Genug von den Demütigungen
Bastian Schweinsteiger hätte Manchester United prägen sollen. Stattdessen demontierte ihn Trainer José Mourinho über Monate. Nun ist er weg.
Dieser Abend im November ist eine Zäsur. Es läuft die 86. Minute im Spiel zwischen Manchester United und West Ham. Die Roten Teufel führen 3:1. Alles bestens. Dann erheben sich die Fans im Stadion plötzlich aus ihren Sitzen. Stehende Ovationen. Nicht etwa wegen des erfreulichen Verlaufs des Abends, sondern weil die Anhänger sehen, dass sie endlich wieder einmal grün aufleuchtet: die Nummer 31.
Sie gehört Bastian Schweinsteiger, dem Deutschen, den Manchester im Sommer 2015 von den Bayern erstanden und als neues Herz im Mittelfeld angedacht hatte. Gegen West Ham kommt Schweinsteiger zu einem Kurzeinsatz, seinem ersten nach 255 Tagen. Das Herz der Roten Teufel wurde er nie. Die Transplantation misslang.
Es sagt viel über das Standing des 32-Jährigen aus, dass nach dem Spiel trotz des Einzugs in den League-Cup-Halbfinal alle nur von ihm reden. Ob Fans oder Mitspieler. Schweinsteiger ist anerkannt. Obwohl er seit Monaten vor allem eines erdulden muss: Demütigungen.
Treffen beim Italiener
Nach einer durchzogenen ersten Saison, welche Schweinsteiger wegen Verletzungen zur Hälfte verpasst hatte, kam der launische José Mourinho, um den Erfolg ins Old Trafford zurückzubringen. Der portugiesische Trainer meinte, Schweinsteiger nicht zu benötigen. Er musterte den Deutschen aus und eröffnete ihm, dass er in Manchester keine Zukunft habe. Die Fehde eskalierte nur nicht, weil der Deutsche stets besonnen blieb. Er schrieb einmal auf seiner Facebook-Seite, dass er bereit sein werde, wenn die Mannschaft ihn brauche. Mehr nicht. Er wetterte nie, trainierte nur.
Auch deshalb ist die Hoffnung an diesem Abend im November nicht unbegründet, dass Schweinsteiger es doch noch werden könnte: ein Pfeiler der United. Bald wird klar: Er wird es nicht. 130 Minuten bestreitet er im neuen Jahr noch. Sonst das übliche Programm: zuschauen. Mal von der Bank, mal von der Tribüne. Es sind Mourinhos letzte Demütigungen. Schweinsteiger geht. Dorthin, wo sich viele Fussballveteranen noch einmal gebraucht fühlen: in die Major League Soccer. In Chicago soll Schweinsteiger nun das Mittelfeld orchestrieren – oder eben das neue Herz der Mannschaft sein.
«Vieles wird neu für ihn sein: die Liga, der Trainerstab, das Umfeld. Wir wissen, dass er noch ein wenig Zeit zur Akklimatisierung benötigen wird», sagt Chicagos Trainer Veljko Paunovic der «Chicago Tribune». Er war es, der vergangenen November schon mit Schweinsteiger in einem italienischen Restaurant in Manchester gesichtet worden war. Während des Treffens hätten beide Parteien bemerkt, wie sehr man sich gegenseitig helfen könnte, erzählt Paunovic. Sie seien gar so sehr im Gespräch vertieft gewesen, dass er beinahe seinen Rückflug verpasst hätte. So weit kam es nicht. Paunovic flog jedoch allein.
Chicago – ein Team ohne Erfolg
Erst vier Monate später folgt ihm Schweinsteiger nach Chicago, wo der Deutsche einen Einjahresvertrag unterschreibt, der ihm 4,5 Millionen US-Dollar einbringen soll. Damit wird er einer der zehn bestbezahlten Spieler der Liga. Der Medizincheck und ein Visum trennen ihn nur noch davon. In seiner Karriere habe er immer versucht, seinem Team dabei zu helfen, etwas Grossartiges zu erreichen, sagt Schweinsteiger.
Nur muss man in Chicago erst noch definieren, was denn grossartig wäre. Der Club belegte in den letzten beiden Jahren stets den letzten Platz der Eastern Conference. 2009 wurde das Playoff letztmals erreicht. «Wir müssen uns einem höheren Standard verpflichten», findet Chicagos Sportdirektor Nelson Rodriguez. Wie realistisch das ist, ist fraglich. Schweinsteiger jedenfalls wird bald wieder das machen können, was eigentlich sein Anspruch ist: ein Team prägen.
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