Frankreichs Weltmeister sollen endlich feiern
Les Bleus sind zurück auf der grossen Bühne – am Donnerstag spielen sie gegen Deutschland in der Nations League (20.45 Uhr).

Freude entlädt sich in aller Regel und mit Wucht gleich nach einem Sieg, im Sturm der Gefühle, wenn die Herzen überlaufen. Manchmal erstickt sie aber auch schnell.
Vielleicht lag es ja am Sommerregen, der sich ausgerechnet am späten Nachmittag des 15. Juli über Moskau ergoss, als die Franzosen sich hätten auslassen können über ihren Triumph. Er prasste so urplötzlich auf die Szene, dass es in der Requisitenkammer des Stadions eine ganze Weile lang nur einen einzigen Schirm zu geben schien, natürlich schützte der das kahle Haupt Wladimir Putins. Die kroatische Präsidentin und der französische Präsident bekamen das ganze Wasser ab, was ihre Freude aber nicht trübte. Sie herzten, sie lachten, sie taten, was Politiker nun mal tun: Sie nutzten die tolle Bühne für etwas Selbstinszenierung.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron stahl den Bleus im Moment des Glücks die Schau. Als die tatsächlichen Weltmeister nach Paris kamen, um sich fremdfeiern zu lassen, fiel die Parade auf den Champs-Élysées viel kürzer und nüchterner aus, als es so ein Titel verdienen würde. Dann begann der Urlaub.
Eine Hommage verdient
Selten verpuffte ein Sommermärchen so schnell wie diesmal, wie feuchtes Feuerwerk. Das Feiern soll nun nachgeholt werden, ganz ausdrücklich.
Als Didier Deschamps vor einigen Tagen das Aufgebot für die Nations League bekannt gab, da sagte der Coach der Franzosen, die Spieler hätten eine Hommage verdient, eine richtige Feier. Natürlich findet die nicht heute in München statt, da läuft man sich erst warm. Sondern am Sonntag im Stade de France bei Paris.
«DD» berief genau jene 23 Fussballer, die er schon zur WM mitgenommen hatte, sie hätten sich alle vorbildlich benommen, auch die Ersatzleute. Und müssten die Torhüter Hugo Lloris und Steve Mandanda, die Nummer eins und die Nummer zwei, nicht wegen Verletzungen passen, wären auch alle wieder dabei. Das Tor bewacht Alphonse Areola.
Deschamps ist nicht bekannt für revolutionäres Gestalten, eher im Gegenteil: Er gilt als sorgsamer Bewahrer, der den Gegner lieber mit seinen Getreuen taktisch neutralisiert, als ihn mit eigenen spielerischen Ideen zu übermannen. Mehr Reaktion als Aktion.
Das ist nicht immer sehr spektakulär anzusehen, aber legitim, und es brachte den Erfolg: 88 Prozent der Franzosen finden, DD müsse unbedingt weitermachen. Kennt man die Launen der Franzosen und summiert man den obligaten Hang zur Klage zu den offen bekundeten Ambitionen von Zinédine Zidane auf den Job, ist das ein schier unglaublich festes Bekenntnis zum Basken. Macron jedenfalls ist nicht ganz so populär.
Hoffen auf den Ballon d'Or
Deschamps zählt auch zu jenen drei Trainern, welche für die Auszeichnung der Fifa für den «Best Coach Award» zur Wahl stehen. Die anderen beiden sind Zidane und der Kroate Dalic.
Für einigen Unmut sorgt in Frankreich, dass kein Spieler des Weltmeisterteams es auf die Kurzliste für den «Best Player Award» schaffte. In Frankreich hofft man jetzt auf den Ballon d'Or, die Auszeichnung des weltbesten Fussballers, den das französische Magazin «France Football» seit vielen Jahren vergibt, gewissermassen die Mutter aller Individualprämien.
Es gibt Umfragen dazu, wer die erhalten soll. Und auch da haben die Franzosen ihre ganz klare Präferenz: Kylian Mbappé ist erst 19, ein Kindkönig, der Louis XIV. des Fussballs. Bisher galter als vorbildlicher Jungstar aus der Pariser Banlieue, bescheiden und wohlerzogen, spielerisch reif und doch so modern, frisch und unbeschwert – der Mix für eine ganz grosse Karriere, für ein langes Regnum. Die jüngsten Signale seiner Entwicklung geben aber eher zu denken.
Mbappé ist neuerdings oft nervös, impulsiv. Man sah das schon an der WM, da flog er manchmal so formvollendet über gegnerische Beine wie Neymar, sein Vereinskollege bei PSG. Am vergangenen Wochenende in Südfrankreich, im Meisterschaftsspiel gegen Aufsteiger Nîmes, echauffierte er sich dermassen über ein taktisches Foul eines Gegenspielers an der Mittellinie, dass er ihn anrempelte und zu Boden stiess. In der 94. Minute, die Pariser führten 4:2, völlig unnötig also. Mbappé sah dafür Rot und wurde für drei Spiele gesperrt.
Bewusst ein Bad Boy
Unmittelbar nach dem Spiel sagte er, er bereue nichts, er würde wieder so handeln. Als er dann von seinem Umfeld und wahrscheinlich auch vom Verein zur Räson gedrängt wurde, entschuldigte er sich für beides – den Rempler und die Sturheit. Deschamps sagte, er werde mit Mbappé reden: «Er muss lernen, sich in solchen Momenten zu beherrschen.» Die französischen Medien wundern sich über die plötzliche Verwandlung. Manche vermuten, Mbappé lege sich bewusst das Image eines Bad Boy zu, um sich Respekt zu verschaffen.
Im Club steht er im Schatten von Neymar, dem Posterboy des Vereins, dem er zudienen, alle guten Bälle zupassen soll. «O Ney» und der Kindkönig – es ist eine schwierige Gemeinschaft. Wer wird grösser? Kürzlich sagte Neymar, Mbappé sei noch jung, er werde ihm helfen zu wachsen. Wie einen Schuljungen behandelte er ihn. Nicht auszudenken, was wäre, wenn der Schüler vor dem Lehrer den Ballon d'Or gewinnen würde.
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