500’000 Franken BudgetGesucht: Moderne Kunst für den Giebel des Bundeshauses
Das Giebeldreieck über dem Haupteingang des Bundeshauses soll mit einem zeitgenössischen Kunstwerk verziert werden. Welche Kunstschaffenden sind im Rennen für den Auftrag – und was ist überhaupt möglich?

Stellen Sie sich vor, ein zerquetschtes Auto der Genfer Künstlerin Silvie Fleury klebt auf dem Giebeldreieck der Bundeshausfassade. Es könnten auch ein paar rosarote Kringel der Baslerin Renée Levy das Rennen machen und so dem Parlamentsgebäude etwas mehr Frohsinn verpassen. Möglicherweise entscheidet sich die Jury, die ein modernes Kunstwerk für die Bundeshausfassade sucht, auch für eine Familienskulptur von Mai-Thu Perret, einer in Genf wohnhaften Künstlerin.
Selbst das Foto einer leeren Google-Seite, wie sie die Baslerin Hannah Weinberger dem nun abgewählten Regierungsrat Baschi Dürr 2014 ins Büro hängen durfte, könnte man sich an der Berner Fassade als medienkritische Staatskunst vorstellen.
Bildstrecke: Von Fleury bis Rütimann – fünf Ideen für das Tympanon
Bei unserer kurzen Recherche sind wir schliesslich auf eine Fotografie des Zürcher Künstlers Christoph Rütimann gestossen: Er sitzt da ganz allein auf einem Stuhl, den er auf die Spitze eines Daches platziert hat. Warum nicht einen einsamen Denker oder Seher unter die Bundeshauskuppel platzieren?
«Doch scheint uns, müsste dann das Tympanon frei bleiben, denn darin liegt ja die Wirkung des Giebels: der freien Denkerstirne, die ins Weite schaut.»
Mit dem Denker käme man der Idee von Hans Wilhelm Auer, dem Architekten des 1902 eingeweihten Bundeshauses, ziemlich nah: Er liess nämlich das Tympanon, wie das oft reich geschmückte Giebelfeld in der Architektur bezeichnet wird, ganz einfach leer und meinte dazu schon 1885: «… doch scheint uns, müsste dann das Tympanon frei bleiben, denn darin liegt ja die Wirkung des Giebels: in dem Dreieck zwischen den ansteigenden Dachlinien und dem horizontalen Gesims – der freien Denkerstirne, die ins Weite schaut.»
Die Vorstellung von einer freien Denkerstirn, insbesondere auch bei einem Gebäude, macht jedenfalls Sinn: Im Bundeshaus drinnen wird gedacht, abgewogen, debattiert und entschieden. Diesen Entscheidungen wollte der Architekt keine Richtung oder Bestimmung vorgeben. Keine auch nur irgendwie geartete Allegorie sollte das Denken und Entscheiden einengen.
Und wenn man bedenkt, wie reich gegliedert die klassizistische Fassade des schweizerischen Parlamentsgebäudes in Bern ohnehin schon ist, wirkt die Leere der aktuellen Denkerstirn doppelt wohltuend.
15 Künstler und Künstlerinnen wurden eingeladen
Das soll sich nun aber ändern. Die Kunstkommission der Parlamentsgebäude unter dem Vorsitz des Berner Kunstkritikers Hans Rudolf Reust hat zur Verzierung des prominent platzierten Dreiecks an der Nordfassade des Bundeshauses aufgerufen.
Am Wettbewerb nehmen 15 geladene Künstlerinnen und Künstler teil, wie letzte Woche bekannt wurde. Zur Verfügung stehen 100’000 Franken – die Realisierung darf dann nochmals 400’000 kosten.
Die Wettbewerbsjury steht unter der Leitung des Ständerats Thomas Hefti (FDP, Glarus). Sie wird noch in diesem Jahr eine Siegerin, einen Sieger küren.
Das Siegerprojekt soll im Jahre 2023 unter dem Giebel platziert werden und dem altehrwürdigen Gebäude einen zeitgemässen Akzent verleihen. Dann will die Eidgenossenschaft nämlich das 175-Jahr-Jubiläum der 1848 gegründeten modernen Schweiz feiern.
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