Urteil vor Basler StrafgerichtFreiheitsstrafe wegen halsbrecherischer Verfolgungsjagd
Er raste bekifft von Mülhausen nach Basel, zeitweise verfolgten ihn vier Polizeiautos. Wohl nur durch Glück wurde dabei niemand verletzt.

In der Nacht auf den 6. September erreicht die Polizei in Mülhausen ein Notruf. Eine Frau sei gerade in ein Auto gezerrt worden. Der Polizei liegt das Kennzeichen des Autos vor, es ist als gestohlen gemeldet.
Sofort begeben sich Polizeipatrouillen an den Ort der vermeintlichen Entführung. Ein Auto der zivilen Fahndung ist in unmittelbarer Nähe. Die Beamten wollen eine Kontrolle durchführen – und der Fahrer drückt aufs Gaspedal.
Zwei Polizeiautos folgen ihm mit Blaulicht. Die Fluchtfahrt führt aus Mülhausen heraus in Richtung Deutschland, durch deutsches Staatsgebiet und schliesslich nach Basel.
Linksherum im Kreisel unterwegs
Er fährt viel zu schnell, überfährt Rotlichter, fährt auf der Gegenbahn, fährt in einem Kreisel linksherum und begegnet schliesslich auf der Margarethenstrasse einer Patrouille der Kantonspolizei Basel-Stadt.
Nun folgen drei Polizeiautos dem Auto, das scheinbar ziellos und unberechenbar durch die Stadt rast. Auf dem Heuwaage-Viadukt kreuzt der Korso abermals eine Patrouille der Kantonspolizei Basel-Stadt. Auch diese wendet mit Blaulicht und Sirene und setzt zur Verfolgung an.
Schliesslich gelingt es einer Patrouille durch das Wählen eines anderen Weges, sich vor dem Flüchtigen zu positionieren. In der Absicht, ihm die weitere Flucht zu verunmöglichen, fährt das Fahrzeug mittig auf der Strasse, damit es nicht überholt werden kann.
Die Flucht endet mit einem Crash
Gleichzeitig verlangsamt das Polizeiauto das Tempo, um den Flüchtigen auszubremsen. Das scheint vorerst zu klappen, die Fahrt verlangsamt sich. Doch plötzlich drückt der Autofahrer wieder aufs Gaspedal und setzt zum Überholmanöver an. Dabei kracht der Kleinwagen frontal in die hintere linke Seite des Polizeivans.
Durch den Aufprall dreht sich das Polizeiauto quer. Weil das Auto des Flüchtigen noch immer nicht zum Stillstand kommt, wird das Polizeiauto linksseitig vom Boden gehoben und scheint zu kippen. Doch die Wucht reicht nicht, das Auto bleibt stehen und wird noch rund 40 Meter weitergeschoben.
Als das Auto steht, flüchtet der Verfolgte zu Fuss von der Unfallstelle. Doch die Polizei kann ihn rasch fassen. Die Beamten der Police Nationale sehen sich einem Altbekannten gegenüber. Der 27-jährige Franzose wurde im Alter von 13 Jahren das erste Mal verurteilt. 30 Vorstrafen hat er seither angesammelt, die meisten wegen Gewalt- und Drogendelikten. Schon mehrfach musste er Freiheitsstrafen absitzen.
«Grosses Risiko von Todesopfern»
«Ich selbst habe ihn schon zwei- oder dreimal festgenommen», sagte ein Beamter der Police Nationale, der an der Verfolgungsjagd beteiligt war, am Dienstag vor dem Strafgericht Basel-Stadt.
Es waren dann auch seine negativen Erlebnisse mit der Polizei, die der Beschuldigte vor Gericht geltend machte. Er habe sich vor der Polizeigewalt gefürchtet. Er sagte aber auch, er habe in Mülhausen grosse Angst gehabt, weil er von maskierten bewaffneten Männern bedroht worden sei, bei denen er nicht gewusst habe, dass es sich um Polizisten handle.
Dieser Darstellung widersprachen die vorgeladenen Beamten. Es sei gar keine Zeit gewesen, auszusteigen, weil der Beschuldigte direkt davongefahren sei.
Die Richterin tat die Angstbekundung als Schutzbehauptung ab. Seine Aussagen seien grundsätzlich nicht sehr glaubhaft, sagte sie bei der Urteilsbegründung am Mittwochvormittag. Es gehe hier um «eine halsbrecherische Fahrt, bei der zwangsläufig ein grosses Risiko von Todesopfern bestand».
Landesverweis für sechs Jahre
Der Beschuldigte sei nicht nur bekifft und ohne Führerausweis gefahren, «Sie waren auf der Flucht, haben die Örtlichkeit nicht gekannt. Sie sind drauflosgefahren, egal, ob man dort fahren durfte oder nicht.»
Das Gericht verurteilte den Beschuldigten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe für 28 Monate beantragt. Gefolgt ist das Gericht der Staatsanwaltschaft betreffend die Dauer des Landesverweises, der im Fall der Verurteilung wegen Gefährdung des Lebens obligatorisch ist. Sechs Jahre wird der Franzose des Landes verwiesen.
Nachdem er seine Strafe abgesessen hat, wartet schon der nächste Prozess auf ihn. Die Strafvollzugsbehörden werden ihn den französischen Behörden übergeben. Dort erwartet ihn ein Strafverfahren, bei dem der Entführungsvorwurf, die Verkehrsdelikte in Frankreich und die Geschichte rund um das gestohlene Auto geklärt werden.
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