Frische Luft, weniger Antibiotika
Schweizer Mastkälber bekommen besonders viele Antibiotika verabreicht. Dabei ginge es auch anders.

Sie husten, haben eine erhöhte Körpertemperatur, gerötete Augen, kaum Hunger, atmen schwer, und aus ihrer Nase tropft ein wässriges bis zähflüssiges Sekret. Kurzum, diese Kälber sind krank, leiden an einer Lungenentzündung, werden aber dennoch manchmal von ihrem Geburtsstall zu einem Mastbetrieb transportiert.
Dort werden sie dann mit anderen Tieren gemischt, und jedes erkrankte Mastkalb bringt seine Krankheitserreger in die Gruppe. «Oft erhalten sie deshalb bereits schon prophylaktisch Antibiotika, damit es nach der Ankunft im Mastbetrieb nicht zu einem Krankheitsausbruch kommt», sagt Mireille Meylan, Leiterin der stationären Wiederkäuerklinik der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern. Dies fördere jedoch die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen, die auch für den Menschen gefährlich werden könnten.
Auch Sterblichkeit halbiert
In der Schweiz bekommen Mastkälber in ihrem kurzen, meist nur fünf Monate dauernden Leben im Durchschnitt an mindestens sieben Tagen Antibiotika verabreicht. «Im Vergleich zu anderen Rindern ist bei ihnen der Einsatz am höchsten, weil der mit dem Verkauf, Transport und Zusammenführen in Gruppen verbundene Stress die jungen Tiere für Krankheiten anfällig macht», sagt Meylan. Zusammen mit Kollegen stellte sie in einer umfangreichen Untersuchung fest, dass man mit einem neuen Managementkonzept den Antibiotikaverbrauch um 80 Prozent reduzieren und gleichzeitig auch noch die Sterblichkeit der Jungtiere halbieren kann – von rund sechs auf drei Prozent.
Das Problem ist, dass männliche Kälber auf einem reinem Milchbetrieb nicht erwünscht sind und im Prinzip vor allem Kosten verursachen. Damit eine Kuh ihre hohe Milchleistung jedoch halten kann und die Laktationskurve nicht zu stark absackt, muss sie jedes Jahr ein Kalb gebären. Doch wohin mit all den männlichen Kälbchen? Während viele weibliche Jungtiere später für die Milchwirtschaft eingesetzt werden, kommen alle anderen häufig direkt auf einen Mastbetrieb, bis sie vier Monate später geschlachtet werden.
«Männliche Kälber sind auf einem reinen Milchbetrieb nicht viel wert und gelten als überzählig.»
«Männliche Kälber sind auf einem reinen Milchbetrieb nicht viel wert und gelten als überzählig», sagt Meylan. Deshalb würden diese oft im Alter von drei bis vier Wochen von einem Transporter abgeholt, der die Jungtiere von verschiedenen Höfen einsammelt und an einen anderen Ort zum Mästen fährt. Die Gefahr ist dabei gross, dass sie sich auf dem Weg dorthin im Anhänger auch noch untereinander anstecken. Später kommen sie dann mit bis zu 50 oder mehr Tieren in einen Stall, wo nochmals ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht.
Gemäss der neuen Studie lässt sich mit relativ wenig Aufwand viel bewirken. So ist es zum Beispiel bereits viel besser, wenn keine fremde Person die Tiere mit einem Sammeltransport abholt, sondern der Bauer sie selbst bringt. «Durch einen solchen direkten Zukauf achtet man mehr auf die Gesundheit jedes Einzelnen und nimmt keine kranken Tiere mit», erklärt Meylan. Nach der Ankunft seien die Jungtiere zuerst für circa einen Monat in einem Einzel-Iglu mit Stroh und Blickkontakt zu den anderen gehalten worden, bevor sie nach der erforderlichen Quarantäne in kleinen Gruppen von maximal zehn Kälbern in ein Gruppen-Iglu gekommen seien.
Geimpfte Freiluft-Kälber
Die Berner Veterinärmedizinerin und ihr Team haben 1900 Kälber während eines Jahrs auf insgesamt 38 zertifizierten IP-Suisse-Betrieben untersucht. Die Jungtiere wurden dann entweder nach deren herkömmlichem IP-Suisse-Mastsystem im Stall mit Zugang zu einem unüberdachten Auslauf gehalten oder nach dem neuen Freiluftkonzept, bei dem vor dem Gruppen-Iglu ein mit Stroh eingestreuter, überdachter Auslauf war. Dieser bot Schutz vor Regen und Hitze. Die Kälber trotzten auch garstigem Wetter und standen immer draussen.
Um einer Lungenentzündung vorzubeugen, wurden die Kälber der Freiluftgruppe, bevor oder unmittelbar nachdem sie auf den Mastbetrieb kamen, noch dagegen geimpft. Dies wirkte sich ebenfalls positiv auf ihre Gesundheit aus. Doch in der Regel wird dies auf dem Geburtsbetrieb nicht gemacht, da jede Impfung rund zehn Franken kostet und genau gerechnet wird. «Es ist ein hartes Business und die Gewinnmarge nur klein», sagt Meylan. Dennoch hoffe sie, dass das neue Konzept zu einem Umdenken führe.
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