Gekommen, um zu profitieren: Wie die Beiständinnen versagten
Scharfe Kritik am Asylbetreuungsverein Kuma – er habe die Verfehlungen von drei renitenten minderjährigen Flüchtlingen heruntergespielt.

Drei sogenannte Unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) aus Eritrea und Somalia, die 2017 in einem Baselbieter Jugendheim jegliche Integration verweigerten, sich in der Schule nicht anstrengten und bei Schnupperwochen schlafend auf dem Autorücksitz vorgefunden wurden: Über das querulante Verhalten der Eritreer Eden und Fanuel sowie des Somaliers Ahmed (alle Namen geändert) berichtete die BaZ letzte Woche.
Eine Fachperson, die den aufsehenerregenden Fall ebenfalls kennt, weist nun auf weitere Umstände hin, die bislang nicht zur Sprache gebracht worden seien. «Es wurde nichts über die Unfähigkeit und Blauäugigkeit der beiden Beiständinnen des Vereins Kuma berichtet, die für das Trio verantwortlich waren. Sie haben dem Heim ständig Steine in den Weg gelegt, weil sie sich bei allen Vorkommnissen immer reflexartig auf die Seite der UMAs stellten.» Dadurch sei es schwierig gewesen, Hausordnung und Disziplin durchzusetzen – was Eden, Fanuel und Ahmed geschickt ausgenutzt hätten.
Schönrederei statt Klartext
Ihren Namen kann die Fachperson nicht nennen: Es würde sie umgehend den Job kosten. Ihre Ausführungen erscheinen allerdings glaubwürdig. Zudem wird die Kritik am Verein Kuma von anderen Quellen geteilt. Dass es zwischen dem Betreuerteam des Jugendheims sowie den Beiständinnen zu Konflikten gekommen ist, lässt sich ferner auch den Akten entnehmen, die der BaZ vorliegen.
Ein Beispiel hierfür ist das Standortgespräch vom 8. Juli 2017. Es fand in Birsfelden statt, wo der Verein Kuma sein Büro hat. Das «Kompetenzzentrum unbegleitete minderjährige Asylsuchende» (Kuma) wurde im November 2015 von den Juristinnen Eva Malikova und Tessa von Salis gegründet. Der Kanton Baselland ging mit Kuma eine Kooperation ein: Alle Flüchtlinge, die dem extra geschaffenen Erstaufnahmezentrum für UMAs in Arlesheim zugewiesen wurden, erhielten automatisch Malikova oder von Salis als Beistand zur Seite gestellt. Dazu gehörten auch Eden, Fanuel und Ahmed.
An besagtem Standortgespräch im Juli 2017 nahmen nebst den beiden Kuma-Vertreterinnen Angestellte des Jugendheims, die UMAs Eden und Fanuel sowie ein Dolmetscher teil. Der Grund für die Krisensitzung waren mehrere Vorfälle und die Unzufriedenheit der Eritreer mit ihrer Betreuung.
Den Jugendlichen wurde zuerst das Wort gegeben. Sie beklagten sich unter anderem, wegen Sprachproblemen häufig «den Kürzeren» zu ziehen, im Heim keine Beschäftigung zu haben und einem Heimleiter und einem weiteren Mitarbeiter ausgesetzt zu sein, die «frech» seien. Ausserdem würden sie in den Ferien am Morgen geweckt. Sie forderten eine WLAN-Verbindung, «damit sie immer Zugriff zum Internet haben».
Die Sitzungsteilnehmer des Jugendheims waren nicht einverstanden: Eden und Fanuel würden oft Ärger «provozieren». Die Wohngruppe biete ein «Übungsfeld», um die Bewohner fit für einen Beruf zu machen, was Grundlegendes wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit erfordere. Der Zugang zum Internet sei nur zu festgelegten Zeiten gestattet. «Sie müssen lernen, dass es nicht immer nach dem Lust-und-Laune-Prinzip zu- und hergehen kann. (…) Wir begleiten diesen Prozess und achten darauf, dass die Abmachungen und Regeln eingehalten werden, je nachdem auch energisch.»
Gemäss dem Protokoll erkannten die Beistände bei Eden und Fanuel «widersprüchliche Wünsche». Zum einen würden sie mehr Betreuung begrüssen, zum anderen mehr Autonomie. Malikova und von Salis äusserten aber auch Verständnis für die UMAs. Die Situation sei für alle Flüchtlinge schwierig. «Nach einem Jahr realisieren sie, was es bedeutet, fern von ihrer Familie in einer neuen Kultur Fuss zu fassen. Der Integrationsprozess kommt ins Stocken. So wollen viele UMAs die Wohnung wechseln, in der Hoffnung, den anstehenden Konflikten und Problemen ausweichen zu können.»
Diese Aussagen seien typisch, sagt die Fachperson, welche sich bei der BaZ gemeldet hat. «Die jungen Migranten erhielten pro Monat 160 Franken Taschengeld. Wenn sie ihr Ämtli nicht ausführten oder die Schule schwänzten, wurden 20 Franken abgezogen.» Gegen diese Sanktion hätten die Beiständinnen protestiert. «Sie warfen dem Jugendheim vor, die Flüchtlinge zu bestehlen. Es müssten andere pädagogische Massnahmen ergriffen werden.»
Im Protokoll ist dieser Punkt vermerkt. Sie wolle «über Geldsanktionen auf bilateralem Weg» sprechen, hielt Malikova fest. Für das Jugendheim war der Austausch unbefriedigend, wie sich im Nachtrag zeigt, den der Heimleiter am Ende des Dokuments verärgert anfügte: «Die Hausregeln und die Sanktionen im Wohnheim sind nicht diskutierbar. Die UMAs müssen sich uns anpassen und nicht umgekehrt.»
Die Fachperson zählt gegenüber der BaZ weitere Episoden auf, für welche sich die Kuma-Verantwortlichen nicht interessiert hätten. «Die UMAs hielten sich nicht an das Ausgangsverbot und kamen oft nach zwei Uhr in der Früh zurück. Am nächsten Morgen mochten sie dann nicht zur Schule. Wenn Betreuerinnen Anweisungen gaben, machten sie sich über sie lustig, bewarfen sie mit benutzten Nastüchern oder riefen ihnen sexistische Bemerkungen wie ‹Ficki-Ficki› zu.»
Häufig schlecht erreichbar
Habe man die Beiständinnen nach derlei Ereignissen telefonisch informieren wollen, seien diese oft schlecht erreichbar gewesen. «Und wenn, dann wiesen sie bloss darauf hin, dass man für Flüchtlinge eben Verständnis aufbringen müsse. Die Problematik erkannten sie nicht.» Die gleiche Reaktion habe es seitens Kuma gegeben, als Eden bei einem Praktikum einfach davongelaufen sei: Er sei halt minderjährig und nicht ans Arbeiten gewöhnt.
Der Verein Kuma wollte sich auf Anfrage zu den Vorwürfen nicht äussern. Ein Gespräch wurde von Kuma-Präsidentin Ursula Vetter-Dettwiler «aus Datenschutzgründen» abgelehnt.
Laut dem Baselbieter Sozialamt wird der Verein Kuma pro Beistandschaft mit einer Pauschale von 1520 Franken entschädigt. Für seine Leistungen habe Kuma bislang 29 217 Franken erhalten. Die Kooperation mit dem Kanton läuft am 1. Februar 2018 aus. Sie werde nicht verlängert, weil das Erstaufnahmezentrum in Arlesheim inzwischen geschlossen wurde.
Die Fachperson sagt, sie wolle der Öffentlichkeit aufzeigen, wie unprofessionell im Asylwesen gearbeitet werde. Es handle sich um ein «Business», bei dem Integrationsverweigerer bewusst geschont würden, damit niemand ein Problem bekomme. Statt die Missstände zu benennen, würde im Stillen an die nächste Institution überwiesen.
Es herrsche der Irrglauben vor, die Migranten könnten mit anti-autoritären Konzepten integriert werden. «Die Meinung, UMAs bräuchten eine Spezialbehandlung, ist falsch. Erfolg stellt sich nur ein, wenn die Disziplin durchgesetzt wird. Gerade das wurde verunmöglicht, weil die Beiständinnen die Anordnungen des Jugendheims nicht mittrugen», sagt die Fachperson.
Im Schlussbericht von Fanuel, der im Sommer 2017 das Heim nach wenigen Monaten Aufenthalt wieder verliess, kommen die unterschiedlichen Auffassungen deutlich zum Ausdruck. Fanuel habe versucht, das Helfernetz «auszuspielen, indem er sich über verschiedene Zustände beklagte». Dann ist zu lesen: «Die Vorstellungen bezüglich den sozialpädagogischen Massnahmen und den nötigen Interventionen klafften zwischen der Beistandschaft und dem sozialpädagogischen Team so weit auseinander, dass die Beiständin den Aufenthalt von Fanuel auf 28. Juli 2017 kündete.»
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