Gefährliches HerbizidGlyphosat beeinträchtigt Hummeln
Das Herbizid bewirkt, dass hungrige Hummeln die Temperatur in der Kolonie schlechter regulieren können. Das könnte Konsequenzen für den Nachwuchs haben.

Der weltweite Schwund der Insekten ist mittlerweile eindeutig belegt. Was der Grund für den dramatischen Rückgang ist, ist dagegen weit weniger klar. Wahrscheinlich trägt eine Reihe von Faktoren dazu bei, die meisten davon haben mit dem Menschen zu tun. Der Verlust von Lebensraum spielt wahrscheinlich eine Rolle, Krankheitserreger, invasive Arten, der Klimawandel und natürlich auch der Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft.
Das weltweit am häufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel ist Glyphosat. In einer Studie, die gerade im Wissenschaftsjournal «Science» erschienen ist, zeigt ein Team um die Verhaltensbiologin Anja Weidenmüller von der Universität Konstanz, dass hungernde Hummeln, die mit Glyphosat im kargen Futter gefüttert wurden, die Temperatur in ihrem Nest schlechter regulieren können als Tiere, die dem Herbizid nicht ausgesetzt waren. Das könnte nach Ansicht der Wissenschaftler dazu führen, dass sich die Brut schlechter entwickelt. Im Extremfall könnte das Hummelvolk sogar sterben, weil es keine Nachkommen mehr bekommt.
Brutpflege vernachlässigt
Für ihre Studie haben die Forschenden 15 Hummelkolonien untersucht. Jede dieser Kolonien wurde in zwei Hälften aufgeteilt. Die Tiere in der einen Hälfte wurden mit Zuckerwasser gefüttert, die in der anderen bekamen Zuckerwasser, das mit Glyphosat in einer Konzentration von fünf Milligramm pro Liter versetzt war. Es zeigte sich, dass das Pflanzenschutzmittel die Hummeln auf zweierlei Weise negativ beeinflusste: Zum einen kümmerten sich die Glyphosat-Hummeln rein zeitlich weniger um ihre Brut. Zum anderen waren die Tiere nicht mehr in der Lage, die Temperatur im Nest konstant zu halten, wenn gleichzeitig Nahrungsmangel herrschte. In ihrer Untersuchung wiesen die Forschenden nach, dass es den Tieren in einem Viertel des Untersuchungszeitraums nicht gelang, die Temperatur über 28 Grad Celsius zu halten. Warum das so ist, wissen sie nicht.
Klar ist aber, dass ein Abfall der Temperatur im Nest schädlich für die Brut sein kann. Der ideale Temperaturbereich für den Nachwuchs liegt zwischen 28 und 35 Grad Celsius. Normalerweise sorgen die erwachsenen Tiere dafür, dass die Temperatur stets in diesem Bereich bleibt, indem sie Wärme durch Kontraktion ihrer Muskulatur erzeugen. Schaffen sie das aus irgendeinem Grund nicht und die Temperatur sinkt unter 28 Grad Celsius, ist die Gefahr gross, dass der Nachwuchs oder zumindest ein Teil davon stirbt.
Negative Folgen für Bestäuber
Für Hummeln ist der Tod des Nachwuchses in einem Jahr besonders schlimm. Anders als etwa bei Bienen, bei denen der ganze Stock überwintert, sind Hummelkolonien nämlich nur einjährig: Allein die Königin überwintert. Wenn sie die kalte Jahreszeit nicht überlebt und es zudem keinen Nachwuchs gibt, verschwindet die Kolonie.
«Die Stärke der aktuellen Studie liegt auch darin, dass die Wirkungen von Glyphosat-Dosen untersucht wurden, die vergleichbar sind mit denen, die unter landwirtschaftlichen Bedingungen auftreten», sagt Randolf Menzel, Biologe an der Freien Universität Berlin. Wenn Tiere im Labor bei einer hohen Dosis sterben, ist damit nämlich noch nicht bewiesen, dass dasselbe in der Natur passiert, wo die Insekten möglicherweise viel niedrigeren Konzentrationen ausgesetzt sind.
Lange Zeit dachte man, dass Glyphosat für Insekten und andere Tiere unschädlich ist, weil es ein Herbizid ist und zudem ein Enzym blockiert, das nur in Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen vorkommt, nicht aber in Tieren. Doch mittlerweile gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass das Mittel indirekt auch Bestäubern schadet. Oft wird es mit sogenannten Netzmitteln versetzt, die bewirken, dass sich das Herbizid gleichmässig auf Stängeln und Blättern der Pflanzen verteilt. Eine solche Mischung wird beispielsweise in dem Mittel Roundup verwendet. «Vor kurzem konnten Wissenschaftler zeigen, dass die Mortalität bei Hummeln durch Roundup massiv ansteigt», sagt Axel Hochkirch, Naturschutzbiologe an der Universität Trier. Glyphosat allein sei zwar nicht tödlich, habe aber trotzdem negative Auswirkungen auf Bestäuber. «So wurde zum Beispiel bereits gezeigt, dass es bei Honigbienen Auswirkungen auf das Lernverhalten, das Schlafverhalten und die Entwicklung gibt.»
Nach Ansicht der Studienautoren wurden die negativen Folgen von Glyphosat für bestäubende Insekten bislang unterschätzt. Ihre Untersuchung gibt Hinweise darauf, dass es die von vielen verschiedenen Seiten bedrohten Tiere zusätzlich schwächen und so zum Insektensterben beitragen könnte.
Fehler gefunden?Jetzt melden.