«Ganz Mexiko ist ein Massengrab»
Ein Drogenkartell, willfährige Polizisten und korrupte Politiker: Diese Mischung war es wohl, die in Mexiko den Boden für ein Blutbad bereitet hat. Warum genau die Studenten sterben mussten, bleibt ein Rätsel.
Schwerbewaffnete Polizisten patrouillieren in der Stadt Iguala im Südwesten Mexikos. Im blauen Flecktarn, mit Splitterweste und Stahlhelm, die Sturmgewehre im Anschlag: So sichern Beamten der Gendarmerie die Plätze und Strassen.
Kinder gehen zur Schule, Händler liefern Waren aus, Mütter machen ihre Besorgungen - seit einem mutmasslichen Massaker an zahlreichen Studenten herrscht gespannte Ruhe in der Stadt.
43 junge Leute verschwanden nach Zusammenstössen zwischen Studenten und der örtlichen Polizei vor knapp zwei Wochen in Iguala, rund 185 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt. In fünf Massengräbern vor den Toren der Stadt entdeckten die Ermittler mittlerweile 28 zum Teil verbrannte Leichen.
Zwei Mitglieder der Verbrecherorganisation «Guerreros Unidos» räumten den Mord an 17 Studenten ein, auch Polizisten sollen in die Tat verwickelt sein. Ob es sich bei den Toten tatsächlich um die verschleppten Studenten handelt, ist allerdings offiziell noch nicht bestätigt.
Massaker nicht aussergewöhnlich
In Mexiko kommt es immer wieder zu Massakern, der jüngste Fall ist aber selbst für das von einem jahrelangen Drogenkrieg zermürbte Land schockierend. «Ganz Mexiko ist ein Massengrab. Alles wird verschleiert, und die Justiz schafft auch keine Klarheit», sagt der Pater und prominente Menschenrechtsaktivist Alejandro Solalinde.
Auch die Hintergründe des Blutbads von Iguala sind noch immer unklar. Dass die städtische Polizei und die lokalen Banden gemeinsame Sache machen, gilt im Bundesstaat Guerrero zwar als offenes Geheimnis. Warum die Lehramtsstudenten der linken Hochschule Ayotzinapa jetzt aber ins Visier der Gangster gerieten, ist unklar.
Einen möglichen Hinweis liefert ein vertraulicher Bericht des mexikanischen Geheimdienstes Cisen, der an die Presse gelangte. Demnach planten die Studenten eine Demonstration auf einem Platz in Iguala, wo die Frau des Bürgermeisters als Vorsitzende der Sozialbehörde eine Rede habe halten wollen. Sie habe den Sicherheitschef der Stadt angewiesen, die Proteste um jeden Preis zu verhindern, zitiert die Zeitung «El Universal» aus dem Geheimdossier.
Linke im Visier
An der Hochschule Ayotzinapa gibt es die Vermutung, die linksgerichteten Studenten seien dem Staat ein Dorn im Auge. «Wir sind das Lehrerseminar Ayotzinapa. Wir sind nicht gerne gesehen. Das ist unsere einzige Hypothese», sagt Studentenvertreter Omar García.
Dem Massaker vorausgegangen waren Zusammenstösse mit der Polizei. Als junge Leute am 26. September aus Protest mehrere Busse kaperten, eröffneten die Beamten ohne Vorwarnung das Feuer. «Sie haben uns gejagt wie Hunde», sagte ein Student dem Nachrichtenmagazin «Proceso». Drei Menschen kamen ums Leben, 18 wurden verletzt. 43 Studenten wurden Zeugenaussagen zufolge verschleppt.
Link zwischen Politik und Drogenhandel
Der Familie von Bürgermeister-Gattin María de los Ángeles Pineda Villa werden Verbindungen in den Drogenhandel nachgesagt. «Wir hatten Hinweise darauf, dass der Bürgermeister Verbindungen zum organisierten Verbrechen pflegt, aber keine Beweise», sagte Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam zuletzt im Gespräch mit ausländischen Journalisten.
Die Bande «Guerreros Unidos», eine Splittergruppe des Drogenkartells Beltrán Leyva, habe in der Region zuletzt Boden gut gemacht, erklärte der Nationale Sicherheitsbeauftragte Monte Alejandro Rubido. Die Bande schmuggle vor allem Marihuana und Heroin in die USA. Zudem hat die Gruppe in Iguala offenbar grosse Teile der Sicherheitsbehörden unterwandert.
Die schlecht bezahlten und mangelhaft ausgerüsteten Gemeinde-Polizisten sind für die Kartelle leichte Beute. «Wir kämpfen gegen einen Gegner, der seit Jahren im lukrativsten Geschäft der Welt tätig ist und über enorme Ressourcen verfügt», sagt Generalstaatsanwalt Karam.
In Iguala haben nun die Streitkräfte und die Bundespolizei die Kontrolle übernommen. Alle 300 städtischen Beamten wurden entwaffnet und werden nun nach und nach in einer Kaserne im Zentrum des Landes verhört.
SDA/ajk
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