Baselbieter Sozialamt stellt UltimatumGemeinden müssen 720 zusätzliche Plätze für Flüchtlinge bereitstellen
Die Region wappnet sich für die Flüchtlingswelle. Auch Private bieten Hilfe an – etwa, indem sie ukrainischen Flüchtlingen ein Zimmer anbieten.

Die nahenden Flüchtlingsströme stellen die Behörden vor logistische Herausforderungen. Es muss schnell gehen. Das kantonale Sozialamt hat die Baselbieter Gemeinden gemäss Recherchen dieser Zeitung angemahnt, Unterkünfte für die Flüchtlinge zu suchen. Bis März sollen sie der Forderung nachkommen, 1,4 Prozent ihres Wohnraums für Asylsuchende bereitzustellen. Derzeit liegt die Quote im Baselbiet bei 1,15 Prozent – es fehlen demnach rund 720 Plätze. Besonders in der Pflicht steht das Oberbaselbiet. Im Bezirk Sissach fehlen über 250 Betten, allein in der 2000-Seelen-Gemeinde Ormalingen gemäss jüngster Erhebung 39.
Der Baselbieter Asylkoordinator Rolf Rossi will den Gemeinden den Zeitdruck etwas nehmen. Er ist deshalb auf der Suche nach einem Ort, wo die ukrainischen Flüchtlinge vorübergehend untergebracht werden. Die Chancen stünden gut, dass es demnächst mit einer Gemeinde zu einer Einigung komme, sagt er. Im Fokus stünden weder das heutige Impfzentrum Feldreben in Muttenz noch die Schiessanlage Lachmatt in Pratteln, die einst als Asylzentrum dienten. Feldreben ist bis im Sommer besetzt und für die Unterbringung von Menschen zu marode, der Bunker in der Lachmatt ist unter Tage. «Wir sind auf der Suche nach einer oberirdischen Unterkunft, weil wir damit rechnen, dass vor allem Familien mit Kindern kommen werden», sagt Rossi. Die Unterbringung in einer Zivilschutzanlage wäre diesen nicht zuzumuten.
Auch Basel-Stadt bereitet sich auf eine starke Zunahme der Flüchtlingszahlen vor. Asylkoordinatorin Renata Gäumann sagt: «In den nächsten Tagen können 30 Flüchtlinge in die kantonalen Unterbringungsstrukturen aufgenommen werden.» Mittelfristig könnten weitere rund 200 Plätze freigemacht und im Notfall Zivilschutzanlagen in Betrieb genommen werden.
332 Basler bieten ein Zimmer an
Ob das reicht, ist ungewiss. Die Behörden werden deshalb erleichtert zur Kenntnis nehmen, dass derzeit viele Private Hand bieten. Barbara Piatti ist eine der 332 Personen in beiden Basel, die ihr Zuhause auf der Kampagnenplattform Campax als temporäre Bleibe für Flüchtlinge aus der Ukraine anbieten. Schweizweit haben sich allein auf dieser Plattform 5114 Haushalte registriert, um den Ankömmlingen ein Dach über dem Kopf zu geben.
Würden Flüchtende derzeit in Basel eintreffen, stünden ihnen 788 Betten zur Verfügung. Ob die Inserate auf Schweizer Plattformen wie Campax Unterkunftssuchende tatsächlich erreichen, ist noch unklar. Weil Piatti mehrere Bekannte mit Kontakten in die Ukraine hat, erhofft sie sich eine möglichst grosse Reichweite. Bisher hat sie noch keine Reaktion auf ihr Hilfsangebot erhalten.
Piatti lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen im Alter von sieben und elf Jahren in einer Stadtwohnung in Basel. Mit den Worten «Stellt euch vor, ihr müsst euren Rucksack packen und unser Zuhause verlassen» haben sie und ihr Mann versucht, den Kindern die Situation zahlreicher Menschen in der Ukraine näherzubringen. Die Brüder hätten sich rasch bereit erklärt, sich ein Zimmer zu teilen, sollte sich jemand auf das Inserat melden. «Wir können ein Kinderzimmer mit zwei Schlafplätzen freimachen; für ein weiteres Kind könnten wir eine Matratze organisieren», lautet das Angebot.
Unterbringung soll kein Dauerzustand sein
«Zurzeit ist noch alles komplett offen – wir haben unser Inserat nicht zeitlich begrenzt», sagt Piatti und fügt hinzu: «Natürlich ist es eine Übergangslösung und kein Dauerzustand.» Sie und ihr Mann seien aber gern bereit, bei Bedarf eine geeignete Anschlusslösung zu suchen und beim Austausch mit den Behörden Unterstützung zu bieten. In einer solchen Situation seien vorerst eine Unterkunft, ein Bett, Kleidung und Essen das Wichtigste. Sei dieser Grundbedarf gedeckt, brauche es unter anderem auch weitere Güter des täglichen Bedarfs, Internetzugang und eine gewisse Struktur – oder «die wichtigsten Tipps und Tricks im Schweizer Alltag», wie sie Piatti nennt. Erst dadurch sei es überhaupt möglich, sich in einer völlig neuen Umgebung zurechtzufinden.
Eine andere Inserentin aus Basel schreibt auf Anfrage: «Mein Angebot umfasst lediglich eine zeitlich befristete, kostenlose Unterkunft, jedoch keine moralische, medizinische und lebenspraktische Begleitung.» Sie versteht eine Unterkunft als einen «Puzzlestein des – hoffentlich weit umfassenderen – Erste-Hilfe-Angebots» und hofft für die weiteren Puzzlesteine auf Bund und Kantone.
Derzeit werden auf zahlreichen Onlineplattformen Unterkünfte angeboten. Die Internetforen Ronorp und Campax spannen deshalb zur besseren Koordination zusammen. So bittet Ronorp darum, Inserate der Rubrik «Unterschlupf für Ukraine» künftig via Campax zu erfassen. Neben diesen schweizweiten Plattformen bestehen auch internationale Anbieter wie Shelter4ua.com. Zudem möchte der international bekannte Wohnungsvermittler Airbnb bei der Unterbringung von Flüchtenden helfen. So twitterte Airbnb-CEO Brian Chesky kürzlich, man wolle bis zu 100’000 ukrainischen Flüchtlingen eine kostenlose Unterkunft bereitstellen.
Nicht nur in Basel herrscht angesichts des brutalen Kriegs eine Willkommenskultur, wie sie Flüchtlinge nur selten erfahren dürfen. Immerhin.
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