ehemaliger Formel-1-Pilot und verfolgt die Königsklasse des Motorsports heute intensiv als Experte und SRF-Kommentator. Er berichtet regelmässig für die BaZ.
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Die grösste Rivalität der Formel 1 – Hamilton gegen Verstappen erinnert mich an Senna gegen Prost
Das Duell zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton hat ein neues Level erreicht. BaZ-Kolumnist Marc Surer fühlt sich an den Zweikampf zweier Legenden erinnert.