Schweizer ist Favorit beim ESCGjon Muharremaj wird noch besser sein als Luca Hänni
Bei den Wettbüros ist der Schweizer Beitrag für den diesjährigen ESC ganz vorn dabei. Wie der junge Musiker dem grossen Druck standhalten will.

Dieses Jahr wird die Schweiz am Eurovision Song Contest wieder etwas reissen, so viel steht fest. Beziehungsweise Gjon Muharremaj wird. Unter seinem Künstlernamen Gjon’s Tears und mit der Ballade «Tout l’univers» tritt er als Schweizer Kandidat an.
Der 22-Jährige aus Broc FR gilt aktuell mit seinem Song bei den Wettbüros als grosser Favorit auf den Sieg – und liefert sich zusammen mit der 18-jährigen Destiny Chukunyere aus Malta bei den Quoten ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz eins. Direkt nach Veröffentlichung seines Songs am 10. März wurden zeitweise 57 Prozent aller neuen Siegwetten auf den Schweizer gemacht.
Dass Muharremaj sein Halbfinale gewinnen wird, scheint nach aktuellen Prognosen jedenfalls höchstwahrscheinlich, sein Wettvorsprung auf die Konkurrenz ist deutlich. Auf der grössten ESC-Plattform Wiwibloggs heisst es: «Die Alpennation wird kein Problem haben, zum zweiten Mal in Folge ins Finale zu kommen.» Zur Erinnerung: Siebenmal verpasste die Schweiz in den vergangenen zehn Austragungen den Einzug ins Finale.

Wenn es beim ESC eine Gewissheit gibt, dann die, dass sich die Prognosen der Wettbüros oft bewahrheiten. Zumindest für die vordersten Ränge gelten sie als valide Temperaturmesser – und dort zählt es ja.
Auch Luca Hänni war 2019 bei den Buchmachern hoch im Kurs und ging von Quotenrang 3 ins Rennen. Hänni wurde starker Vierter und beendete eine lange Durststrecke für die Schweizer Delegation. Für 2021 sieht es nun noch besser aus. Die Umstellung auf ein neues Auswahlverfahren, das 2019 eingeführt wurde, scheint sich auszuzahlen.

Vor seiner Berufung zum Eurovision-Gesandten war Gjon’s Tears in der Schweiz nur wenigen bekannt. Die Verantwortlichen der Schweizer Delegation haben mit der Besetzung aber ein sehr gutes Händchen bewiesen: Schon mit seinem 2020er-Song «Répondez-moi» hatte Muharremaj zu den beliebtesten Kandidaten gehört. Weil der Wettbewerb im vergangenen Jahr aber schliesslich abgesagt wurde, kommt Gjon’s Tears erst jetzt zum Zug, mit dem neuen Song «Tout l’univers».
Mit der Powerballade gibt Gjon’s Tears den ESC-Fans genau das, womit er sie schon letztes Jahr gepackt hatte: Sie beginnt intim, nur mit Stimme und Piano, und wächst Stück für Stück zu einem gefühlvollen Songriesen heran.
Im Zentrum steht der Gesang von Muharremaj. Der Freiburger singt mehrheitlich in Kopfstimme, hoch und kräftig, wie es ihm so schnell keiner nachmacht. Das ist eindringlich in den Strophen – und gewaltig in den Refrains. Nach 2:30 Minuten zerschmettert Muharremaj mit einem ganz hohen Ton eine kurze Stille; man hört es schon Points for Switzerland regnen.
Dass Gjon Muharremaj eine grosse Begabung und genauso viel Ehrgeiz hat, war früh klar: Mit 12 Jahren nahm er bei «Albania’s Got Talent» teil und wurde Dritter (Gjons Eltern stammen aus Albanien und Kosovo). Auch bei «Die grössten Schweizer Talente» und der französischen Ausgabe von «The Voice» riss der Romand sein Publikum mit und erntete Standing Ovations. Seit kurzem hat Muharremaj ein Management in Frankreich. Auf Instagram heisst es zur Begrüssung: «Habt ihr seine Stimme gehört? Der Wahnsinn.»
Gjon’s Tears wird live auch auf der ESC-Bühne abliefern. Sein Talent, seine Stimmbeherrschung und seine Lust auf Rampenlicht sind auch über die kleinen Youtube-Fenster deutlich zu spüren, wenn man sich Videos von seinen bisherigen Auftritten ansieht. 2012 sagte er bei «Die grössten Schweizer Talente»: «Ich mag Wettbewerbe.»
Kurz vor dem Auftritt wird Muharremaj noch ein paar Minuten meditieren.
Bei SRF ist man über die guten Prognosen für «Tout l’univers» erfreut, übt aber Zurückhaltung. Bei Gjon’s Tears stimme das Gesamtpaket, sagt Reto Peritz, Delegationsleiter ESC und Abteilungsleiter Unterhaltung. «Er hat eine Stimme, die unter die Haut geht, und einen intensiven Song, der beim Publikum gut ankommt.» Die vergangenen Jahre hätten aber gezeigt, dass die Produktionswoche mit den Proben im Mai nochmals «viel Bewegung bei den Wettbüros» mit sich bringen könne.
Und Gjon Muharremaj selbst? Er habe viel Druck gespürt, bevor der Song veröffentlicht wurde. «Ich musste extra hart arbeiten, um noch einmal so ein gutes Lied wie ‹Répondez-moi› zu schaffen.» Jetzt ist er erst mal erleichtert, dass «Tout l’univers» so gut aufgenommen wird.
Bis zu seinem Halbfinal-Auftritt am 20. Mai wird Muharremaj noch viel üben: das Singen, den Text, die Performance, die er mit derselben Choreografin ausarbeitet, mit der schon Luca Hänni erfolgreich war. Alles soll sitzen. Kurz vor dem Auftritt wird Muharremaj dann noch ein paar Minuten meditieren. «Ich tauche in schöne Erinnerungen ab.» Das sei seine Energiequelle. Kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
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