Frau Doktor, er hat eine Bombe im Bauch
Grey's Anatomy läuft in der 16. Staffel, die 17. ist bereits geplant. Was die Menschen an der Serie so begeistert.

Meredith Grey hat eine Bombenexplosion, einen Amoklauf und einen Flugzeugabsturz überlebt und wäre einmal beinahe ertrunken. Als wäre das nicht genug, hat sie ihre alzheimerkranke Mutter, ihre Schwester und ihren Ehemann verloren. Aktuell riskiert sie mal wieder ihre Approbation.
Aber auch das wird Grey überstehen. Sie ist die titelgebende Chirurgin aus Grey's Anatomy , der am längsten laufenden Krankenhausserie im US-Fernsehen. Gerade läuft in den USA auf ABC die 16. Staffel. Die 17. Staffel ist geplant, jede Staffel mit mehr als 20 Folgen. Warum fasziniert die Serie, die in einem fiktiven Krankenhaus in Seattle spielt, auch nach 14 Jahren so, dass in den USA pro Folge durchschnittlich zehn Millionen Menschen einschalten und sie, wenn sie jeweils in der Schweiz auf SRF 2 läuft, einen Marktanteil von bis zu 8.7 Prozent erreicht? In einem Wort gesagt: Drama.
In einem Patienten wächst ein Baumb
Unter den medizinischen Notfällen, die in das Grey Sloan Memorial Hospital eingeliefert werden, ist kaum etwas Alltägliches. Mal befindet sich im Bauch eines Mannes eine Bombe, die nur deswegen nicht detoniert, weil eine Sanitäterin ihre Hand draufhält – die Folge mit Christina Ricci schauten während des Superbowls 2006 knapp 38 Millionen Zuschauer –, mal fällt eine Krankentrage vom Dach der Klinik und trifft ausgerechnet ein Auto, in dem ein Teenagerpärchen Sex hat. In einem Patienten wächst ein Baum, in einem anderen vermehren sich Würmer. Und statt eine simple Blinddarmentzündung zu operieren, transplantiert man im Grey Sloan lieber ganze Bauchdecken. Je abstruser, desto Grey's, wobei die einzelnen Fälle alle reale Vorbilder haben.
Trotz der hanebüchenen Fälle stehen Patienten in Grey's Anatomy nicht im Vordergrund. Die wahren Stars sind die Ärzte – allen voran Meredith Grey. In der ersten Folge lernt sie in einer Bar einen attraktiven Mann kennen und verbringt die Nacht mit ihm. Aber der Unbekannte entpuppt sich bald als ihr Vorgesetzter Derek Shepherd. Elf Staffeln lang steht die Liebesgeschichte zwischen der Assistenzärztin und «McDreamy» – unter Fans wird das Paar auch MerDer genannt – im Zentrum der Serie. Inklusive Streit, Affären und unzähliger Katastrophen. Aber auch Heirat, drei Kinder, Häuschen im Grünen. «Grey's» mutet seinen Protagonisten einiges zu. Ist das Drama doch nicht nur auf die Patienten bezogen, sondern vor allem auf die privaten Aufs und Abs der Ärzte. Das am häufigsten verwendete Requisit dürfte kein Skalpell sein, sondern ein Kaffeebecher. Denn schlafen müssen die Ärzte in diesem Krankenhaus nicht. Höchstens miteinander.

Hinter Grey's Anatomy steckt die US-Produzentin Shonda Rhimes, vom Time Magazine schon mal zu den 100 einflussreichsten Menschen auf der Welt gekürt und aktuell mit der Verfilmung der Sorokin-Story beschäftigt. Rhimes wollte ursprünglich keine Krankenhausserie machen. Aber sie war fasziniert von den Medizindokus auf Discovery Channel, in denen Ärzte ganz beiläufig, während sie operierten, über ihr Privatleben plauderten. Im Grunde gehe es um Menschen, so Rhimes, nicht ums Krankenhaus.
Die Ärztinnen und Ärzte sind divers – und trinke viel Kaffee
Und diese Menschen gestaltete Rhimes sehr divers. Von Anfang an war mit Sandra Oh (Killing Eve) als Cristina Yang eine Asiatin dabei, dazu der schwarze Oberarzt – und bald Yangs Lover – Preston Burke. Von Staffel fünf an gehörte ein lesbisches Pärchen zur Kernbesetzung, in der 15. Staffel fanden zwei schwule Ärzte zueinander, eine Assistenzärztin trägt Kopftuch. Das Bemerkenswerte: Rhimes macht kein grosses Trara um ethnische Herkunft oder sexuelle Präferenzen. Vielmehr geht es darum, wer mit wem als Nächstes im Bereitschaftszimmer verschwindet. Oder wer aus der Ärzteriege als Nächstes selbst auf dem OP-Tisch landet. Man fragt sich bisweilen bei Grey's, wie dieses Krankenhaus eigentlich funktionieren kann. Wo die eine Hälfte der Belegschaft wegen Unzucht am Arbeitsplatz schon den Job verloren haben müsste, bräuchte die andere aufgrund persönlicher Traumata (Flugzeugabsturz, Bombe) Berufsverbot vom Therapeuten. Aber bei «Grey's» ist das anders. Schnell wieder anziehen, Kaffeebecher zur Hand, ab in den OP.

Viele befürchteten, dass – Achtung Spoiler – Derek Shepherds Tod in der elften Staffel auch das Ende für Grey's Anatomy bedeuten würde. Was wäre Meredith Grey ohne die Liebe ihres Lebens? Aber tatsächlich emanzipierte sich die Serie von Staffel 12 an und öffnete sich für gesellschaftliche Themen. Auf einmal ging es um Depressionen, #MeToo, häusliche Gewalt, Migration. Ohne auf die obligatorischen Romanzen zwischen den Ärzten zu verzichten. Kaum verwunderlich, dass auch Meredith Grey nicht lange allein bleibt.
Ähnlich wie vor der Kamera öffnete sich die Serie aber auch hinter der Kamera. Immer wieder führen Darsteller Regie, mit Pompeo, Chandra Wilson und Debbie Allen auch drei Frauen. Letztere sagt in einem US-Radiosender: «Viele der weiblichen Figuren in der Serie sitzen auf Machtpositionen, sie haben was zu sagen.» Pompeo kämpfte nach dem Ausstieg Patrick Dempseys für mehr Gehalt – schliesslich hiess die Serie schon immer Grey's und nicht Shepherd's Anatomy – und zählt inzwischen mit mehr als 20 Millionen Dollar im Jahr zu den bestbezahlten Schauspielerinnen im US-Fernsehen. In ihrer Abschiedsfolge rät Christina Yang ihrer Freundin Meredith, sich nicht in den Schatten ihres Mannes zu stellen. «Er ist nicht die Sonne. Du bist es.»
Grey's Anatomy, iTunes.
Auch in der 16. Staffel gibt es viel Drama und einige neue Köpfe. Quelle: Youtube
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch