Führungsvakuum in der Agrarpolitik
In zehn Wochen geht der Chef des Bundesamts für Landwirtschaft in Pension, doch erst jetzt sucht Guy Parmelin einen Nachfolger. Gehandelt wird auch SVP-Präsident Rösti.

Seit vielen Jahren ist klar, dass der Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) Ende Juni 2019 in Pension geht. Doch erst vor gut einer Woche hat Bundesrat Guy Parmelin die Stelle von Bernard Lehmann neu ausgeschrieben. Die späte Chefsuche provoziert im Bundesamt nun ein längeres Führungsvakuum, wie Parmelin selber einräumen muss. Er hoffe, sagte der SVP-Bundesrat in der «Bauernzeitung», dass der Neue «bis Ende Jahr» anfangen könne. In der Zwischenzeit müssten halt die Vizedirektoren das Amt führen.
Das Führungsvakuum trifft das BLW in einer heiklen Phase: In der zweiten Jahreshälfte muss es die Weichen stellen für die künftige Landwirtschaftspolitik der Schweiz. Bis Anfang 2020 muss dem Gesamtbundesrat die sogenannte Agrarpolitik (AP) 22+ vorliegen. Ein Entwurf wurde zwar noch unter Parmelins Vorgänger Johann Schneider-Ammann (FDP) ausgearbeitet, wurde jedoch in der Vernehmlassung stark zerzaust.
Warum erst jetzt?
Unbestritten ist nur der Finanzrahmen: Auch in Zukunft soll der Bund jährlich knapp 3,5 Milliarden Franken für Agrarsubventionen ausgeben. Alles andere ist umstritten: Für den Bauernverband enthält die Vorlage zu viel Bürokratie und zu wenig ökonomische Perspektiven für die Bauern. Für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse verschleppt sie eine dringend nötige Strukturbereinigung. Und für die Umweltverbände gibt es zu wenig Fortschritte bei der Ökologie.
Was Parmelin in dieser Situation machen wird, ist die grosse Frage. Seine Medienstelle sagt bloss, er werde «die Agrarpolitik 22+ nicht neu aufgleisen», aber «mit den interessierten Kreisen» gewisse umstrittene Aspekte «vertieft diskutieren».
Dass sich der Bund vor diesem Hintergrund so viel Zeit für die Chefsuche im BLW lässt, stösst im Parlament auf Unverständnis. SP-Nationalrat Beat Jans fragt den Gesamtbundesrat in einer Interpellation, warum er die Sache derart lange schleifen liess. Immerhin wisse man seit Lehmanns Amtsantritt vor acht Jahren, dass der Mann Mitte 2019 pensioniert werde.
Parmelin selber ist erst seit Anfang dieses Jahres für das BLW zuständig. Zuerst, so rechtfertigt er sich in der «Bauernzeitung», habe man ein Pflichtenheft aufsetzen und eine Findungskommission einsetzen müssen. Doch diese Erklärungen lässt Jans nicht gelten: Wenigstens die Stellenausschreibung hätte Parmelin längst vornehmen können – wenn nicht schon sein Vorgänger Schneider-Ammann, so Jans.
CVP-Nationalrat Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands, sieht das Interregnum im BLW weniger dramatisch. Für ihn ist «ohnehin klar», was Parmelin jetzt machen muss. Die Bauern und die kantonalen Landwirtschaftsämter seien schlicht nicht in der Lage, bereits wieder eine grössere Agrarreform zu verkraften. Darum müsse die Agrarpolitik 22+ administrativ vereinfacht und «viel schlanker werden». Und dazu, so Ritter, müsse der neue BLW-Direktor nicht zwingend im Amt sein.
Röstis Profil nahezu perfekt
In der Branche führt das absehbare Vakuum seit Monaten zu Spekulationen. Die «Bauernzeitung» nennt eine ganze Reihe von kantonalen Agrarbeamten und Leitern landwirtschaftlicher Schulen als mögliche Lehmann-Nachfolger, doch ein Favorit ist bisher nicht in Sicht. In dieser Situation kursiert im BLW nun ein ganz heisser Name: Albert Rösti, Präsident der SVP Schweiz, könnte neuer Direktor werden.
Zumindest auf dem Papier bringt Rösti ein nahezu perfektes Profil mit: Der 51-jährige Berner ist nicht nur studierter Agraringenieur ETH. Als ehemaliger Direktor von Swissmilk ist er auch mit der Branche vertraut, und als Nationalrat kennt er das Parlament. Parmelin wiederum sieht sich mit den Erwartungen seiner Partei konfrontiert, das Wirtschafts- und Bildungsdepartement vermehrt mit SVP-Personal zu bestücken. Im BLW könnte Parmelin diese Erwartungen leichter erfüllen als etwa in den Staatssekretariaten für Bildung und für Wirtschaft.
Albert Rösti winkt jedoch klar ab. Ein paar Jahre früher wäre der Chefposten im Bundesamt für Landwirtschaft für ihn durchaus «spannend gewesen», sagt er, doch zum jetzigen Zeitpunkt sei das «ausgeschlossen». Er sei Präsident der grössten Partei und könne und wolle «sicher nicht ein paar Monate vor den eidgenössischen Wahlen in die Bundesverwaltung wechseln».
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