Gesprächsreihe im Sissacher Cheesmeyer«Für einige die Bestätigung ihrer Vorurteile»
Eine hochkarätige Gesprächsrunde nahm die Stärken und Schwächen der Medien unter die Lupe. SRG-Ombudsfrau Esther Girsberger sieht in den Medien des Service public ein Instrument gegen die Radikalisierung.

«Ich habe gelernt, dass es nicht leicht ist, auf dieser Welt den Durchblick zu behalten», bekannte Ueli Heiniger (78), der früher den «Zischtigsclub» von SRF moderiert hatte. Vor allem das habe er in all den Jahren im Journalismus gelernt. In der Gesprächsreihe «Für eine friedliche Zukunft» waren neben ihm zwei weitere profilierte Persönlichkeiten aus der Medienbranche zu Gast im Sissacher Kulturhaus Cheesmeyer. Esther Girsberger (61), die ehemalige Chefredaktorin des Tages-Anzeigers und heutige SRG-Ombudsfrau für die Deutschschweiz, sowie Philipp Loser (42), Redaktor des Tages-Anzeigers. Er war in Buckten aufgewachsen. Im Zentrum stand, «wie Medien ihren Einfluss wahrnehmen». Ueli Mäder moderierte vor 95 Gästen.
Im Fokus standen gleich zu Beginn die Falschinformationen im Umfeld der Corona-Leaks und Peter Laueners, des ehemaligen Mediensprechers von Bundesrat Alain Berset. Hundertfach wurden sie verbreitet. Sogar von einer Schweizer Agentur. Philipp Loser sah darin das «schlimmste» Bild, das Medien abgeben können. «Es ist für einige die Bestätigung ihrer Vorurteile, dass Politik und Journalismus zusammen im Bett liegen», erklärte er, «das schadet der Glaubwürdigkeit meines Schaffens enorm.»
Paradox
Esther Girsberger bemängelte, es sei paradox, zwar gebe es mehr Medien denn je, «gleichzeitig fehlt es immer mehr an Einordnung und Relevanz». Auch werde zu viel abgeschrieben. Eine rückläufige Vielfalt wollte auch Heiniger festgestellt haben. Früher noch sei er mit acht Zeitungen in den Zug gestiegen und alle hätten einen anderen Inhalt offeriert. Heute kämen sehr viele Blätter mit demselben Mantelteil daher. «Diese Konzentration macht vielen Leuten Sorgen,» kommentierte er, «die Medienvielfalt geht momentan flöten.» Deshalb sei nun Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und das Wahrnehmen von Verantwortung absolut wichtig, «sonst hält die Medienskepsis weiter an.»
Ueli Mäder brachte sich ein und zitierte den verstorbenen deutschen Publizisten Roger Willemsen. Medienmacht sei letztlich auch, etwas nicht zu publizieren, was Philipp Loser zustimmend nicken liess. Dabei gehe es um Journalistinnen und Journalisten, die Politik nicht einfach demokratisch kontrollieren wollten, «sondern mitgestalten». Und da wäre noch, wie es Ueli Heiniger nennt, «die verdeckte Form des Journalismus, die professionelle Öffentlichkeitsarbeit». Die Angelegenheiten von Behörden oder Konzernen im besten Licht darzustellen also. «Dagegen», beklagte Heiniger, «kommt der Journalismus fast nicht an.»
Esther Girsberger sprach von Gräben, die sich inzwischen in der Gesellschaft auftäten, von einer Radikalisierung. Tatsächlich war während der Pandemie oft sehr giftig debattiert worden. Der beste Garant für einen Ausgleich sei ein Service-public-Medium. «Das ist meines Erachtens ganz entscheidend für den demokratischen Prozess», sagte sie. Allerdings frage sie sich, welche Glaubwürdigkeit gerade eher verloren ginge: «Jene des Journalismus oder jene der Politik?»
Einschaltquoten
Ueli Heiniger wies auf etwas hin, das den Medien Beine mache. Die Einschaltquoten und die Klicks im Internet. Sie hätten eine neue Dimension in die Medien gebracht. «Das hat etwas Faszinierendes», sagte Heiniger, «man weiss, was auf Interesse stösst.» Den Vorgesetzten habe die neue Dimension gefallen, während die Journalistinnen und Journalisten davon getrieben würden. «Ein sehr guter Punkt», räumte Philipp Loser ein. Lange habe man den Fehler begangen, nicht darüber nachzudenken, worüber die Leserschaft nachdenke. «Seit man das weiss, versucht die Chefetage den letzten Erfolg zu reproduzieren», so Loser, «die richtige Balance zu finden, ist wahnsinnig schwierig.»
Loser wagte eine düstere Prognose, wie die wie Medien dereinst ihren Einfluss wahrnehmen werden. Immer weniger Leute seien bereit, für die Arbeit der Medien zu bezahlen. «Es wird immer gute Medien geben; für Leute, die es sich leisten können», führte er aus, «Medien werden immer mehr zum Eliteprodukt.»
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