Geschichten von Kains Kindern
Katja Petrowskaja gewann den Ingeborg-Bachmann-Preis 2013 mit einem Auszug aus «Vielleicht Esther». Das fertige Buch ein Debüt zu nennen, widerspricht seiner Reife.
Wo fängt die eigene Familiengeschichte an, wo hört sie auf? Welche Verantwortung hat man dafür, welche Rechte daran? Katja Petrowskajas dokuliterarische Herkunftsforschung «Vielleicht Esther» ist ein Buch über die Wege des Überlebens und Sterbens einer jüdischen Familie im 20. Jahrhundert. Je länger es nachklingt, desto mehr wird es auch ein Buch des leisen Zweifels an sich selbst. Es stellt sich nicht infrage, aber es gibt den Unsicherheiten Raum.
Die feine Machart, mit Setzungen zu arbeiten, ohne sie zu Behauptungen werden zu lassen, schafft Nähe statt Unsicherheit. Die titelgebende Geschichte zeigt das am eindrücklichsten: Es ist der Versuch, den Tod der Urgrossmutter zu rekonstruieren. «Ich glaube, sie hiess Esther, sagte mein Vater. Ja, vielleicht Esther.» Weil er sie immer «Babuschka» genannt hat, weiss er es nicht so genau.