Geiseldrama in Alabama - Rätselraten über sechs Tage im Bunker
Sechs Tage musste ein fünfjähriger Junge mit seinem Entführer in einem Bunker ausharren, ehe er vom FBI befreit wurde. Dass die Geisel unter dem Aspergersyndrom litt, erschwerte die Bedingungen zusätzlich.
Nach sechs Tagen ist Entführer Jim Lee Dykes mit seinen Kräften am Ende: Die Verhandlungen des Vietnamveteranen mit der Polizei geraten ins Stocken. Nervös fängt er an, seinem Opfer - dem fünf Jahre alten Ethan - mit einer Waffe zu drohen.
Für das FBI wird die Situation zu brenzlig: Gestern stürmt ein Team den selbst gebauten unterirdischen Bunker von Dykes. Wenig später kommt die Meldung der Polizei: Der 65 Jahre alte Entführer ist tot, der kleine Knabe lebt.
Busfahrer erschossen
Was während des Zugriffs in Midland City im US-Bundesstaat Alabama und der fast eine Woche dauernden Geiselnahme des Kindes geschah, bleibt zunächst im Dunkeln. Einzig der Beginn der Entführung ist weitgehend geklärt.
Am vergangenen Dienstag betritt Dykes einen Schulbus und verlangt vom Fahrer «zwei Kinder», zitiert der Sender CNN die Polizeiermittler. Doch der Fahrer weigert sich und versperrt dem Geiselnehmer den Weg in den Gang des Busses, so dass mindestens 21 Kinder aus der Hintertür fliehen können.
Dykes greift zur Waffe und erschiesst den 66 Jahre alten Fahrer, bevor er sich den fünfjährigen Knaben greift und sich mit ihm in einem selbst gebauten Bunker verschanzt. Für den kleinen Ethan beginnt das Martyrium, die Geiselnahme wird das Topthema in dem 2400-Einwohner-Städtchen, sie beherrscht die Schlagzeilen im ganzen Land.
Sechs Tage lang hält Dykes den Knaben in dem für US-Südstaaten zum Schutz gegen Stürme typischen Bunkerbau gefangen. Mit den Ermittlern kommuniziert er nur über ein Plastikrohr.
Erfolgreiche Zermürbungstaktik
Tagelang schweigt die Polizei über den Stand der Verhandlungen, Motive und Forderungen des Entführers werden nicht bekannt. Nur wenige Details dringen nach aussen: Bei dem Fünfjährigen sei das Aspergersyndrom diagnostiziert worden, er benötige täglich Medikamente, heisst es bald.
Die beiden stecken in dem Bunker 1,20 Meter unter der Erde fest, wie die Zeitung «USA Today» berichtet. Dort gebe es zwar fliessendes Wasser, eine Heizung und Kabelfernsehen - aber keine Toilette. Dykes erlaubt, dass die Arznei in den Bunker herabgelassen wird, zusammen mit einem Spielzeugauto und einem Malbuch.
Doch schliesslich hat die Zermürbungstaktik der Polizei Erfolg. Zusehends ermüdet der Vietnamveteran. «Während der ersten paar Tage war er verträglich und hat sich um das Kind gekümmert», zitiert «CNN» hinterher einen Ermittler. «Vielleicht wuchs in ihm die Erkenntnis, dass die Sache für ihn kein gutes Ende nehmen würde.»
Als er mit einer Pistole fuchtelt - das FBI schweigt darüber, mit welchem technischen Hilfsmitteln sie den Raum überwacht -, geben die Ermittler ihre Verhandlungstaktik auf. Sie stürmen den Bunker.
«Ethan hat viel durchgemacht und viel ausgehalten»
Zeugen sagen CNN: «Ich hörte einen lauten Knall ... und dann glaube ich, dass ich Gewehrschüsse gehört habe.» Die Polizei äussert sich nicht direkt, ob der Knabe mit ansehen musste, wie sein Entführer getötet wird. «Er ist ein sehr besonderes Kind, er hat viel durchgemacht und viel ausgehalten», sagt ein Ermittler dem Fernsehsender.
Seit dem späten Montagnachmittag ist der Knabe im Spital, doch es geht ihm gut. «Er lacht, scherzt, spielt, isst», sagt FBI-Ermittler Steve Richardson.
Der Lokalzeitung «Dothan Eagle» sagt er, es sei unwahrscheinlich, dass die genauen Umstände der Tat und seiner Befreiung an die Öffentlichkeit geraten: «Weil wir leider eines Tages wieder mit einer solchen Tat rechnen müssen.»
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