Genf im Fokus der Amerikaner
Geschäftsmann Philippe Glatz wird in einem New Yorker Prozess als Strohmann beschrieben.

Nehmen US-Anwälte bald den Finanzplatz Genf und die Schweizer Bundesanwaltschaft ins Visier? Diese Frage stellt sich aufgrund einer Anklageschrift gegen den Kasachen Viktor Khrapunov und dessen Sohn Ilyas, denen die Amerikaner versuchen, Geldwäscherei zur Last zu legen. Viktor Khrapunov lebt seit 2007 in Genf im Exil. Die Khrapunovs sind Teil eines Streits, der in den Medien seit Jahren immer wieder als Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Clans aus Kasachstan charakterisiert wird.
Die letztes Jahr in New York angeklagten Khrapunovs, Vater und Sohn, denen gegenüber die Unschuldsvermutung gilt, bezeichnen sich selbst als Opfer einer Rachekampagne durch keinen Geringeren als Nursultan Nasarbajew, dem Präsidenten Kasachstans. Aus unbeteiligter Schweizer Sicht von besonderem Interesse erscheint der Umstand, dass bei einem derzeit in New York angestrengten Geldwäscherei-Prozess ein bekannter Genfer Geschäftsmann und Ex-CVP-Politiker prominent in der Anklageschrift auftaucht. Dessen Name: Philippe Glatz.
Glatz, früher Genfer CVP-Präsident und Kantonsparlamentarier, soll gemäss Anklageschrift eine zentrale Rolle als Strohmann Khrapunovs übernommen haben. Glatz soll mitgeholfen haben, illegal aus Kasachstan überwiesene Gelder vor den Behörden zu verstecken, von der Schweiz ins Ausland zu transferieren und unter anderem in New York in Immobilien investiert zu haben. Hinter der Anklageschrift steht mit Matthew L. Schwartz übrigens einer der renommiertesten und teuersten New Yorker Anwälte.
Klägervertreter Schwartz kämpft vor dem New Yorker Gericht für die BTA Bank JSC, dem drittgrössten Kreditinstitut Kasachstans, sowie für die Stadt Almaty, die grösste Metropole von Kasachstan. Die Stadt Almaty bezichtigt Viktor Khrapunov, während dessen Amtszeit als dortiger Bürgermeister mehrere Hundert Millionen Dollar in die eigenen Taschen gesteckt und unter anderem in die Schweiz transferiert zu haben.
Eine Scheintransaktion?
Die New Yorker Anklageschrift, mit der die Khrapunovs in die Knie gezwungen werden sollen, liest sich wie ein Kriminalroman. Sie liegt der Basler Zeitung vor.
Demnach soll eine Ablyazov-Khrapunov-Gruppe angesichts wachsenden Behördendrucks sowie wegen eines Gerichtsverfahrens in Grossbritannien versucht haben, Schwarzgeld über eine Schweizer Immobilienfirma von Philippe Glatz in den vermeintlich sicheren Hafen USA zu bringen. Dort habe man sich sicher geglaubt vor der Strafverfolgung der kasachischen Widersacher. Zur Geldwäsche habe die Gruppe ihre Immobilienfirma in der Schweiz genutzt, die SDG heisst, sowie die «Telford International Limited», eine in Dubai ansässige Privatfirma, die ebenfalls von Mukhtar Ablyazov und Viktor Khrapunov kontrolliert werde.
In der Anklageschrift steht weiter: «Um den Eindruck zu erwecken, dass SDG unabhängig von der Ablyazov-Khrapunov-Gruppe operiert, ist 2012 die Immobilienfirma SDG an einen engen Freund und politischen Verbündeten der Ablyazov-Khrapunov-Gruppe verkauft worden, Philippe Glatz.»
Dieser Verkauf sei in Tat und Wahrheit aber eine Scheintransaktion gewesen, heisst es weiter. Tatsächlich sei auch nach dem Verkauf die SDG im Eigentum der Ablyazov-Khrapunov-Gruppe geblieben. Diese habe nach wie vor die Kontrolle über die SDG gehabt. Die Anklage wirft den kasachischen Verkäufern vor, Philippe Glatz den Kauf von SDG aus eigenen Mitteln finanziert zu haben. Glatz habe mit dem Hin-und-Herschieben von Krediten die Immobilienfirma SDG unter dem Strich «umsonst» erhalten.
3,5 Millionen Dollar in bar
Um die Menge an Bargeld zu reduzieren, die benötigt worden sei, um den Scheinverkauf zu vollziehen, habe Ilyas Khrapunov seinem Genfer Kollegen Philippe Glatz die Firma SDG zu einem «unglaublich ermässigten Preis» angeboten, heisst es in der Anklageschrift weiter. Obwohl die in der SDG enthaltenen Immobilien einen Wert von 150 Millionen Dollar gehabt hätten, habe Glatz der Familie Khrapunov für den Erwerb der Firma SDG lediglich 3,5 Millionen Dollar in bar übertragen. Das entspricht etwa zwei Prozent des Vermögenswerts der Firma.
Um den Rabatt gegen aussen zu rechtfertigen, habe Ilyas Khrapunov seine faktische Kontrolle über die SDG genutzt, um angebliche Schulden und Verbindlichkeiten in Millionenhöhe falsch zu verbuchen. Als externer Berater habe Ilyas Khrapunov das Immobilien-Vehikel SDG kontrolliert und von ihr profitiert.
Die Anklageschrift beinhaltet noch eine Vielzahl weiterer Punkte, die internationale Firmengeflechte betreffen und auch den Vorwurf bezahlter Hacker, die sich zwecks Informationsbeschaffung für die Khrapunovs illegal Zugang zu Datenbanken verschafft haben sollen. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung.
Obwohl das Urteil des New Yorker Gerichts noch aussteht, stellt sich angesichts US-amerikanischer Justizpraxis die Frage, wie weit die Schweiz und der Finanzplatz Genf künftig ins Visier interessengesteuerter, ausländischer Druckversuche geraten könnte. Die Genfer Staatsanwaltschaft hat zwar 2012 ein formelles Verfahren gegen Khrapunov eröffnet. Dieses bleibt seither aber ergebnisoffen. Und die Bundesanwaltschaft, die für komplexe Geldwäschereifälle mit internationalem Bezug zuständig wäre, hält sich bis heute aus der Sache heraus.
Sollten die Khrapunovs tatsächlich unschuldig sein, verdiente dies angesichts massivster Vorwürfe aus Kasachstan einer Klärung durch eine unabhängige Schweizer Behörde. Dasselbe gilt beim Vorliegen krimineller Machenschaften. Nichts tun und die Strafverfolgung auf das Senioren-Generalabonnement eines Baselbieter Ex-Nationalrats zu beschränken, könnte sich für Bundesanwalt Michael Lauber und den Finanzplatz Genf als Bumerang erweisen.
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