Genesung Timoschenkos ist ungewiss
Seit anfangs Mai wird die Oppositionspolitikerin von deutschen Ärzten behandelt. Der Erfolg der Therapie sei allerdings durch die Bedingungen im ukrainischen Krankenhaus ernsthaft gefährdet.

Der Gesundheitszustand der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko habe sich zwar gebessert, sagte der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, am Dienstag in Berlin. Eine vollständige Genesung der 51-Jährigen sei aber ungewiss.
Ob unter den gegebenen Umständen eine Heilung erreicht werden könne, sei unklar. Ein Team der Charité behandelt die Politikerin, die den Angaben zufolge an einem Bandscheibenvorfall leidet und sich derzeit in einem Krankenhaus in Charkiw im Osten des Fussball-EM-Gastgeberlandes befindet.
Timoschenko fordert Hausarrest
Seine Patientin habe zwei Wünsche geäussert: Zum einen würde sie gerne nach Kiew verlegt werden, zum anderen würde sie gerne unter Hausarrest gestellt werden, statt im Gefängnis einzusitzen, berichtete Einhäupl. Inwieweit die ukrainischen Behörden bereit seien, diese Wünsche zu erfüllen, sei derzeit nicht einzuschätzen.
Timoschenko habe weniger Schmerzen als früher und könne inzwischen mehrere Stunden am Tag aufstehen, sagte der Charité-Chef. Angewendet werde eine sogenannte passive Therapie, berichtete Oberärztin Anett Reisshauer: Wärmezufuhr, Massage, Elektrotherapie. Auch mit leichter Krankengymnasitk sei begonnen worden. Reisshauer hatte die Politikerin im Mai betreut, derzeit befindet sich wieder der Neurologe Lutz Harms in Charkiw. Es sei noch nicht absehbar, inwieweit eine vollständige Besserung ohne operative Intervention möglich sei, teilte die Charité mit.
Überall Videokameras und Wachpersonal
Ein grosses Problem bleibt nach den Ausführungen von Einhäupl die ständige Überwachung, die den Aufbau eines vertrauensvollen Arzt-Patient-Verhältnis erschwere. «Wir sind nie allein mit ihr.» Timoschenko teile das Krankenzimmer mit einer anderen Patientin, «von der sie nicht weiss, welche Funktion sie hat». Überall seien Videokameras installiert, Wachpersonal sei anwesend.
Bei der Visite würden die Kameras mittlerweile abgeklebt, berichtete der Charité-Chef. Timoschenko habe aber die Befürchtung geäussert, dass andere, versteckte Kameras im Raum installiert sein könnten. Sie lehne Untersuchungen ab, die einen «diskreten Rahmen» erforderten, wolle sich beispielsweise bei einer Untersuchung nicht entkleiden, da sie Angst habe, es könnten heimlich Aufnahmen von ihr gemacht und veröffentlicht werden. Auch lasse sie sich kein Blut abnehmen aus Angst vor einer Infektion.
Abgeklebte Fenster, kaum Tageslicht
Medikamente würden von den Ärzten aus Deutschland mitgebracht und auch entsprechend gekennzeichnet, sagte Einhäupl weiter. Timoschenkos Misstrauen gegenüber ukrainischen Ärzten, die für staatliche Einrichtungen arbeiteten, sei gross. «Es sind nicht unbedingt unsere Ängste», betonte der Mediziner, aber es sei nachvollziehbar, dass Timoschenko solche Ängste entwickelt habe.
Inzwischen dürfe sich die 51-Jährige 15 bis 20 Minuten täglich in einem Raum aufhalten, in den Tageslicht gelange. Die Fenster ihres Krankenzimmers im neunten Stock des staatlichen Krankenhauses in Charkiw seien abgeklebt, sie habe keinen Blick nach draussen. Wegen des Osteoporose-Risikos erhalte sie deshalb auch Vitamin-D-Präparate.
Timoschenko, frühere Ministerpräsidentin der Ukraine, war im Herbst 2011 wegen Amtsmissbrauchs zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Einhäupl appellierte erneut an die ukrainischen Behörden, sie zur medizinischen Behandlung nach Deutschland ausreisen zu lassen. Er sehe in dem osteuropäischen Land allerdings keine entsprechenden Tendenzen, betonte er.
Umstrittenes Sprachengesetz nimmt weitere Hürde
Amnesty International (AI) und Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisierten unterdessen Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine. Folter und Amtsmissbrauch durch die Polizei treffe viele Ukrainer, nicht nur Timoschenko, betonte AI-Generalsekretär Wolfgang Grenz. ROG beklagte die Arbeitsbedingungen für Journalisten.
In Kiew billigte, begleitet von Protesten, das ukrainische Parlament in erster Lesung ein umstrittenes Gesetz zur Einführung von Russisch als zweite Amtssprache.
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