Für einmal siegt das Velo
Der Künstler Stefan Draschan posiert mit seinem Fahrrad auf Autos. Er sieht sich als Rächer und will einen Beitrag leisten an eine lebenswertere Welt.
Am Boden ist der Fahrradstreifen mit greller Farbe gekennzeichnet. Trotzdem fahren die Autos oft haarscharf an den Velos vorbei oder blockieren sie gar. Der österreichische Künstler Stefan Draschan hatte genug von solchen Erlebnissen und begann den Spiess umzudrehen. Auf seinen Bildern steht er als starker Sieger auf dem Fahrrad da, der über das Auto triumphiert. Redaktion Tamediasprach mit dem Künstler, der aktuell in Paris lebt und dort auf neue Motive lauert.
Wann haben Sie zum letzten Mal mit dem Fahrrad ein Auto bestiegen?
Das war vor zwei Wochen. Ich fuhr zum Grab von Romy Schneider. Auf dem Weg entdeckte ich den Autofriedhof und mittendrin dieses orange Auto. Es sah apokalyptisch aus, ich musste es einfach besteigen. Das war das letzte Foto, das ich postete.
Planen Sie ihre Aufnahmen, oder entstehen sie so spontan wie dieses Bild?
Ich mache meine Bilder spontan. Es ergibt sich einfach, ich halte die Augen offen. Mein Ziel ist es, Zeichen zu setzen.
Wofür?
Ich will mich für lebenswertere Städte einsetzen, dafür, dass es mehr Platz gibt für Fussgänger und Spielplätze und weniger Autos hat. Im Moment gibt es 1,1 Milliarden Autos und bis 2040 sollen es 4 Milliarden sein. Ich will die Welt nicht zerstört sehen. Das geht nicht mit all dem Lärm, dem Gestank und der Gefahr der Autos. Natürlich sind Flugzeugemissionen und die Emissionen der Kreuzfahrtschiffe auch schlimm, doch ich hoffe, jemand anderes macht etwas dagegen.
Was gab für Sie den Ausschlag, sich so für lebenswerte Städte einzusetzen? Hatten Sie ein spezielles Erlebnis?
Ich fuhr auf den Exelberg, der für Wien etwa dasselbe ist wie der Uetliberg für Zürich. Die Autos fuhren mit 120 Stundenkilometern und mit einem Abstand von 40 Zentimetern an mir vorbei. Da stand ein Autowrack am Strassenrand. In dem Moment wusste ich intuitiv, dass ich da hochmusste. Ausserdem wurde ich zweimal auf dem Radweg von einem Auto angefahren. Beide Male begingen die Autofahrer Fahrerflucht.
«Nun ist es für einmal der schwächere Verkehrsteilnehmer, der sich am Unrecht rächt, das ihm im öffentlichen Raum geschieht.»
Was soll die Siegerpose ausdrücken, die Sie mit dem Fahrrad auf dem Auto einnehmen?
Es gibt in Österreich die Meinung, dass die Radfahrer die Schlimmen, die Rowdys seien. Wie kann man nur so etwas behaupten? Als Radfahrer will man einfach sicher ans Ziel kommen. Da kam mir der Gedanke an die Grosswildjäger. Diese arrogante, protzige Arschlochjägerpose wollte ich als Stilmittel einsetzen. In meinen Bildern triumphiere ich über das Auto, das für mich ein Dinosaurier ist. So drehe ich das um. Nun ist es der schwächere Verkehrsteilnehmer, der sich am Unrecht rächt, das ihm im öffentlichen Raum geschieht.
Oft wird auch den Fahrradfahrern Rücksichtslosigkeit gegenüber den Passanten vorgeworfen. Haben Sie auch schon einen Unfall verschuldet? In einem Rennen flog ich aus der Kurve und brach so das Schlüsselbein. Doch ich habe auf meinen Velotouren noch nie jemand anderem Schaden zugefügt.

Welche Reaktionen erhielten Sie auf Ihre Bilder?
Ich richte keinen Schaden an. Die Reaktionen sind meistens positiv. Bisher erhielt ich keine Hassmails. Ein-, zweimal schrie mich jemand aus dem Taxi an, aber das war auch schon alles.
Wo entstehen die meisten Ihrer Bilder? ‹Autowrackmässig› ist Berlin am lukrativsten. Es gibt dort einen Polizeispiegel, der regelmässig über die aktuellen Unfälle berichtet, den lese ich. Entsprechend schaue ich dann an der jeweiligen Stelle nach, ob das Auto noch da steht. Ist das der Fall, mache ich aus dem Wrack, das ja eigentlich auch Müll ist, ein Kunstwerk. Aber grundsätzlich gilt, egal wo ich bin, versuche ich ein Foto zu machen. Es ist für mich wie ein Spiel. Wenn sich etwas ergibt, schiesse ich ein Foto. So probiere ich die Weltzerstörung aufhalten.
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