Für Sanders ist das Rennen gelaufen
Präsidentschaftskandidat Joe Biden dürfte eine weitere Runde an Vorwahlen gewinnen. Bernie Sanders, sein einziger verbliebener Rivale, hat kaum mehr eine Chance auf einen Sieg.

Als die elfte Fernsehdebatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber vorbei war, waren sich die Kommentatoren einig: Es ist jetzt wirklich vorbei. Am Dienstag, so die allgemeine Erwartung, wird Joe Biden eine weitere Runde an Vorwahlen gewinnen, darunter in so wichtigen Bundesstaaten wie Florida und Ohio. Bernie Sanders, sein letzter verbliebener Rivale, kann danach zwar weiter kandidieren. Er hat aber praktisch keine Chance mehr, Biden noch zu besiegen.
Die Debatte sei Sanders' letztes Gefecht gewesen, urteilte die Politikexpertin Michelle Bernard in der Internetzeitung «Politico». Wirklich überraschend war dieser Ausgang nicht. Biden war als Favorit in das Fernsehduell gegangen, das nicht wie geplant vor Publikum in Arizona, sondern abgeschirmt im Washingtoner CNN-Studio stattfand. Allenfalls ein komplettes Debattendesaster für den früheren Vizepräsidenten hätte das Blatt noch zugunsten von Sanders wenden können. Aber Bidens Auftritt war nicht nur nicht desaströs, sondern geradezu überzeugend – vielleicht zum ersten Mal in diesem Vorwahlkampf.
Bidens Auftritt bei der Fernsehdebatte war überzeugend – vielleicht zum ersten Mal in diesem Vorwahlkampf.
Das hatte natürlich mit den beispiellosen Umständen zu tun, unter denen die Vorwahlen abgehalten werden und unter denen vielleicht sogar die Präsidentschaftswahl im November noch stattfinden wird. Die Corona-Krise überlagert alles, thematisch wie logistisch. Auch die Kandidaten arbeiten inzwischen weitgehend von zu Hause, es gibt nur noch virtuelle Wahlkampfveranstaltungen. Und man darf bezweifeln, dass die Wähler sich in einer Zeit, in der Menschenleben auf dem Spiel stehen, für die Feinheiten der politischen Pläne der Bewerber interessieren; geschweige denn dafür, ob Joe Biden vor zwei Jahrzehnten als Senator für den Irakkrieg gestimmt oder für eine Anpassung des Rentenniveaus geworben hat.
Sanders bemühte sich, Biden mit derlei alten Entscheidungen und Äusserungen in die Ecke zu drängen. Aber Biden blieb in der Gegenwart – und die Gegenwart wird von der Angst vor Sars-CoV-2 beherrscht: «Die Leute wollen Ergebnisse, keine Revolution», hielt Biden dem selbst ernannten «demokratischen Sozialisten» Sanders vor.
Und was Ergebnisse angeht, bot Biden mehr. Sanders versuchte zwar, die Corona-Krise als Argument zu benutzen, dass seine Forderung nach einer allgemeinen, staatlichen Krankenversicherung richtig sei. Allerdings wies Biden, der weniger ehrgeizige Reformpläne hat, nicht zu Unrecht darauf hin, dass Sanders' Vorhaben ein politisches Luftschloss sei: Die Pläne würden mangels Mehrheiten im Kongress nie umgesetzt und seien in der derzeitigen Notlage auch weitgehend irrelevant.
Eine Frau als Vize
Stattdessen forderte Biden, der als Vize von Barack Obama etliche Krisen miterlebt hat, den amtierenden Präsidenten Donald Trump auf, dass Militär zu aktivieren. Die US-Armee könne schnell Feldlazarette für Corona-Patienten bauen, sagte Biden: «Wir befinden uns im Krieg mit dem Virus. Es ist, als würden wir aus dem Ausland angegriffen.»
Das klang schon sehr viel zupackender als Sanders' eher theoretische Ausführungen über die Unzulänglichkeiten des Gesundheitswesens und die Vorzüge seines – und zwar nur seines – Plans für eine allgemeine Krankenversicherung. Schon Sanders' Niederlagen bei etlichen wichtigen Vorwahlen, als das Coronavirus das Land noch nicht im Griff hatte, hatten gezeigt, dass zu wenige Wähler seine Ansichten teilen. Und daran wird die neuste Debatte wenig ändern. Insofern könnte Bernie Sanders an diesem Dienstag zum ersten hochrangigen politischen Opfer des Virus werden.
Biden jedenfalls rechnet damit. Er kündigte an, dass er mit einer Frau als Vizekandidatin in den Wahlkampf gegen Trump ziehen werde. Normalerweise legen sich Präsidentschaftskandidaten erst kurz vor dem Nominierungsparteitag auf den Vizekandidaten fest. So früh wie Biden hat das noch nie ein Bewerber getan. Aber Biden weiss, dass er seine jüngsten Wahlerfolge vor allem den Stimmen von Frauen in den Vororten verdankt.
Und auch Bernie Sanders scheint die Realität zu sehen. Er werde Biden als Kandidaten nach Kräften unterstützen und seine skeptischen Anhänger beknien, für diesen zu stimmen, versprach er. Das klang tatsächlich sehr nach letztem Gefecht.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch