
Wälä Huser, so wird der 62-Jährige in seinem Heimatkanton Glarus genannt, klingt wie ein SVP-Politiker, wenn er über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) redet. «Unbescholtene Leute werden schikaniert und drangsaliert», sagt er und redet von Behördenwillkür, Machtmissbrauch, von «einfachen Beamten», die in sensibelste Grundrechte eingreifen.
Er ist aber nicht SVP-Politiker, sondern früh pensionierter Redaktor, über 30 Jahre lang hat er bei Zeitungen gearbeitet, zuletzt beim «SonntagsBlick». In Glarus war er Oberrichter, Vormundschaftspräsident und Landrat der CSP, des linken Flügels der CVP.
Er habe sich immer als Linker verstanden, sagt Walter Hauser, sei von der Schule geflogen und habe das Militär abgebrochen. Er habe gegen Autoritäten und Willkür gekämpft. Nun kämpft er Seite an Seite mit SVP-Nationalrat Pirmin Schwander für die Entmachtung der Kesb. Im Frühling 2018 haben sie eine Initiative lanciert, in deren Komitee Hauser sitzt, die verlangt, dass bei Urteilsunfähigkeit einer Person die Familie zuständig ist.
«Wie ein Zweckverband»
«Am besten ist es, wenn die Familien ihre Probleme selber lösen», sagt Hauser. «Sobald sich jemand einmischt, gibt es doppelt Krach.» Dass die Kesb in vielen Fällen hilft und geschätzt wird, zählt in seinen Augen zu wenig, gemessen am Unrecht, das er wahrnimmt. Das heutige Kindes- und Erwachsenenschutzrecht sei die grösste Fehlkonstruktion im schweizerischen Gesetz. Keine andere Behörde habe derart weitreichende Kompetenzen, wo die Bürger in ihren Grundrechten so stark betroffen seien.
Den Einwand, dass die Kesb professionell aufgestellt ist im Gegensatz zur früheren Vormundschaftsbehörde, in der Bäcker und Garagisten in abendlichen Sitzungen über das Schicksal von Familien verfügten, kontert er: «Die Vormundschaftsbehörde war immerhin demokratisch legitimiert, die Mitglieder wurden gewählt. Die Kesb ist organisiert wie ein Kehrichtzweckverband. Sie ist eines Rechtsstaats unwürdig.»
Hauser hat sich hineingesteigert in seine Wut gegen die Behörde. Wenn er darüber spricht, ereifert er sich, wird laut und gestikuliert. Ohnehin ist er sehr unmittelbar und direkt. Auch freundlich und extrovertiert, aber auch volkstümlich, ohne Umschweife, ohne den Habitus des promovierten Juristen, der er ist.
Er ist so wütend, weil er selber schlechte Erfahrungen gemacht hat mit der Behörde – das heisst, eigentlich war es seine Frau. Vor einigen Jahren sind sie zusammen an den Walensee gezogen, er, die Frau und ihr Sohn aus einer früheren Ehe. «Es waren Streitigkeiten im üblichen Rahmen zwischen der Frau und ihrem Ex-Mann», sagt Hauser. Es ging um das Besuchsrecht. Eines Tages hätten Kesb-Beamte vor der Tür gestanden, auf eine Meldung des Vaters hin, später habe die Kesb entschieden, dass der Junge die Hälfte seiner Zeit beim Vater verbringen soll. Alternierende Obhut heisst das Modell, das eigentlich sinnvoll ist, wenn Eltern die Gleichstellung bei der Familienarbeit ernst nehmen.
«Ohne mich wäre meine Frau aufgeschmissen gewesen.»
«Nichts gegen die alternierende Obhut», sagt Hauser. Doch es wäre in ihrem Fall unmöglich gewesen, meint er, der Sohn hätte zwischen zwei Kantonen pendeln müssen, zwischen Weesen SG und Glarus. Zudem könnten sich die Eltern schlecht verständigen.
Doch nicht der materielle Entscheid hat ihn aufgeregt, sondern die Art und Weise. Wie da Beamte kommen, zu wenig qualifiziert für die Arbeit, wie Hauser findet, und entscheiden, zack, man habe keine Chance. Hauser bestritt für seine Frau den Prozess, der drei Jahre dauerte und an dessen Ende das St. Galler Obergericht der Mutter recht gab. «Ohne mich wäre sie aufgeschmissen gewesen, als Ausländerin sowieso», sagt er. Ohne vertiefte juristische Kenntnisse oder genügend Geld habe man keine Chance. Mittellose Betroffene erhalten zwar kostenlos Rechtsbeistand, doch Hauser lässt das nicht gelten: «Woher sollen die Leute das wissen?»
Der Fall Anna Göldi
Er werde mit aller Kraft für die Kesb-Initiative kämpfen, sagt Hauser. Die Sammelfrist endet im November. Es wäre nicht das erste Mal, dass Hauser sich in eine Sache verbeisst. Medienwirksam war sein Kampf für die Rehabilitierung von Anna Göldi, der Magd, die Ende des 18. Jahrhunderts in Glarus als vermeintliche Hexe enthauptet wurde. Der Regierungsrat befand es für unnötig und sinnlos, die Frau über 200 Jahre danach zu rehabilitieren, worauf Hauser sein Netzwerk mobilisierte und Medien in der ganzen Deutschschweiz über die unerbittliche Glarner Exekutive berichteten. Schliesslich fand die Rehabilitierung doch statt – auf Geheiss des Landrats. Hauser hatte gewonnen.
«Bis zur Verbissenheit»
Im Kanton gehen die Meinungen darüber auseinander – und auch Walter Hauser polarisiert. Seine Hartnäckigkeit habe sich so manches Mal gelohnt, sagt «Südostschweiz»-Redaktor Daniel Fischli. Doch manchmal sei Hauser hartnäckig bis zur Verbissenheit. «Und manchmal sind seine Ideen zu wenig durchdacht. Zum Beispiel auch diese Kesb-Initiative. Sie geht davon aus, dass die Familien, die anstelle der Kesb übernehmen sollen, funktionieren. Doch das tun sie in den allermeisten Fällen eben gerade nicht.»
Positiv wertet er Hausers Beitrag zur Kantonsgeschichte mit Werken wie «Bitterkeit und Tränen», welches das Leid der Auswanderer im 19. Jahrhundert beschreibt und den Helden-mythos vom mutigen und abenteuerlustigen Glarner Auswanderer entlarvt. «Für das Selbstbild des Kantons ist dieses Buch zentral», sagt Fischli. In einem anderen Buch, «Im Zweifel gegen die Frau», zeigte Hauser auf, wie Frauen in Strafprozessen härter beurteilt wurden als Männer.
Er kämpfe gegen Behörden- und Justizwillkür, sagt Hauser. Deshalb habe er die Anna-Göldi-Stiftung gegründet, die sich für Opfer von Willkür einsetzt. Auch im Stiftungsrat gebe es manchmal Streit, sagt Res Schlittler, der seit langem mit Hauser zusammenarbeitet, der manchmal an ihm verzweifelt und ihn dann wieder bewundert dafür, wie er die Kurve kriegt, sich mit den Leuten wieder gutstellt.
Irgendwie habe er immer die Kurve gekriegt, sagt Hauser. Auch damals in der Schule, als es ausgesehen hat, als würde der Arztsohn aus Näfels nichts mehr auf die Reihe kriegen. Da haben sie sich getäuscht.
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