Gute Raser, böse Raser
Die Strafen für Raserdelikte könnten entschärft werden, wenn jemand nicht vorsätzlich handelt. Was das juristisch und verkehrspsychologisch bedeutet.
Vor knapp fünf Jahren trat die strengere Gesetzgebung gegen Raser in Kraft. Demnach werden krasse Geschwindigkeitsübertretungen von beispielsweise 50 Stundenkilometern innerorts oder 60 Stundenkilometern ausserorts mit mindestens einem und höchstens vier Jahren Freiheitsstrafe geahndet.
Verschiedene Kräfte wollen das Gesetz wieder aufweichen. Jüngstes Beispiel: Die ständerätliche Verkehrskommission (KVF) fordert, dass die Mindeststrafe von einem Jahr gestrichen sowie die Mindestdauer von zwei Jahren für den Führerausweisentzug gesenkt wird. Damit sollen Richter bei Fahrlässigkeit einen Ermessensspielraum haben. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand geltend machen kann, die Geschwindigkeitsänderung nicht gesehen zu haben, etwa weil diese verdeckt war oder der Fahrer abgelenkt war.
Fragwürdige Formulierung
Die Verschärfung der Rasergesetze angestossen hatte Roadcross Schweiz mit der Initiative «Schutz vor Rasern». Die Stiftung zog diese 2012 zurück, nachdem die Forderungen praktisch wortgetreu ins Gesetz übernommen worden waren. Die jetzt geplante Aufweichung sei intern besprochen worden, sagt Geschäftsführerin Valesca Zaugg. «Die Formulierung ist fragwürdig», sagt sie. «Es ist praktisch unmöglich, aus Fahrlässigkeit zum Raser zu werden. Eine derart massive Geschwindigkeitsüberschreitung ist ein bewusster Entscheid.» Je nach Umsetzung würde sich darum gar nicht viel ändern.
Das bestätigt auch Bundesverwaltungsrichter Philippe Weissenberger, der sich als Herausgeber des Zürcher Kommentars zum neuen Strassenverkehrsgesetz (SVG) bestens mit der Thematik auskennt. «In aller Regel handeln Raser vorsätzlich.» Problematisch könne die Änderung werden, weil Beschuldigte vor Gericht geltend machen werden, fahrlässig gehandelt zu haben. «Das bedeutet einen Mehraufwand für die Gerichte.»
Grundsätzlich begrüsst Weissenberger aber eine Aufweichung des SVG. Der Gesetzgeber habe den Ermessensspielraum der Gerichte bei Raserdelikten weitgehend aufgehoben. «Die Mindeststrafe ist grundsätzlich nicht sinnvoll, auch bei vorsätzlichem Handeln.» So gebe es etwa Raser, die einmalig viel zu schnell führen, aber dies in einer Situation täten, in der die Gefährdung nicht erhöht sei. «Das gleichzusetzen mit einem Raser, der innerorts Menschen gefährdet, ist falsch», sagt Weissenberger.
Das falsche Signal
«Grundsätzlich finde ich es ungünstig, wenn das Gesetz so kurz nach Inkrafttreten wieder aufgeweicht wird», sagt dagegen die Verkehrspsychologin Corinna Merz. «Das sendet aus psychologischer Sicht eine falsche Botschaft an potenzielle Raser.» Gleichzeitig unterstützt aber auch sie den Ermessensspielraum für die Richter. «So kann jeder Fall individuell beurteilt werden.»
Bei Roadcross Schweiz stellt man die Auswirkungen der geplanten Änderung nicht nur wegen der wohl eher kleinen Fallzahl infrage. Zaugg betont, dass eine leichte Abschwächung die Errungenschaften der Raserartikel nicht zunichte machen würde. «Mit dem öffentlichen Diskurs der letzten Jahre hat ein Sinneswandel in Gesellschaft und Justiz stattgefunden – Raserfälle werden ohnehin nicht mehr als Kavaliersdelikte angesehen.»
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