Gestutzte Seele, beflügeltes Gehirn
Die Neurowissenschaften stellen das Erleben mit visualisierten Hirnaktivitäten dar. Ihr enormer Erfolg hat den Boden dafür bereitet, die Seele mit dem Gehirn kurzzuschliessen.

Lange verpönt und ins mittelalterliche Dunkel verbannt, wird der Seelenbegriff wieder populär. So erscheint die «Seele» neuerdings nicht nur auf den Titelseiten viel gelesener Magazine (wie kürzlich beim «Stern»), sondern auch in Buchtiteln bekannter Naturwissenschaftler. Als Beispiele seien angeführt: «Biologie für die Seele» von Florian Holsboer oder «Der Bauplan der Seele» von Dietrich Dörner. Hier geht es allerdings nicht darum, der Seele neue Aufmerksamkeit zu schenken, sondern darum, den Nimbus des alten Seelenbegriffs auf das Gehirn zu übertragen. Das Seelische wird als Hirnprozess erklärt. Metaphorisch gesprochen werden die Flügel, die einst die Seelenbilder (wie Schmetterling, Taube oder Seelenvogel) ausgezeichnet haben, auf das Gehirn übertragen. Der Seele werden ihre Flügel gestutzt, während das Gehirn beflügelt wird.