Französischer Minister tritt in Fettnapf
«Wir haben genug von diesem ganzen Gehabe mit der Vergangenheit!», sagt der französische Minister für Einwanderung und lädt zu einer Konferenz nach Vichy.

Der französische Ausländerminister Brice Hortefeux gilt als selbstgefällig und belehrend, weshalb er es in der Lokalpolitik nie besonders weit gebracht hat. Vorsichtshalber bewarb er sich im letzten März nicht um das Bürgermeisteramt von Clermont-Ferrand, seiner Wahlheimat. Die Meinungsumfragen sollen katastrophal gewesen sein.
Dem Staatspräsidenten aber ist Hortefeux seit Jahrzehnten ein treuer Freund. Nicolas Sarkozy weiss genau, was er an Hortefeux hat – sodass er ihn bei der Regierungsbildung 2007 mit einem undankbaren Ressort abspeiste, dem neuen, mager ausgestatteten Ministerium mit dem aufgeblasenen Namen, in dem Einwanderung, Integration, Asyl, Entwicklung und, für die Wähler von Rechtsaussen, auch die «nationale Identität» vorkommen. Hortefeux ist fleissig, reist viel, umschmeichelt seine ausländischen Kollegen. Der informelle EU-Gipfel zum Einwanderungspakt Anfang Juli ist ihm nach allgemeinem Eindruck gut gelungen.
Erinnerung an die Kollaboration
Anfang kommender Woche findet ein ähnlicher Gipfel zur Integration statt – in Vichy, der Bäderstadt nahe bei Clermont-Ferrand. Der Name Vichy weckt nicht nur in Frankreich sofort Erinnerungen an einen engstirnigen Patriotismus und an Kollaboration (vgl. Kasten). Sechsundzwanzig Ministerkollegen aus den anderen EU-Mitgliedsstaaten und Dutzende Experten werden am 3. und 4. November in den komfortablen Kurhotels von Vichy Quartier beziehen. Bloss der Teilnehmer aus Deutschland stand noch nicht fest, als das französische Ausländerministerium vor zwei Tagen das endgültige Programm verschickte. Das sei aber kein Zeichen der Missbilligung, beschwichtigten deutsche Diplomaten, inzwischen hätten sich gleich zwei Minister angesagt.
Hortefeux, Sohn einer Geschichtslehrerin, hat den Ort mit Bedacht ausgewählt. «Ich bin ein Risiko eingegangen», sagte er vor Parteifreunden, «aber das nehme ich auf mich. Wir haben genug von diesem ganzen Gehabe mit der Vergangenheit!» Der aufbrandende Applaus überdeckt Hortefeuxs folgende Worte. Noch nie habe eine internationale Konferenz in Vichy stattgefunden, obwohl die Stadt doch über die notwendige Infrastruktur verfüge. Den «Crétins», Linksextremisten und Grünen, die sich über die Ortswahl aufregen, hält Hortefeux vor, die Stadt und ihre Bürger seien schliesslich unschuldig an dem ausländerfeindlichen Regime, das mit ihrem Namen verknüpft wird.
Wenn es nur darum gegangen sei, die Stigmatisierung Vichys aufzuheben, fragt ein Kommentator, warum habe man nicht ein EU-Treffen etwa zur Strukturpolitik im Mittelgebirge angesetzt? Musste es die Ausländerpolitik sein? «Die Verknüpfung von Ort und Thema verweist Vichy auf eine Vergangenheit, von der die Stadt verständlicherweise freikommen möchte, sagt die linksradikale Nachwuchspolitikerin Clémentine Autain. «Ich dachte zuerst, es sei ein Witz.»
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