Häufiger Hanfkonsum im Zivildienst
Zivildienstkurse gehen zu lang, bringen zu wenig und kosten den Steuerzahler zu viel.

Grundsätzlich finde ich den Zivildienst eine gute Sache. Ich denke, dass es sinnvoll ist, alternativ zur Wehrpflicht der Allgemeinheit einen Dienst erweisen zu können. Bei manchen Geschichten, die man von Freunden und Bekannten über das Militär hört, zweifelt man an der Glaubwürdigkeit. Deren Anzahl ist aber so gross, dass doch ein gewisser Kern an Wahrheit enthalten sein muss. Entsprechend habe ich mich entschieden, Zivildienst zu leisten. Auf diese Weise konnte ich den vielen Leerläufen im Militär entgehen und einen sinnvollen Beitrag im Sozialwesen leisten.
Nun, da ich letzten Sommer meine Dienstpflicht erfüllt habe, kann ich sagen, dass ich meine Entscheidung nicht bereue. Ich war ein halbes Jahr Betreuer auf der Dementenstation eines Pflegeheimes, habe während drei Monaten in einer Kindertagesstätte mitgearbeitet und vier Monate lang in einem Geriatriespital Dienst geleistet. Obwohl es sich nicht um Traumjobs handelte, konnte ich die Einsätze selbst aussuchen und war stets zufrieden. Ich habe mich mit den Mitarbeitern und Vorgesetzten stets gut verstanden und viel gelernt.
Kurse nötig? – Immer!
Grundsätzlich ist aber vieles nur im Grundsatz gut. Und das gilt genauso für den Zivildienst. Denn auch wenn dieser mit den Leerläufen und Absurditäten beim Militär kaum mithalten kann, gibt es auch hier einiges zu erzählen. Um für ihre Einsätze vorbereitet zu sein, müssen Zivildienstleistende Ausbildungskurse besuchen, die je nach Einsatz vorgegeben werden. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Es leuchtet ein, dass man die Betreuung von Betagten in einem Pflegeheim oder die Handhabung einer Kettensäge im Forstbereich zunächst erlernen muss.
Über gewisse Dinge im Zivi-Ausbildungswesen staune ich aber bis heute – und das nicht im positiven Sinne. Da wäre beispielsweise die Frage, welchen Nutzen der Kurs zum Thema «Gewaltfreie Kommunikation» bei einem Einsatz in der Betagtenbetreuung hat. Ob meine Kommunikation nach dem Kurs tatsächlich gewaltfreier war, bezweifle ich. «Gerade in den Betreuungskursen oder im Kommunikationskurs wird stark an den eigenen Selbst- und Sozialkompetenzen gearbeitet», erklärt mir Michael Blanchard, Leiter Fachbereich Einführung Ausbildung ZIVI, in einer Antwort auf ein kritisches Mail.
Spaziergänge um den Schwarzsee mit peinlichen Ballspielen sind ineffizient.
Obwohl ich positiv überrascht bin, dass sich der Chef persönlich meiner Kritik annimmt, kann ich ihm nicht zustimmen. Denn wer 18 Jahre alt und nicht komplett auf den Kopf gefallen ist, hat in so einem Kurs nichts verloren. Und bei den anderen hätte der Kurs wohl nur eine beschränkte Wirkung entfaltet. Wie soll es möglich sein, die Sozialkompetenz junger Erwachsener, die scheinbar grundsätzlich als unzureichend betrachtet wird, innerhalb einer Woche auf ein akzeptables Niveau zu bringen?
Noch erstaunter war ich, als ich letztes Jahr einen Kurs zum Thema Betreuung betagter Menschen besuchen musste. Als ich meinem Chef im Geriatriespital erklärte, dass ich bereits sechs Monate als Betreuer in einem Pflegeheim Zivildienst geleistet hatte, sagte dieser sofort, dass ich keinen solchen Kurs machen müsse. Als er dies aber den Verantwortlichen beim Zivildienst mitteilte, musste er erstaunt feststellen, dass diese anderer Meinung waren. Mehrere Versuche, ein Einlenken zu erwirken, blieben erfolglos. Im Gegenteil: Ich wurde gebeten, mich möglichst schnell anzumelden, weil nur noch wenige Plätze im Kurs verfügbar seien.
Gesunder Menschenverstand biss auf Granit. Michael Blanchard schreibt dazu: «Selbstverständlich haben manche Zivis Vorkenntnisse oder unterschiedliche Voraussetzungen. Es ist aber sehr schwierig, dieser Heterogenität – sowohl was die Zivis als auch die Einsätze betrifft – gerecht zu werden.» Schliesslich wurde mir doch noch mitgeteilt, dass ich ein Gesuch um eine Dispensierung vom Kurs hätte stellen können. Allerdings erst, nachdem ich den Kurs gemacht hatte. Hilfreich, diese Auskunft.
Die Menge an Wissen wäre ohne Weiteres in deutlich kürzerer Zeit vermittelbar gewesen.
Immerhin fand der Kurs zu Beginn meines Einsatzes statt. Denn wie ich von anderen Zivis erfahren habe, kommt es auch vor, dass Kurse in den letzten Wochen eines Einsatzes gemacht werden müssen. Dabei hatte ich eigentlich gedacht, dass es sich um Vor- und nicht um Nachbereitungen handelt. Michael Blanchard erklärt, dass solche Fälle selten und leider nicht vermeidbar seien.
Es gibt weitere fragwürdige Punkte. Dass die Kurse in strukturschwachen Randregionen veranstaltet werden, um so Arbeitsplätze in der Hotellerie, Verwaltung und Kursleitung zu schaffen, mag in Ordnung sein. Zweifelhaft ist aber die Dauer der Kurse von bis zu einer Woche. Die Menge an Wissen, die mir jeweils vermittelt wurde, wäre ohne Weiteres in deutlich kürzerer Zeit vermittelbar gewesen.
Stundenlanges Zuhören bei Powerpoint-Präsentationen und Gruppenarbeiten mit demotivierten Teilnehmern, bei denen ohnehin über alles ausser das eigentliche Thema gesprochen wird, scheinen mir wenig effizient. Ebenso wenig sind Spaziergänge um den Schwarzsee beim Ausbildungszentrum im Kanton Fribourg, die nur durch eine kurze, peinliche Ballzuwerf-Übung unterbrochen werden, der Effizienz zuträglich. Oder Übungen, bei denen man im Rollstuhl Basketball spielt. Oder der zwar verbotene, aber trotzdem allgegenwärtige Cannabiskonsum vor, zwischen und nach den Kursstunden. Dieser wurde trotz gross angekündigter Warnungen scheinbar einfach geduldet, denn übersehen konnte man ihn schwerlich.
Absurde Situationen
Michael Blanchard: «Die Kursinhalte sind auf die Kurswoche angepasst und können nicht auf seriöse Art in viel kürzerer Zeit vermittelt werden.» Gleichzeitig räumt er ein: «Ein zweistündiger Spaziergang ohne wirklichen Auftrag ist natürlich nicht o. k.». Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat aber die Leiterin meines letzten Kurses, als sie in dessen Verlauf feststellte, dass ich das meiste schon wisse. Als ich ihr antwortete, dass weder ich noch mein Einsatzbetrieb den Kurs wünschten, wusste sie wenig Schlaues zu entgegnen. Ebenso wenig Gescheites konnte sie zur Frage eines anderen Teilnehmers sagen. Dieser wollte wissen, wieso er einen Betreuungskurs machen müsse, wenn er doch als Koch Zivildienst leiste und mit den Bewohnern des Pflegeheims nichts zu tun habe.
Zum Schluss der Kurse werden Feedback-Fragebögen verteilt, die die Kurse verbessern sollen. Die vier Fragebögen, die ich jeweils nach meinen Kursen ausgefüllt habe, scheinen allerdings nicht wirklich beachtet worden zu sein.
Dem sei nicht so, antwortete mir Michael Blanchard. Mein Feedback, dass nach allen vier Kursen gleich war, werde ernst genommen. Ausserdem versprach mir der Chef des Zivi-Ausbildungswesens, meinen Kritikpunkten nachzugehen.
Bis heute habe ich keine Rückmeldung erhalten.
Tomasz Sikora (26) leistete Zivildienst in St. Gallen, Arlesheim und Basel. Aktuell ist er Praktikant bei der BaZ.
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