Regierungsratswahlen in BasellandFür Sandra Sollberger wird es enger als erwartet
Wird der EVP-Gemeinderat Thomi Jourdan anstelle der SVP-Nationalrätin gewählt, stellt die Kleinstpartei erstmals in ihrer Geschichte einen Regierungsrat.

Bis vor wenigen Monaten zweifelten die wenigsten daran, dass SVP-Nationalrätin Sandra Sollberger am 12. Februar 2023 in die Baselbieter Regierung gewählt werden würde. Sie galt als logische Nachfolgerin ihres Parteikollegen Thomas Weber, der nicht mehr antritt. Die übrigen vier Bisherigen Isaac Reber (Grüne), Anton Lauber (Mitte), Monica Gschwind (FDP) und Kathrin Schweizer (SP) stellen sich alle erneut zur Wahl.
Sollberger war die sichere Wahl. Für sie sprachen ihr Bekanntheitsgrad, ihre guten Beziehungen zum Gewerbe, die sie als Malermeisterin mit eigenem Geschäft pflegt, ihre Partei. Die SVP ist die zweitstärkste politische Kraft im Kanton und hat rein rechnerisch einen Anspruch auf einen Regierungssitz. Dass Sollberger auf nationaler Ebene nicht zu den gemässigten Stimmen ihrer Partei gehört, sondern eine klar rechtsbürgerliche Politik vertritt, schien nur ihre politischen Gegner zu stören. Bei allen anderen überwog der Faktor «gmögig».
Hinter bürgerlicher Mehrheit versteckt
Inzwischen hat sich die Ausgangslage verändert: Zwar stehen Sollbergers Chancen auf eine Wahl immer noch gut, doch nicht mehr so gut wie noch im Sommer. Das hat zum einen mit ihrem Auftritt im Wahlkampf zu tun. Politische Gegner und Medien werfen der 49-Jährigen vor, sie scheue die Konfrontation, weil sie offenbar mehrere Einladungen zu Podien und Interviews ausgeschlagen hat mit der Begründung, ihr Nationalratspensum und ihr Job beanspruchten sie zeitlich stark. Sollberger weist die Kritik zurück: «Ich habe seit August trotz herausfordernden Zeitmanagements über hundert Anlässe besucht und Dutzende Mediengespräche geführt. Wenn das kein aktiver Wahlkampf ist.»
Zum anderen vermag Sollberger auch inhaltlich nicht wirklich zu überzeugen. Während sie auf nationaler Ebene mit dem Strom mitschwimmt und die Parolen ihrer Partei eins zu eins wiedergibt, wäre nun ihre Vision fürs Baselbiet gefragt. Es fehlen jedoch konkrete Ideen. Stattdessen verweist sie auf die bisher geleistete Arbeit der bürgerlichen Regierungsmehrheit. «Die Bürger wissen, was wir geleistet haben und dass ich als Regierungsrätin Kontinuität garantiere.» In diesem Sinne hat Sollberger auch auf eigene Plakate verzichtet; sie zeigt sich nur in Begleitung der beiden bisherigen bürgerlichen Regierungsräte Monica Gschwind (FDP) und Anton Lauber (Mitte).

Auftritt und Inhalt sind aber nicht Sollbergers einziges Problem: Ende Oktober kündigte EVP-Politiker Thomi Jourdan seine Kandidatur an. Damit hatte niemand gerechnet. Der 48-Jährige hatte bereits vor zehn Jahren bei einer Ersatzwahl für die Regierung kandidiert und war knapp gescheitert. Versuche seiner Partei, ihn danach erneut als Regierungskandidaten zu gewinnen, waren jeweils erfolglos geblieben.
Auch im vergangenen April erhielt die EVP zunächst einen Korb. «Für mich war klar, dass ich nur kandidieren würde, wenn ich tatsächlich eine Chance habe – und diese sah ich damals nicht», sagt Jourdan. Erst als er auch ausserhalb der Partei angefragt wurde und die FDP sich zugunsten der SVP gegen eine zweite Kandidatur entschied, änderte Jourdan seine Meinung. Neben Sollberger und Jourdan kämpfen zudem SP-Landrat Thomas Noack und der Grünliberale Manuel Ballmer um den freien Regierungssitz – allerdings mit geringeren Wahlchancen.

Jourdan betreibt einen All-in-Wahlkampf – er geht aufs Ganze. Seinen Job als Geschäftsführer eines Immobilienunternehmens mit rund dreissig Mitarbeitenden wird er unabhängig vom Wahlausgang per Ende Juni beenden. So stehe sein Arbeitgeber im Fall einer Wahl nicht vor dem Problem, in kurzer Zeit einen Nachfolger suchen zu müssen, sagt Jourdan. «Gleichzeitig signalisiere ich damit, wie ernst es mir ist. Ich will Regierungsrat werden und glaube daran, dass es klappt.»
Tatsächlich sind Jourdans Chancen intakt. Grund dafür sind seine politischen und beruflichen Erfahrungen. Seit über vierzehn Jahren ist er Gemeinderat von Muttenz, der drittgrössten Gemeinde des Kantons Baselland. Zuvor sass er acht Jahre lang im Kantonsparlament. Würde er gewählt, wäre er der erste EVP-Vertreter in einer Kantonsregierung.
Jourdan ist eloquent, sozial, handelt wirtschafts- und finanzpolitisch bürgerlich – und ist breit wählbar.
Die ersten beruflichen Erfahrungen sammelte Jourdan als Streetworker. Danach arbeitete der Ökonom während zehn Jahren im Gesundheitswesen, unter anderem als Leiter der Personalabteilung im Gesundheitsdepartement der Stadt Zürich. Damit hat Jourdan die besten Voraussetzungen für die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, die durch den Abgang des aktuellen Vorstehers, Thomas Weber, frei wird.
Im Unterschied zu Sollberger, die sich als Teil des bürgerlichen Trios versteht und vor allem darauf bedacht zu sein scheint, nicht aufzufallen, erinnert Jourdans Wahlkampf daran, dass Regierungsratswahlen Persönlichkeitswahlen sind. Der EVP-Kandidat ist omnipräsent: Sein Gesicht (ohne Parteilogo) ist auf rund tausend Plakaten im ganzen Kanton zu sehen, er hat einen eigenen Youtube-Kanal und nimmt Einladungen zu Podien oder Mediengesprächen dankend an.
Als eloquenter und sozial engagierter Kandidat, der wirtschafts- und finanzpolitisch bürgerlich denkt und handelt, scheint Jourdan breit wählbar. Gerade für liberale Wähler, die es nicht goutieren, dass Mitte und FDP die rechtsbürgerliche und europakritische Sollberger unterstützen, könnte Jourdan eine Option sein. Zudem sind die Parteistärken bei Majorzwahlen zweitrangig – das hat die Baselbieter SVP bereits 2011 erleben müssen. Damals wurde ihr Regierungsrat Jörg Krähenbühl abgewählt; das Rennen machte der Grüne Isaac Reber mit einem ähnlich offensiven Wahlkampf wie Jourdan. Vielleicht kommt es am 12. Februar erneut zu einer Sensation.
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