
Es hätte der Höhepunkt der bisherigen Klimademos werden sollen. Aus der ganzen Welt reisten diese Woche rund 450 jugendliche Aktivistinnen und Aktivisten nach Lausanne, um im Beisein von Greta Thunberg eine Strategie gegen die Erderwärmung zu beschliessen. «Smile for Future» lautete das muntere Motto – doch weltweite Schlagzeilen machte das Treffen mit Chaos, Streit und Tränen statt mit wegweisenden neuen Ideen.
Zum Beispiel sollen sich die Teilnehmer in die Haare geraten sein, weil jene aus Westeuropa zur Klimarettung die Überwindung des Kapitalismus forderten – jene aus Osteuropa den Kommunismus aber mindestens so fürchten wie den Weltuntergang.
Wie der «Blick» berichtete, soll es zu Sitzstreiks, Heulkrämpfen und basisdemokratischen Endlosdebatten ohne Struktur oder Konsens gekommen sein – auch weil Teilnehmer die Diskussion jederzeit unterbrechen konnten, wenn sie mit den Händen ein Dach über dem Kopf formten, um damit zu sagen, dass sie sich «unwohl» fühlten.
Kein Wunder also, triefte es in den Kommentarspalten und auf Social Media geradezu vor Häme und Zynismus – ganz so, als hätte man von 16-Jährigen erwarten können, dass sie wie abgebrühte Diplomaten mit jahrzehntelangen Routinen jene komplexen Probleme dieser Erde lösen, an denen dieselben an zig Konferenzen zuvor bereits ähnlich desaströs gescheitert waren.
Noch mehr Alarmismus ist keine Option
Was der Lausanner Klimagipfel aber zeigt: Mit Moral allein lässt sich die Welt nicht retten. Selbst wenn eine Bewegung so jugendlich frisch daherkommt wie die Klimajugend, selbst wenn sie über eine Bilderbuch-Ikone verfügt wie Greta, ja selbst wenn sie nichts weniger als die drohende weltweite Apokalypse heraufbeschwört – die Menschen lassen sich in ihrem naturgegebenen Egoismus schlicht nicht mit erhobenem Zeigefinger vorschreiben, wie sie zu leben haben.
Das zeigte sich spätestens in diesen Sommerferien wieder, während denen Flughäfen und Airlines Rekordzahlen vermeldeten. Noch mehr Alarmismus ist keine Option, im Gegenteil: Heute schon lassen sich einzelne Politiker, Wissenschaftlerinnen und Medien zu teils fragwürdigen bis falschen Aussagen hinreissen, die das Vertrauen der Empfänger in die Botschaft nicht gerade stärken.
So war in der SRF-«Tagesschau» kürzlich von «hochgiftigem CO2» die Rede, das bei Waldbränden in der Arktis entstanden sei (CO2 mag das Klima erwärmen, aber giftig ist es nicht). Und bei unseren Nachbarn in Deutschland, der moralisch-erzieherischen Supermacht schlechthin, vergeht kaum eine Woche, ohne dass nicht eine Politikerin aberwitzige Zusammenhänge zwischen willkürlichen Naturereignissen und dem Klimawandel herstellt, abenteuerliche Forderungen inklusive.
Die Rettung der Welt ist keine Frage des Gewissens
Ein Überschuss an Moral in einer Debatte sorgt zuallererst für eine weitere Radikalisierung – auf allen Seiten – sowie für eine Emotionalisierung, die bei der Lösung solch komplexer Probleme wie der Erderwärmung nicht wirklich hilfreich ist.
Nicht nur verhallen die belehrenden Botschaften in der eigenen Blase – auch die Aktivisten selbst landen nach ihrem moralischen High früher oder später auf dem harten Boden der Realität wie in Lausanne. Wonach man sich tatsächlich Sorgen machen muss, ob sich nicht noch mehr Jugendliche in verzweifelte Apokalyptiker mit teils regelrechten Traumata, Depressionen und Angstzuständen verwandeln, die vermehrt auch zu Gewaltfantasien neigen wie bei der zusehends beliebteren Weltuntergangssekte Extinction Rebellion.
Wer ständig moralisiert, handelt verantwortungslos. Die Rettung der Welt ist keine Frage des Gewissens, sondern der Machbarkeit. Was es dazu braucht, sind Technologie, Fortschritt und Entwicklung – und nicht zuletzt: einen klaren Kopf.
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Gretas Grenzen
Das Treffen der Klimajugend in Lausanne geriet zeitweise zum Fiasko. Höchste Zeit für eine moralische Abrüstung der Debatte.