Geldprobleme als Chance
Die angespannte Finanzlage von GC Amicitia Zürich hat auch ihre positive Seite: Die Nachwuchstalente kommen früher als erwartet zu Einsätzen im NLA-Team.
Von Kai Müller Die Spitze der Pyramide hat Risse bekommen. Sie bröckelt regelrecht. Denn die Lage von GC Amicitia ist prekär: Geldquellen sind versiegt, Führungsspieler mussten den NLA-Verein aus Spargründen verlassen, in der Kasse klafft ein Loch von rund 200 000 Franken (TA vom 8. 12.). Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass Stefan Laszlo, Geschäftsführer der Nachwuchsabteilung (vor der Fusion GAN Foxes) und der Handballsektion von GC Amicitia sagt: «Zum Glück gibt es bei GC die Vorschrift, den Profibetrieb auszugliedern.» Das heisst, die Finanzprobleme beschränken sich auf die beiden Nationalliga-Mannschaften, alle anderen Bereiche des Vereins sind nicht betroffen. So paradox es auf den ersten Blick klingen mag, Laszlo sieht in der aktuellen Situation nicht nur Nachteile. «Wir betrachten die Situation mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Für den Nachwuchs kann das Ganze durchaus positive Auswirkungen haben», sagt er und rechnet vor: «Wir haben 35 Sportschüler, die ihr Leben auf eine Handball-Karriere ausgerichtet haben. Sie alle wollen irgendwann NLA spielen.» Durch die jüngsten Entwicklungen erhalten einige schon früher als erwartet die Möglichkeit dazu. Roman Sidorowicz (19) etwa ist nach den Abgängen von Heiko Grimm und Michal Svajlen (beide zu Pfadi Winterthur) die Nummer 1 auf der Spielmacherposition, Stefan Freivogel (20) steht ebenfalls regelmässig auf dem Feld. Zudem gehören seit kurzem auch die Nachwuchs-Nationalspieler Luca Spengler (18) und Luka Maros (16), der zum zweiten Mal eine Chance bekommt, zum Kreis des Fanionteams. Nicht wie die GC-Fussballer «Letzte Saison, als wir noch Champions League spielten, gab es für die Junioren kaum Aussichten auf Einsätze. Es ist nun sicher einfacher, den Sprung in die erste Mannschaft zu schaffen, weil uns die Mittel fehlen, um fertige Spieler zu verpflichten», sagt Sportchef Walter Müller. Der Grat sei jedoch schmal, wenn ein junger Spieler auf einmal derart viel Verantwortung zu tragen habe. «Wir müssen aufpassen, dass wir niemanden verheizen.» Auch Laszlo sieht diese Gefahr, weil «der körperliche Unterschied zu den Älteren sehr gross ist». Viele seien noch nicht reif für die höchste Liga. Als die damals noch getrennten Vereine Grasshoppers und Amicitia im Jahr 2002 das gemeinsame Nachwuchsprojekt, das sich zwischenzeitlich fast zu einem nationalen Leistungszentrum entwickelt hat, lancierten, hatten die jüngsten Spieler Jahrgang 1990. Diese sind mittlerweile also erst 20-jährig. Deshalb sagt Laszlo: «Wenn der Verein noch ein Jahr durchhält, werden mehrere Talente bereit sein für die erste Mannschaft.» In der jetzigen Übergangsphase sei es wichtig, erfahrene Akteure halten zu können, zumal es in jedem Team Stützen und Vorbilder brauche. «Wir müssen vermeiden, dass wir wie die GC-Fussballer mit einem Junioren-Team um den letzten Platz spielen», sagt Laszlo. Denn der Erfolg gehe Hand in Hand mit der Anerkennung im Grossraum Zürich, wo die Konkurrenz gross sei. «Die sportliche Präsenz ist extrem wichtig. Fehlt ein Aushängeschild, wird es schwieriger, Sponsoren und Gönner zu finden.» Für Sportchef Müller geht es in erster Linie darum, das Vertrauen zurückzugewinnen: «Im Vordergrund steht jetzt die Gesundung des Klubs. Die damit verbundenen sportlichen Konsequenzen müssen wir in Kauf nehmen.» «Das ist doch pervers» Angst, die grössten Talente aufgrund der momentanen Lage an die Konkurrenz zu verlieren, haben die Verantwortlichen von GC Amicitia nicht. «Aber natürlich ist das ein permanentes Thema, weil die Spieler im Handball komplett frei sind», sagt Laszlo, der in den letzten Tagen zwei Entwicklungen ausgemacht hat: Einige Klubs haben ihre Angebote – zum Beispiel für Sidorowicz – zurückgezogen, weil ihr stärkstes Argument, die Aussicht auf regelmässige Einsätze, nichtig wurde. Andere klopfen erst recht an und positionieren sich als Retter in der Not, um begabte Junioren loszueisen. «Zum Glück ist im Handball nicht so viel Geld im Spiel, denn für 200 Franken Handgeld reist niemand fünfmal pro Woche nach Schaffhausen», sagt Laszlo und lacht. Die Kadetten haben derzeit aber etwas in der Schweiz Einmaliges anzubieten: die Champions League. «Das ist ein spezieller Anreiz, keine Frage. Wenn ein Spieler diese Möglichkeit erhält, soll man ihn unterstützen – sofern ein Wechsel Sinn ergibt.» Der 18-jährige Fabio Baviera wagte diesen Schritt im Sommer, ist bei den Kadetten jedoch nur Reservist. «Das ist doch pervers: Wenn jemand zu früh zu gut ist, kann es sein, dass er bei einem Topklub zwei, drei Jahre fast nur auf der Bank sitzt», sagt Laszlo. Bei den Stadtzürchern besteht diese Gefahr derzeit nicht. So gut standen die Chancen für den Nachwuchs von GC Amicitia noch nie, auch in der NLA-Mannschaft zum Einsatz zu kommen.Foto: Doris Fanconi
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