Glückliche Karrierekinder
KinderwunschDie Eizellvorsorge im Eisschrank ermöglicht den Frauen eine selbst bestimmte Familienplanung. Von Matthias Meili Der Mensch, der der Natur ins Handwerk pfuscht, ist bei vielen Artgenossen ein beliebtes Feindbild. Am heftigsten zeigt sich die moralische Entrüstung, wenn es um Sex und Kinderkriegen geht. Während Kritiker in der modernen Fruchtbarkeitsmedizin nur die Gefahren sehen, kündet sich in deren Labors eine zweite sexuelle Revolution an. Sie wird einschneidendere Folgen haben als die Pille, welche die Sexualität der Frau von der Angst vor einer Schwangerschaft befreite. Fruchtbarkeitskliniken bieten heute Frauen die Möglichkeit an, die von der Natur unerbittlich begrenzte Zeitspanne der Fruchtbarkeit auszuweiten und den Zeitpunkt fürs Kinderkriegen selber zu bestimmen. Das Zauberwort heisst Eizellvorsorge: Einer jungen Frau werden ihre noch frischen Eizellen entnommen und eingefroren. Dank dem Verfahren der Vitrifikation – auch Schockgefrieren genannt – überstehen die wertvollen Keimzellen die dahinfliessenden Jahre schadlos im Eisschrank der Klinik (TA von gestern). Später, wenn die Frau ihren Karriereplan erfüllt hat – vielleicht sogar nach den Wechseljahren –, lässt sie die Eizellen auftauen, mit dem gewünschten Samen befruchten, und nach den neun üblichen Monaten Schwangerschaft ist das Babyglück fertig. Schwindende Kraft der Zellen Social Egg Freezing nennen die Fachleute den Vorgang – im Gegensatz zur Eikonservierung aus medizinischen Gründen, etwa bei Krebspatientinnen. Hier wird dasselbe Verfahren seit längerem angewendet, damit eine Frau, die sich einer schädigenden Chemotherapie unterziehen muss, auch nach der Behandlung noch Kinder kriegen kann. Befruchtungserfolg und Schwangerschaftsraten mit schockgefrorenen und wieder aufgetauten Eizellen sind mittlerweile gleich gut wie mit frischen Eizellen. Die wahr gewordene Vision des selbst bestimmten Kinderkriegens erschreckt viele, weil damit ein Vorgang, den man lieber stillschweigend der Natur überlassen würde, kühl geplant werden kann. Fruchtbarkeitsmediziner selber geben zu bedenken, dass diese Praxis den Trend zu späteren Geburten fördert. Schwangerschaften im höheren Alter sind bekanntlich mit höheren Risiken verbunden, Kardiologen befürchten offenbar bereits eine zunehmende Zahl von Herzinfarkten während der Schwangerschaft.Damit malen sie allerdings den Teufel an die Wand. Der weitaus wichtigste Faktor bei einer Schwangerschaft ist nicht das Alter der Frau, sondern das biologische Alter der Eizellen. Diese verlieren ab 35 massiv an Vitalität. Das Risiko für eine Fehlgeburt hängt zum grössten Teil von der Konstitution der Eizelle ab. Die Gebärmutter ist nicht das Problem. Mit frischen Eizellen kann auch eine ältere Frau ihre Leibesfrucht austragen, wenn sie medizinisch gut betreut wird. Es gibt keine guten Gründe, einer gut informierten Frau diese Möglichkeit zu verwehren, nur weil sie nicht an Krebs erkrankt ist. Denn eine erfolgreiche Karriere setzt auch heute noch den vollen Einsatz in einem 100-Prozent-Job voraus – Ausnahmen bestätigen die Regel. Trotz jahrelanger Bemühungen und grosser Reden sind Frauen diesbezüglich krass benachteiligt. Die Möglichkeit der Vitrifikation ist ein Schritt zur Emanzipation, der – nur weil er durch den technischen Fortschritt bedingt ist – nicht weniger nachhaltig und segensreich sein muss als andere Fortschritte. Die Frau wird Mutter, wenn sie bereit dazu ist und die nötigen Ressourcen hat. Was früher selbstverständlich war und mit einer klugen Heiratspolitik abgesichert wurde, gilt auch heute noch. Nur wird das Ziel mit anderen Mitteln zu erreichen versucht. Bleibt die Angst vor immer älteren Eltern: Ist es noch normal, wenn Kinder auf dem Spielplatz von Eltern geschaukelt werden, die ihre Grosseltern sein könnten? Auch das ist ein Popanz, der gesellschaftspolitisch längst überholt ist. Sind denn ältere Eltern unfähigere Eltern? Lieben sie ihre Kinder weniger? Sicher nicht. Und haben Kinder von derart selbstbewussten und wahrscheinlich auch reiferen Eltern schlechtere Startchancen in ihr Leben, als wenn sie in einer engen Dreizimmerwohnung aufwachsen und wenn die Mutter karrierebedingt erst noch dauernd abwesend ist? Wohl kaum.
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