Billionen-Paket im KongressWenn Biden jetzt scheitert, steht seine Präsidentschaft auf dem Spiel
Mit Mega-Investitionen will der angeschlagene Präsident die USA sozialer und moderner machen. Doch nun riskieren zwei Demokraten den grossen Absturz ihres Chefs.

Die Abkürzungen klingen kindisch: BIF und BBB. Aber das, was sich dahinter verbirgt und auf dem Spiel steht, ist es ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Die sechs Buchstaben stehen für zwei Gesetzespakete, die in den kommenden Tagen vom US-Kongress verabschiedet werden sollen. Vom Gelingen hängt wiederum nicht weniger ab als der Erfolg von Joe Bidens gesamter Präsidentschaft.
Zuerst der BIF: Das Kürzel steht für Bipartisan Infrastructure Deal. Gemeint ist damit ein von Biden vorangetriebenes Gesetz, das Ausgaben von 1,2 Billionen Dollar vorsieht – ja, 1200 Milliarden –, um die Infrastruktur der USA zu reparieren und auszubauen. Mit dem Geld sollen Strassen, Brücken und Gleise, Flughäfen, Häfen und Bahnhöfe modernisiert werden, ebenso Strom- und Wassernetze.
Etliche Milliarden Dollar sollen in den Bau von Ladestationen für Elektroautos und schnellen Internetleitungen fliessen. Biden verspricht sich von diesem gigantischen Ausgabenschub nicht nur eine Grunderneuerung der zum Teil maroden öffentlichen Infrastruktur in den USA. Er wirbt auch damit, dass die Investitionen gut bezahlte Industriearbeitsplätze schaffen werden.
Überparteiliche Zustimmung
Eigentlich wäre es für die Demokraten kein Problem, dieses Ausgabenpaket diese Woche durch den Kongress zu bringen. Der Senat hat den BIF bereits im August verabschiedet, mit 69 zu 30 Stimmen. Neben den Demokraten votierten auch 19 Republikaner für das Gesetz, daher der Name: bipartisan bedeutet überparteilich.
Jetzt wäre das Abgeordnetenhaus dran, in dem die Demokraten eine knappe Mehrheit haben. Stimmten sie geschlossen für den BIF, könnte Biden das Gesetz am nächsten Tag unterschreiben. Nach derzeitigem Stand ist die Abstimmung über den BIF für diesen Dienstag geplant. Doch ob sie tatsächlich stattfindet und wie sie ausgehen wird, ist offen.
Das wiederum hat mit dem zweiten Gesetz zu tun, dem BBB. Diese Abkürzung steht für Build Back Better Agenda. Dahinter verbirgt sich ein ebenso teures wie ehrgeiziges Paket: Biden will in den nächsten zehn Jahren 3,5 Billionen Dollar in die Hand nehmen – ja, 3500 Milliarden –, um in den USA so etwas wie ein modernes Sozialsystem nach europäischem Vorbild zu schaffen, das nicht nur die Ärmsten auffängt, sondern auch Millionen Familien in der Mittelschicht stützt.
Kindergeld, staatliche Kindergartenplätze, kostenloses College
Durch den BBB soll zum Beispiel ein Kindergeld eingerichtet werden, zudem soll der Staat Kindergartenplätze finanzieren. Junge Erwachsene sollen zwei Jahre kostenlos auf kommunale Colleges gehen können, für Senioren sind neue Krankenversicherungsleistungen geplant. Zur Finanzierung will Biden die Unternehmenssteuern sowie die Steuern auf hohe Einkommen, auch aus Aktienbesitz, anheben.
Unter dem Strich liefe der BBB auf eine Art Sozialdemokratisierung der USA hinaus. Und genau das will Biden. Für ihn sind diese beiden Gesetze essenziell. Er möchte Amerika nach der Pandemie zu einem Land machen, das solche Schocks abfedern kann, die Gesellschaft so stärken, dass sie autoritären Trends widerstehen kann, den Bürgern zeigen, dass die Demokratie Jobs, Sicherheit und Würde liefert. Das ist der Kern von Bidens Präsidentschaft.
Scheitern die Gesetzespakete, könnte das dem Präsidenten irreparablen Schaden zufügen.
Derzeit sinken seine Umfragewerte wegen des Afghanistan-Debakels und des Wiederaufflammens der Covid-Pandemie. Sollten BIF und BBB scheitern, könnte das dem Präsidenten irreparablen Schaden zufügen – und auch den Demokraten, die 2022 ohnehin hart um ihre Kongressmehrheiten werden kämpfen müssen.
Dass die Republikaner bei Bidens Build-Back-Better-Plan nicht mitmachen wollen, ist keine Überraschung. Schliesslich warnen sie die Wähler immer davor, dass die Demokraten höhere Steuern und mehr Sozialausgaben wollen.
Aber theoretisch bräuchten die Demokraten die Republikaner nicht. Bidens Partei hat eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, im Senat halten die Demokraten 50 der 100 Sitze. Mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris hätten sie 51 und könnten den BBB jederzeit verabschieden. Die Demokraten haben sogar durch einen als Reconciliation bekannten Verfahrenstrick ausgeschlossen, dass die Republikaner den BBB mittels einer Dauerdebatte, einem sogenannten Filibuster, stoppen können.
Zwei konservative Demokraten sind dagegen
Dass der BIF trotzdem im Abgeordnetenhaus und der BBB im Senat festhängt, hat mehr mit den innerdemokratischen Flügelkämpfen im demokratischen Lager zwischen Linken und Zentristen zu tun als mit republikanischen Blockademöglichkeiten.
Kurz gesagt, ist die Frontstellung so: Die Linksliberalen, ein nennenswerter Teil der demokratischen Fraktion im Abgeordnetenhaus, lieben den sozialreformerischen BBB. Sie wollen nur dann im Repräsentantenhaus für den eher technischen BIF stimmen, wenn gleichzeitig der BBB durch den Senat geht; oder wenn es dort zumindest eine verbindliche Einigung auf ein für sie akzeptables Paket gibt. Im Senat aber sperren sich zwei konservative Demokraten: Senator Joe Manchin aus West Virginia und Senatorin Kyrsten Sinema aus Arizona. Ihnen ist das Preisschild von 3,5 Billionen Dollar zu gross, zudem wollen sie keine Steuern erhöhen.
Das Ergebnis ist ein Patt. Linke wie zentristische Demokraten sind stur, beide Seiten riskieren lieber, den eigenen Präsidenten Schiffbruch erleiden zu lassen, als nachzugeben. Eine frustrierende Lage für Biden. Und von den Republikanern wird niemand für dessen Vorhaben stimmen, um Bidens Agenda zu retten, das muss er schon selbst machen. Wie sich diese festgefahrene Situation aufbrechen lässt, ist unklar. Klar ist nur, dass Biden eine herausfordernde Woche mit viel Arbeit vor sich hat.
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