Grammophone, Boomjahre - und ein Abgesang
Erste Plattenläden gab es in der Schweiz bereits um 1900. Mit den Beatles und den Stones begann ab 1965 die Blütezeit der Branche. Heute existieren bloss noch 48 Einzelfachgeschäfte.
Peter Mampell muss lachen. Da hat ihn der unwissende Journalist doch eben gefragt, ob es in Zürich schon vor dem berüchtigten Rolling-Stones-Konzert von 1967 im Hallenstadion den einen oder andern Plattenladen gegeben habe. «Ja», antwortet er dann freundlich und sachlich, «die ersten Grammophonläden, wie sie damals hiessen, gab es in der Schweiz schon um 1900. Eines der ersten Zürcher Fachgeschäfte war Hug & Co., heute bekannt als Musik Hug. Es wurde so ums Jahr 1910 eröffnet und hat damals noch Trichtergrammophone, Musikwalzen und Schelllackplatten verkauft. Wenig später kam dann Rena Kaufmann an der Fraumünsterstrasse hinzu, den Laden gibts ja heute noch.»
Ist der Mann ein wandelndes Lexikon? Fakt ist, dass Mampell von 1961 bis 2003 in der Schweizer Musikbranche tätig war - und sich dabei vom Plattendealer bei Hug zum Managing Director bei EMI Schweiz emporgearbeitet hat; den Chefposten bei EMI hatte er zwischen 1982 und 1995 inne. Fakt ist also auch, dass Mampell die «fetten Jahre» der Branche ebenso hautnah miterlebt hat wie das erste Welken dieser Blütezeit - und deshalb aus erster Hand darüber berichten kann.
Beispielsweise über die Beatles und die Rolling Stones. Als die britischen Starbands in den frühen Sixties richtig durchstarteten und in ihrem Sog auch andere Beat- und Rockformationen mitzogen, hat dieses Phänomen einen direkten Einfluss auf die Entstehung neuer Plattenläden in der Schweiz gehabt. 1980, am Ende dieser ersten Boomphase - unterbrochen beziehungsweise abgebremst wurde sie durch die Erdölkrise 1973 und den dadurch entstehenden Mangel an Rohstoff für die Vinylplattenproduktion - gab es laut Mampell landesweit rund 2000 sogenannte Verkaufspunkte; das waren Spezialisten mit kleineren und grösseren Sortimenten sowie Warenhäuser mit Musikabteilungen.
Ein Zwischenhoch dank der CD
Von der damaligen Herrlichkeit ist nicht mehr viel geblieben. Zwar hat die 1983 eingeführte Compact Disc nach ihrer Etablierung bei den Läden nochmals für einen vorübergehenden Wachstumsschub gesorgt, weil CD-Alben zu Beginn deutlich teurer waren als jene auf Vinyl. Doch es war ein Strohfeuer. Bis Mitte der Neunzigerjahre blieben die Umsätze noch mehr oder weniger konstant, danach hat der Krebsgang eingesetzt, in den letzten Jahren ist er richtig dramatisch geworden. Geblieben sind heute 550 Verkaufspunkte, wobei da alle Media-Markt-, Musik-Hug-, Fnac-, Manor-, Ex-Libris- und Orange-/City-Disc-Filialen eingerechnet sind. Einzelfachgeschäfte - also die Plattenläden alter Schule - existieren gerade mal noch 48.
Allein im Grossraum Zürich, seit jeher das Gebiet mit der grössten Musikshopdichte, sind in den letzten Jahren mit dem Jamarico im Niederdorf, Karbon, P45, zwei Jecklin-Filialen sowie Musicbox in Winterthur sechs langjährige Anbieter verschwunden; mit dem Ende des Rock On (siehe Hauptartikel) und des Reggae Fever im Kreis 4, der per 31. Oktober schliesst, geht der traurige Abgesang weiter. Eine Prognose, ob der Trend aufhört, mag Peter Mampell nicht stellen. «Ich hoffe einfach, dass die jungen Leute die Schönheit eines real existierenden Albumcovers oder CD-Booklets erkennen lernen, bevor es keine Plattenläden mehr gibt, in welchen sie diese Dinge sehen und anfassen können.»
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