Grass-Gedicht: Israel reagiert mit Spott
Der deutsche Autor sei «wahrlich kein Schiller», lässt das israelische Aussenministerium zu Grass' neuem israel-kritischen Gedicht verlauten. Der darin erwähnte Israeli hingegen freut sich.

Israel hat mit Spott auf das jüngste Gedicht von Günter Grass reagiert, in dem dieser einen als Verräter verurteilten Israeli lobt. Die Zeilen Grass' zu dem Atomforscher Mordechai Vanunu zeigten, dass der deutsche Schriftsteller «wahrlich kein Schiller» sei, sagte Aussenamtssprecher Jigal Palmor. «Zumindest gibt es einen Israeli, der Gnade in seinen Augen findet», sagte Palmor in Anspielung auf Grass' israel-kritisches Gedicht vom April.
In seinem neuen Gedichtband lobt Grass Vanunu, weil dieser das geheime israelische Atomprogramm verraten hatte. Vanunu sass 18 Jahre im Gefängnis, weil er 1986 der britischen «Sunday Times» Informationen zugespielt hatte, die massgeblich dazu beitrugen, Israel als Atommacht zu enttarnen. Vanunu war von 1976 bis 1985 als Techniker in der israelischen Atomanlage Dimona beschäftigt. Seit seiner Freilassung ist es ihm untersagt, das israelische Staatsgebiet zu verlassen.
Atomprogramm-Verräter «stolz»
Vanunu sagte der Nachrichtenagentur AFP, er sei stolz, von einem Literaturnobelpreisträger erwähnt zu werden. Zudem sei er «sehr glücklich, mit Günter Grass in einer Liga zu sein». Auch er würde gerne von Israel zur unerwünschten Person erklärt.
In seinem neuen Gedichtband «Eintagsfliegen» würdigt Grass den Nukleartechniker in seinem Gedicht nun als «Held unserer Tage» und «Vorbild».
«Hakenkreuz auf der Kleidung»
Der Verband hebräischsprachiger Schriftsteller in Israel kritisierte das neue Gedicht scharf. Der 84-Jährige betreibe eine «obsessive Kampagne zur Beschämung Israels», teilte der Vorsitzende des Verbands, Herzl Chakak, mit. Grass spreche dem jüdischen Staat auch das Recht auf Selbstverteidigung ab.
«Würde Grass gegen die nukleare Aufrüstung des Irans aktiv werden, könnte er so die Spuren des Hakenkreuzes auf seiner Kleidung löschen», teilte Chakak weiter mit. «Aber sein Kreuzzug gegen das jüdische Volk und Israel geht weiter, und dafür kann man ihm nicht vergeben.»
Zwischen den Zeilen ruft Grass zum militärischen Geheimnisverrat auf – überall dort in der Welt, wo Vernichtungswaffen hergestellt werden: «Drum: Wer ein Vorbild sucht, versuche ihm zu gleichen, entkleide, werde mündig, spreche aus, was anderswo in Texas, Kiel, China, im Iran und Russlands Weite erklügelt wird und uns verborgen bleibt.» Die Kieler Werft HDW baut für Israel U-Boote, die atomwaffenfähig sein sollen.
Grass unterliegt Einreiseverbot
Bereits im April hatte Grass mit dem Gedicht «Was gesagt werden muss» Israels Regierung verärgert. Innenminister Eli Jischai sprach gegen den deutschen Dichter ein Einreiseverbot aus.
Grass hielt in dem Text Israel vor, mit seinen Atomwaffen den ohnehin brüchigen Weltfrieden zu gefährden und das Recht auf einen militärischen Erstschlag gegen Irans Atomanlagen zu beanspruchen. Der neue Gedichtband kommt an diesem Wochenende in den Buchhandel.
sda/AFP/kle/mw
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